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Die Bowl beruhigt

Bowls gehören zu den wichtigsten Essenstrends der vergangenen Jahre. Auch in Österreich werden die vielfältig befüllten Schalen beliebter. Von gegrilltem Fleisch über rohen Fisch bis zur veganen Variante - das Essen aus Schüsseln ist nicht nur praktisch, sondern auch gesund. Und es dürfte eine beruhigende Wirkung haben, sagen Wissenschaftler.

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Der Trend, gesundes Fast Food aus Schüsseln zu essen, kommt aus den USA, genauer aus dem 50. Bundesstaat Hawaii. Die Poke-Bowls, die es dort auch an der Supermarkttheke gibt, bestehen aus rohem, in Stücke geschnittenem Fisch, Reis, Sojasauce und Sesam gemischt mit Kräutern, Avocado und anderen Gemüsesorten. Erfunden haben das Gericht Fischer, die ihr Mittagessen auf hoher See zubereitet und dafür den frisch gefangenen Fisch verarbeitet haben - soweit die Legende. Heute sind Poke-Bowls das hawaiianische Nationalgericht und weite über die Inselgrenzen hinaus verbreitet.

Gesund, praktisch, royal

Essen in Schüsseln und nicht auf Tellern zu servieren hat durchaus Vorteile, sowohl beim Herstellen als auch beim Essen. Bowls können ohne großen Aufwand an die Wünsche der Kundinnen und Kunden angepasst werden. Die Zutaten sind schnell angerichtet, und die günstigeren Sättigungsbeilagen verschwinden unter exklusiveren Zutaten wie Fleisch, Fisch, Avocado und Sprossen. Frittiert oder gebraten wird so gut wie nie. Weil die Zutaten klein geschnitten sind bzw. ohnehin eine breiige Konsistenz haben, kann man beim Verzehr auf ein Messer verzichten.

Lunch Bowl am Förderband

Getty Images/Wicki58

Beim Empfang nach der königlichen Hochzeit gab es Bowls für die 600 Gäste - man wollte kein formelles Essen

Essen in Schalen zu servieren habe auch soziale Vorteile, schrieb die britische „Daily Mail“. Bei Veranstaltungen, die zum Netzwerken gedacht sind, könne man sich mit einer Schüssel in der Hand leichter unter die Leute mischen. Das sei auch einer der Gründe, warum man sich bei der königlichen Hochzeit entschieden habe, Bowls zu servieren. Prinz Harry und Meghan Markle wollten, dass sich ihre 600 Gäste beim großen Hochzeitsempfang frei bewegen können, und entschieden sich deswegen gegen ein gesetztes Essen.

Die Schüssel macht zufrieden

Dass die Beliebtheit von Bowls zunimmt, führen einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf das Geschirr und nicht die Speisen an sich zurück. Die BBC zitierte den Experimentalpsychologen Charles Spence von der Oxford University. Hält man die Schüssel beim Essen in der Hand, so seine Analyse, könne das Gewicht der Mahlzeit den Eindruck von Zufriedenheit und Sättigung verstärken. Das Essen würde dann intensiver und reichhaltiger schmecken als auf einem flachen Teller.

Eine warme Schüssel in der Hand zu halten hat laut Spence auch einen sozialen Effekt: Andere Menschen erscheinen den Essenden dann ebenfalls warmherziger. Ist die Schüssel bis an den Rand gefüllt, beeinflusse das auch den Appetit. Eine bis zum Rand gefüllte Schale vermittle den Menschen, dass sie ausreichend zu essen bekommen würden, so Spence. Werden Portionen auf großen, flachen Tellern serviert, erscheinen sie dagegen kleiner, und die Menschen haben Angst, hungrig zu bleiben.

Burrito aus der Schale, nicht in der Flade

Auch in Österreich gibt es mittlerweile einige Lokale, die Bowls anbieten. Die „Gorilla Kitchen“ im vierten Bezirk in Wien, die auf Burritos spezialisiert ist, bietet das mexikanischen Fast Food seit einiger Zeit auch ohne Weizentortilla in der Schale an. Das würde ganz unterschiedliche Kunden ansprechen, meint Christoph Heger, der Besitzer der „Gorilla Kitchen“. „Bei einem Burrito geht schneller etwas daneben als bei einer Bowl“, sagt
Heger im Gespräch mit ORF.at. Viele würden beim schnellen Mittagessen daher zur Bowl greifen, um sich nicht anzupatzen.

Burrito Bowl

Getty Images/AlexPro9500

Wer sich nicht anpatzen will, isst den Burrito aus der Schüssel

Andere würden die Mahlzeit in der Schale vorziehen, weil sie weniger Kohlehydrate zu sich nehmen wollen. In die Bowl kommen neben Bohnenmus, Limettenreis und Salat auch Fleisch und Tofu, aber eben keine Weizenmehlflade. Die Gäste würden die Bowls mit Beschreibungen wie „gesund“ und „selbst gekocht“ assoziieren, so Heger, und deswegen würden auch laufend mehr verkauft. „Vor ein paar Jahren haben wir so gut wie keine Bowls verkauft, heute machen sie ein Viertel unserer verkauften Speisen aus“, so der Gastronom weiter.

Löffeln statt trinken

Eine ähnliche Erfahrung macht auch Peter West, der im „Superfood Deli“ im sechsten Bezirk in Wien vor allem Frühstücksbowls verkauft. „Die Acai-Bowl kommt am besten bei unseren Kunden an“, so West. Dabei handelt es sich um ein dickes Früchtepüree, das aus brasilianischen Acai-Beeren und anderen Obstsorten hergestellt und mit allerlei Früchten, Nüssen und Flocken garniert wird. „Weil man nicht einen dünnen Smoothie trinkt, sondern den dicken Brei langsam aus der Schüssel löffelt, kann der Körper die Nahrungsmittel besser verwerten“, so West. Das sei bekömmlicher und gebe länger Energie.

Acai Bowl

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Bei den Acai-Bowls kommen Smoothies in die Schüssel

Die vielen verschiedenen Varianten der Bowls, von süß bis salzig, von Frühstück bis Abendessen, würden für einen langanhaltenden Essenstrend sorgen, ist der britische „Guardian“ überzeugt. Denn Burrito-Bowls, Sushi-Bowls und Poke-Bowls hätten als Speisen so gut wie nichts gemeinsam, abgesehen von der Art des Geschirrs, in dem sie serviert werden. Weil man so gut wie alles mischen bzw. Zutaten ohne Probleme weglassen könne, sei für jeden Geschmack etwas dabei.

Neuer Trend, aber keine Revolution

Der Erfolg der Bowls hat mittlerweile auch die Eigenheime erreicht. Zahlreiche Kochbücher widmen sich dem Thema, wie man die rohen und gekochten Zutaten am besten in einer Schüssel arrangiert. Essen, das nicht nur gesund ist, sondern sich wegen des farbenfrohen Mix auch gut als Foto auf Instagram macht. Um eine kulinarische Revolution handelt es sich bei den Bowls allerdings nicht, sondern mehr um geschicktes Marketing.

Nicht nur die Hawaiianer essen diese Mischung aus Gekochtem und Rohem schon sehr lange, auch die Koreaner verfahren beim Bibimbap, einem Gericht aus Reis, verschiedenen Gemüsesorten, Rindfleisch und Tofu, ganz ähnlich. Serviert bekommt man das Ganze ungemischt in einer Schüssel und kann dann selber umrühren oder sich eine Zutat nach der anderen zu Gemüte führen.

Ob nun die Schale oder die Bezeichnung „Bowl“ dieses alte Erfolgsrezept wiederbelebt hat, ist unklar. Die Forschung des Psychologen Spence zeigt zumindest: Mit einer warmen Schale in der Hand fühlt sich die Welt ein wenig freundlicher an.

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