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Entscheidung in Karlsruhe

In Deutschland können Aufnahmen von Autominikameras bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden. Das entschied am Dienstag der deutsche Bundesgerichtshof (BH) in Karlsruhe. Die Aufnahmen von Dashcams dürfen also bei Unfallprozessen genutzt werden.

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Das heißt aber nicht, dass man automatisch immer filmen darf. Die Richter verwiesen auf das Datenschutzgesetz. Das permanente Aufzeichnen bleibt unzulässig. Diese Unzulässigkeit führt aber nicht dazu, dass die Bilder in Zivilprozessen nicht verwertet werden dürfen. Es sei immer eine Frage der Abwägung im Einzelfall.

Bis zum BGH durchgekämpft

Gerichte hatten bisher unterschiedlich zum Einsatz der Dashcam-Aufzeichnungen geurteilt. Verkehrsexperten, Polizei und Automobilclubs begrüßten deshalb zumeist das höchstrichterliche Machtwort. Versicherer und der IT-Branchenverband Bitkom bemängelten allerdings, dass die Situation für Autofahrer damit nicht eindeutig geregelt ist. Vor dem BGH hatte die Berufung eines Autofahrers aus Sachsen-Anhalt Erfolg. Er wollte seine Unschuld an einem Unfall in Magdeburg anhand der Aufzeichnungen seiner Dashcam beweisen - doch weder das Amts- noch das Landgericht berücksichtigten diese.

„Für jedermann wahrnehmbar“

Weil die Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstießen, dürften sie nicht als Beweis herangezogen werden, hatten die Magdeburger Richter argumentiert. Der BGH sah das anders. Er hob das Berufungsurteil auf und verwies es zur Neuverhandlung zurück.

Obwohl die Aufnahmen des Klägers nicht erlaubt waren, überwiege in diesem Fall das Interesse an der Aufklärung des Unfalls. Und, so die höchsten deutschen Zivilrichter: „Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.“ Sie wiesen angesichts des schnellen und komplexen Verkehrsgeschehens auf den Straßen auch auf die häufige Beweisnot nach Unfällen hin.

Polizeigewerkschaft zufrieden

„Da die Beweisführung bei Unfällen oftmals sehr schwierig ist, können die Bilder einer Onboard-Kamera den entscheidenden Ausschlag für eine gerechte Beurteilung des Unfallgeschehens und für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ermöglichen“, begrüßte der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert, die „notwendige rechtliche Klarstellung.“

Ein Freibrief für „Hobbypolizisten und selbsternannte Hilfssheriffs“ ist das Urteil für GdP-Vize Plickert nicht: Nach wie vor sei die Polizei zuständig für die Überwachung des öffentlichen Straßenverkehrs. Denn der BGH gab Dauerfilmern eine Warnung mit: „Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen können mit hohen Geldbußen geahndet werden, und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht sind mit Freiheitsstrafe bedroht.“

Noch nicht weit verbreitet

Auch ein Rechtsexperte des deutschen Autofahrerclubs ADAC, Markus Schäpe, sieht nun Rechtssicherheit für Autofahrer. Zulässige Videos könnten Autofahrer nun mit Dashcams drehen, die entweder kurz vor dem Unfall anlassbezogen auslösen oder deren Aufnahmen regelmäßig überspeichert werden. „Es kann nicht sein, dass ein Unfallverursacher nicht zahlt, weil er sein Recht am eigenen Bild verletzt sieht.“

Anders als zum Beispiel in Russland fahren in Deutschland erst wenige Autofahrer mit den kleinen Kameras an Windschutzscheibe oder Armaturenbrett herum. Doch Dashcams werden auch dort immer beliebter: Einer Bitkom-Umfrage zufolge nutzen diese derzeit acht Prozent der Autofahrer. Weitere 13 Prozent wollen das in Zukunft auf jeden Fall tun, 25 Prozent können es sich vorstellen. In den vergangenen drei Jahren wurden laut Bitkom rund 150.000 Dashcams in Deutschland verkauft. Nach einer Umfrage des Automobil-Clubs Verkehr (ACV) würde fast die Hälfte der Befragten eine Dashcam verwenden, wenn ihre Nutzung gesetzlich geregelt wäre.

Rettung für Rabatt?

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) fordert einen „verbindlichen datenschutzrechtlichen Rahmen“ für den Einsatz. „Eine mögliche Lösung könnten zum Beispiel Kameras sein, die immer nur einen kurzen Zeitraum aufzeichnen und ältere Aufnahmen kontinuierlich löschen. Technisch wäre es möglich, die Aufnahmen einer Dashcam nach einem Unfall - und nur dann - automatisch zu sichern“, so Bernhard Gause von der GDV-Geschäftsführung.

Es sei davon auszugehen, dass die Autoversicherer künftig Dashcam-Aufnahmen nutzen werden, um die Aufklärung von Unfällen zu erleichtern, sagte Tibor Pataki vom GDV: Eine denkbare positive Folge könne zum Beispiel sein, dass Kunden ihren Rabatt bei der Versicherung trotz eines Unfalls möglicherweise behalten dürfen: „Wenn Sie durch die Dashcam nachweisen können, dass Sie überhaupt keine Schuld an einem Unfallgeschehen haben, dann rettet das Ihren Schadensfreiheitsrabatt.“

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