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Datenschützer sehen Entwicklung kritisch

Kameras, die auf dem Armaturenbrett befestigt werden, können später Hinweise geben, wie es zu einem Unfall kam. Für die Schuldfrage kann ein solcher Videobeweis entscheidend sein. Nach der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs, diese Videos als Beweise vor Gericht zuzulassen, kommen positive Reaktionen der deutschen Kfz-Versicherer. Heimische Datenschützer sehen diese Entwicklung kritisch.

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Das filmisch am besten dokumentierte astronomische Naturereignis der Geschichte ist vermutlich der Meteoriteneinschlag nahe der Stadt Tscheljabinsk im russischen Ural. Als dort am 15. Februar 2013 ein Meteor in die Erdatmosphäre eintrat, dessen Bruchteile im Himmel verglühten, filmten Tausende Kameras mit. Grund dafür ist die weite Verbreitung dieser Dashboard Cameras in Russland. Sie sollen ein Schutz gegen Überfälle sein und bei Unfällen Klarheit über das Verschulden liefern. Datenschutzgesetze, die das verbieten würden, gibt es in Russland nicht.

Ähnliche Rechtslage in Österreich

In Österreich darf man Dashcams zwar besitzen und im eigenen Auto montieren, man darf sich jedoch nicht verwenden. Den umgebenden Verkehr laufend zu filmen ist verboten. Für die Überwachung des öffentlichen Raums ist ausschließlich die Polizei zuständig. Denn wer vorsorglich andere Verkehrsteilnehmer aufzeichnet, filmt dabei größtenteils unschuldige Personen. Diese Art der Überwachung widerspricht dem österreichischen Recht. Das heißt aber nicht, dass solche Videos nicht auch in Österreich als Beweis vor Gericht zugelassen werden könnten.

Dashcam in einem Fahrzeug in Russland

picturedesk.com/Yuri Kadobnov

Beinahe jeder Neuwagen wird in Russland mit einer Dashcam ausgestattet, um das Geschehen laufend mitzufilmen

Denn wie in Deutschland gibt es auch in Österreich kein Beweisverwertungsverbot. Rechtswidrig erlangte Beweismittel sind unter bestimmten Umständen zulässig vor Gericht, erklärt der Verwaltungsrechtsexperte Gerhard Muzak von der Universität Wien gegenüber ORF.at. Das müsse dann abwägen, welchen Zweck die entsprechende Datenschutzverordnung verfolge und inwiefern der Einsatz von Dashcam-Videos dem widerspreche, so Muzak.

Deutsche Versicherungen reagieren positiv

Die deutsche Gerichtsentscheidung bezieht sich auf einen relativ harmlosen Unfall. Zwei Autos waren nebeneinander links abgebogen und dabei kollidiert. Die beiden Lenker hatten sich daraufhin gegenseitig beschuldigt. Die Dashcam-Aufnahme des Klägers zeigte im Gerichtsverfahren schließlich, dass nicht er den Zusammenstoß verursacht hatte.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sieht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe positiv. Der Einsatz der kleinen Kameras würde nicht nur die Aufklärung von Unfällen erleichtern, die Videos könnten auch dazu beitragen, Versicherungsbetrug aufzudecken, heißt es in einer Aussendung. Es sei davon auszugehen, dass die Autoversicherer künftig Dashcam-Aufnahmen nutzen werden, um die Aufklärung von Unfällen zu erleichtern.

Der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) reagiert zurückhaltender. „Grundsätzlich können für die Versicherer alle Beweismittel, die die Haftung und das Verschulden bei einem Verkehrsunfall klären, hilfreich sein“, heißt es gegenüber ORF.at. Voraussetzung sollte aber immer sein, dass die Beweismittel legal zustande gekommen sind. Und das sei im Fall von Dashcams in Österreich nicht der Fall.

Mehr Spielraum durch neues Gesetz?

Vom Justizministerium (BVRDJ) heißt es auf Anfrage von ORF.at, dass die österreichischen Gerichte entscheiden müssten, ob sie Dashcam-Videos als Beweismittel zulassen oder nicht. „Da mit der Verwendung von Dashcam-Videos unter Umständen ein Grundrecht verletzt werden kann, braucht es dafür eine richterliche Entscheidung“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Am 25. Mai 2018 treten die Datenschutz-Grundverordnung und das neue Datenschutzgesetz in Kraft. Daraus könne sich eventuell eine neue Judikatur entwickeln, so ein Sprecher des Verkehrsministeriums gegenüber ORF.at. „Eine einfachgesetzliche Regelung sei möglich, sollte aber im neuen Datenschutzgesetz erfolgen, da hier geregelt ist, unter welchen Umständen eine Videoüberwachung zulässig ist“, heißt es in der Stellungnahme. Da es sich um eine Datenschutzmaterie und nicht um eine kraftfahrrechtliche Frage handle, seien aber die Datenschutzrechtsexperten des Justizministeriums zuständig.

Datenschutzbehörde gegen Dashcams

Die Datenschutzbehörde, die beim Justizministerium angesiedelt ist, war bisher immer gegen die Zulassung eines Dashcam-Systems. Denn Privatpersonen dürfen den öffentlichen Raum nicht überwachen, hier habe der Datenschutz eindeutig Vorrang.

Dazu gebe es auch einen Gerichtsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH, sagte Andrea Jelinek, die Leiterin der Datenschutzbehörde, auf Nachfrage. In diesem Fall wollte ein Autofahrer Kameras auf seinem Fahrzeug verwenden, die den Verkehr durchgehend verschlüsselt aufgezeichnet hätten. Die Aufnahmen wären aber nach 60 Sekunden wieder überschrieben worden. Nur nach starker Erschütterung, etwa durch einen Unfall, oder bei Betätigung eines Notfallknopfs wären die Bilder dauerhaft gespeichert worden.

Da die dauerhafte Speicherung durch das Drücken des Alarmknopfs jederzeit auch ohne Anlass möglich sei, entschied der VwGH, dass ein solches Überwachungssystem unverhältnismäßig sei. Es handle sich um einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz, der nicht gerechtfertigt sei. Offen blieb nach dem Entscheid, ob auch reine „Crashcams“ unzulässig sind, die Aufnahmen ausschließlich nach einem Unfall speichern und nicht vom Fahrer ausgelöst werden können.

Datenschützer warnen

Werner Reiter vom Verein epicenter.works, der sich für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung einsetzt, sieht im deutschen Urteil eine kritische Entwicklung. In Deutschland wie in Österreich gebe es die Tendenz, Sicherheitsfragen vermehrt in private Hände zu legen, seien es private Security-Firmen, Überwachungskameras am Hauseingang oder eben Dashcams auf der Windschutzscheibe. „Das alles befeuert gefährliche Selbstjustiz“, so Reiter gegenüber ORF.at.

Denn auch wenn solche Aufnahmen vor Gericht entscheidende Beweismittel sein können, würden die Minikameras ständig mitfilmen. Selbst wenn das Gefilmte laufend überschrieben und nur im Fall eines Unfalls gesichert würde, käme es durch die Dashcams zur Verletzung der Privatsphäre vieler Menschen. Dieser Schaden werde durch den Nutzen nicht aufgewogen, so Reiter.

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