FPÖ verweist auf Koalitionsabkommen
Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat das umstrittene EU-Kanada-Freihandelsabkommen (CETA) Mittwochfrüh im Ministerrat beschlossen. Damit steht der Ratifizierung durch den Nationalrat noch vor dem Sommer nichts mehr im Wege. Innerhalb der FPÖ kam der Schwenk zu CETA mit dem Regierungseintritt.
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Verantwortlich für die Einbringung war das FPÖ-geführte Außenministerium - bis zur Parlamentswahl im Herbst war die Partei stets gegen CETA gewesen. Führende FPÖ-Politiker wie Regierungskoordinator Norbert Hofer hatten sogar das Volksbegehren dagegen unterzeichnet. Insgesamt taten das 562.552 Österreicherinnen und Österreicher.
Hofer sieht „Richtungsentscheidung“
Hofer räumte nach dem Pressefoyer am Mittwoch ein, dass er als Bundespräsidentschaftskandidat gegen CETA aufgetreten war, und erklärte seine Haltungsänderung nun damit, dass bei der „Richtungsentscheidung“ die Mehrheit letztlich für Alexander Van der Bellen gestimmt habe, der für das Handelsabkommen war.

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Hofer begründete die Entscheidung vor dem Pressefoyer vor Journalistinnen und Journalisten
Außerdem sei man ans Koalitionsabkommen mit der ÖVP gebunden: Die Zustimmung zu CETA sei für die ÖVP entscheidend für eine Zusammenarbeit gewesen. „Bei diesem Punkt hat die FPÖ einen Kompromiss möglich gemacht, und zu dem stehen wir.“ Einen Gesichtsverlust vor den FPÖ-Wählern konnte er nicht erkennen: „Mein Gesicht ist noch immer vorhanden.“ Die Bedenken, die man gehabt habe, seien zu wesentlichen Teilen ausgeräumt, so Hofer etwa mit Blick auf Umwelt- und Sozialstandards.
Schramböck sieht „sicheres Abkommen“
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte, „es ist ein sicheres und hochqualitatives Abkommen“. Sie startete ihr Statement unterdessen mit einem Seitenhieb auf die SPÖ - nämlich mit einem Zitat des roten Parteichefs und früheren Kanzlers Christian Kern aus dem Jahr 2016: CETA sei „wahrscheinlich das beste Handelsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat“. Sie schließe sich „vollinhaltlich an“, so Schramböck. Es sei wichtig, neue, hochwertige Partnerschaften abzuschließen. CETA „hält die hohen Standards und bietet Chancen für die Wirtschaft“.
Grünes Licht für CETA
Am Mittwoch gab es grünes Licht der Regierung für das Freihandelsabkommen CETA. Als letzten Schritt müssen die nationalen Parlamente zustimmen.
FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl, die formal für völkerrechtliche Verträge zuständig ist, erklärte die Zustimmung der FPÖ ebenfalls damit, dass dies eine der wesentlichen Bedingungen der ÖVP für die Koalition gewesen sei, „vielleicht sogar eine Conditio sine qua non“. Nicht so gerne über CETA reden wollte FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek. Beim Handelsabkommen seien einige Giftzähne gezogen worden, „wir halten uns ans Regierungsprogramm“, meinte er lediglich.
FPÖ-Klubchef verteidigt CETA
Der FPÖ wurde bereits im Vorfeld unter anderem von der SPÖ vorgeworfen, bei CETA umgefallen zu sein. CETA seien mittlerweile die „Giftzähne gezogen“ worden, erklärte wortgleich FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz die geänderte Haltung seiner Partei im Ö1-Morgenjournal. Er sieht Verbesserungen, etwa, was die Frage der Schiedsgerichte betrifft.
„Es braucht sich niemand um Lebensmittelstandards, Gesundheitsstandards, Umweltstandards, die Daseinsvorsorge oder überbordende intransparente Investitionsgerichte zu fürchten“, so Rosenkranz. Das sei alles entschärft. „Wir können jederzeit mit einfacher Mehrheit wieder aussteigen, wenn etwas schiefläuft“, so Rosenkranz - Audio dazu in oe1.ORF.at.
SPÖ brachte „Dringliche“ ein
Der Beschluss beschäftigte auch den Nationalrat. Die SPÖ brachte einen Dringlichen Antrag ein, mit dem sie erreichen will, dass entweder eine Volksabstimmung vorgenommen wird oder die Sonderklagerechte für Konzerne gestrichen werden. Noch unter SPÖ-Klubobmanns Christian Kern Kanzlerschaft hatte CETA die erste Stufe genommen und wird „vorläufig angewendet“. Dabei sollte es fürs Erste aber auch bleiben, so die SPÖ.

APA/Georg Hochmuth
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder mischte sich unter die Demonstranten
Bei der FPÖ sehe man eine „Kapitulation“. Kritisiert wurde die Eile der Regierung, denn CETA liege derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Aufgrund eines ähnlichen EuGH-Urteils sei dabei sogar davon auszugehen, dass der Gerichtshof CETA nur unter Auflagen genehmigen werde. Mit der „voreiligen und überhasteten“ Ratifikation schwäche die Regierung ihre Position in bevorstehenden Nachverhandlungen.
Zwischen „Umfaller“ und „Benchmark“
Bruno Rossman von der Liste Pilz (LP) warf Strache unterdessen im Nationalrat einen „Umfaller der Sonderklasse“ vor und warnte vor Abkommen des Raubtierkapitalismus. Kritik via Aussendung kam auch von der Arbeiterkammer (AK), die eine Bevorzugung ausländischer Investoren ortet.
Erfreut zeigte sich hingegen NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn: „Für eine kleine und offene Volkswirtschaft wie Österreich wäre es fatal, auf die Möglichkeiten, die der Freihandel bietet, zu verzichten.“ Als Freihandelsabkommen sei CETA eine „Benchmark“. Auch die Industriellenvereinigung, der ÖVP-Wirtschaftsbund und die Landwirtschaftskammer begrüßten den Beschluss.
Greenpeace-Demonstranten riegelten Kanzleramt ab
Aus Protest gegen den CETA-Beschluss riegelte die Umweltschutzorganisation Greenpeace Mittwochfrüh das Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz ab. Rund 30 Aktivisten ketteten sich vor dem Eingang mit Stahlketten an. Der Ministerrat konnte trotz der Proteste wie geplant stattfinden, weil das Kanzleramt über mehrere Eingänge verfügt. Der Protest löste sich nach der Sitzung auf.

Greenpeace/Mathias Neumayr
Der Protest vor dem Bundeskanzleramt begann schon vor dem Beschluss
Öffentliche Schiedsgerichte geplant
Zu den großen Streitpunkten bei CETA gehören die vieldiskutierten Schiedsgerichte. APA-Recherchen zufolge sollen diese öffentlich und nicht privat sein. Das Schiedsgericht soll aus 15 Richterinnen und Richtern bestehen, von denen für jeden Fall je drei ausgewählt werden. Strenge Regeln sollen für Unabhängigkeit und Transparenz sorgen, wie es heißt - mehr dazu in help.ORF.at.
Die Plattform „Anders Handeln“ von NGOs und Gewerkschaften, die noch unter anderem Namen das Volksbegehren gegen CETA und Co. organisiert hatte, kritisiert die CETA-Schiedsgerichte trotzdem. „Die Streitschlichter werden jedoch nur temporär eingesetzt und abhängig von der Streitsumme und Länge des Verfahrens bezahlt“, kritisieren Greenpeace, Global 2000 und Co. Das beeinträchtige „erheblich ihre Unabhängigkeit. Es wird eine Paralleljustiz geschaffen, die nur von ausländischen Unternehmen angerufen werden kann.“
Schramböck: Details werden erst fixiert
Ein Sprecher von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte, dass Details zur Ernennung der Richter erst nach Inkrafttreten von CETA fixiert werden. Zum heimischen Umsetzungszeitplan erläuterte er, dass nach der Zuweisung zum Wirtschaftsausschuss ein Beschluss im Plenum des Nationalrats Mitte Juni erfolgen dürfte. Dann sind noch Bundesrat und Bundespräsident für die endgültige Ratifizierung des Freihandelspakts am Zug.
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