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„Vulgäre Paste ohne Geschmack“

Französische Spitzenköche steigen auf die Barrikaden, weil Normandie-Camembert künftig auch mit pasteurisierter Milch hergestellt werden darf - und nicht mehr nur mit Rohmilch. Der Käse werde seinen Charakter verlieren und eine „vulgäre weiche Paste ohne Geschmack“ werden, heißt es nun in einem Appell in der Zeitung „Liberation“. Das sei ein „verhängnisvolles Risiko für Bauern und Verbraucher“.

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Unterzeichnet haben den Gastbeitrag unter anderen die französischen Starköche Sebastian Bras, Olivier Roellinger und Anne-Sophie Pic sowie Käseproduzenten und Winzer. Sie protestieren darin gegen eine Entscheidung des Nationalinstituts für Herkunft und Qualität (INAO), das ihrer Meinung nach die Aufgabe habe, den Käse zu schützen.

Frau verpackt in einer Käsemacherei in der Normandie einen Camembert

APA/AFP/Charly Triballeau

Bisher durfte Normandie-Camembert nur mit Rohmilch hergestellt werden

Im Februar hatte das Institut verkündet, dass künftig auch Normandie-Camembert aus pasteurisierter Milch das begehrte AOP-Herkunftssiegel tragen darf - künftig also auch „Camembert de Normandie“ heißen darf. Zuvor war lediglich die Bezeichnung „Camembert“ zulässig. Damit sollte ein verwirrendes Nebeneinander von verschiedenen Camembertsorten beendet werden - und ein seit Jahren andauernder Streit zwischen Produzenten der nordfranzösischen Region.

„Symbol für größere Käsekrise“

Bereits 2008 begannen sich kleine Käsehersteller in der Normandie gegen die große Industrieproduktion zu wehren. Die Kleinbauern trugen ihre Wut auch auf die Straße, um die Tradition zu bewahren. Manche Medien sprachen damals vom „Camembert-Krieg“. „Der Camembert-Krieg ist ein Symbol einer größeren Käsekrise in Frankreich“, sagte auch Veronique Richez-Lerouge, Gründerin eines regionalen Vereins für Käse, dem britischen „Guardian“. Die Krise erlangte also auch internationale Bekanntheit.

Camembert ist Frankreichs meistverkaufter Käse nach dem Emmentaler. Deshalb sei es wenig verwunderlich, dass sich Großproduzenten für seine Herstellung interessieren und ihn billiger in die Supermarktregale bekommen wollen - und das auch mit dem Herkunftssiegel -, schrieb der „Guardian“.

Freilich ist es vor allem in der Massenproduktion wichtig, dass Konsumenten vor Krankheitserregern geschützt werden - um nicht zuletzt auch die Industrie und Supermarktketten vor Schwierigkeiten, etwa einem schlechten Ruf und etwaigen Klagen, zu schützen. Durch den Prozess der Pasteurisierung lässt sich die Erkrankungsgefahr - etwa durch Campylobacter, Kolibakterien, Salmonellen und Listerien - minimieren. Deshalb warnen auch Lebensmittelaufsichten nicht nur in Frankreich vor dem Verzehr von Rohmilch und Rohmilchprodukten, die Magen-Darm-Erkrankungen auslösen können.

Vom Käse für Arme zum Hofadel

In der Tat hat der Normandie-Camembert aus Rohmilch in Frankreich eine lange Tradition. Die erste Aufzeichnung der Produktion stammt aus 1708, und es gibt viele Legenden um seine Herstellung: etwa, dass ein Priester aus dem Ort Brie - aus dem der gleichnamige Weichkäse stammt - während der Französischen Revolution bei einer Bäuerin aus dem Ort Camembert Unterschlupf fand. Er soll sie dann in die Geheimnisse der Käseherstellung eingeweiht haben. So soll der heutige Normandie-Camembert entstanden sein.

Das Aroma des Camemberts wird in Frankreich oft mit den „Füßen Gottes“ beschrieben. Ursprünglich war der Käse ein Essen für Arme und vor allem von lokaler Bedeutung. Zum Durchbruch soll dem Käse Napoleon III. verholfen haben, der ihn auf die kaiserliche Hoftafel gesetzt haben soll. Dank der Eisenbahn und der Märkte, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer größerer Beliebtheit erfreuten, konnte sich der Käse auch in Paris und in anderen Teilen Frankreichs etablieren - inklusive der bekannten hölzernen Verpackung.

„Recht auf gutes Essen“

„Camembert ist etwas, das alle Franzosen vereint“, sagte einmal der frühere französische Präsident Francois Mitterrand. Doch die Produzenten des echten „Camembert de Normandie“ - es soll laut „Guardian“ nur noch fünf geben - warnten vor dem Druck der Großproduzenten und der Entscheidung der INAO schon vor Jahren - offenbar vergeblich. „Wir müssen kämpfen und den Rohmilchkäse verteidigen, aber wir können es nicht alleine tun, die französischen Konsumenten müssen uns helfen“, sagte der Käseproduzent Francois Durand der britischen Tageszeitung im Jahr 2008.

Spät, aber doch kam nun die Unterstützung der Gastronomieprominenz in Form des aktuellen Appells. Die Unterzeichner nennen die Entscheidung der INAO „Schande, Skandal, Betrug“. Der echte Camembert werde zum Luxusgut, während sich die meisten Verbraucher mit industriell hergestellter Ersatzware zufriedengeben müssten. „Wir fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik!“, schreiben sie und enden mit einem augenzwinkernden: „Freiheit, Gleichheit, Camembert!“

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