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WIFO präsentiert Vorschläge

WIFO-Chef Christoph Badelt sieht trotz einer aktuell sinkenden Arbeitslosenrate ein „viel zu hohes Niveau an Arbeitslosigkeit“. Heuer rechnen die Wirtschaftsforscher mit einem Rückgang der Arbeitslosenquote auf 7,7 Prozent und 2019 auf 7,3 Prozent.

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„Wir glauben nicht, dass es viel weiter nach unten geht“, sagte Badelt am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten in Wien. Eine derart hohe Arbeitslosenrate könne weder wirtschaftlich noch sozial als akzeptabel angesehen werden. Vor allem durch angebotsseitige Effekte - Pensionsreform, Migration und Flüchtlinge - sei die Arbeitslosigkeit zwischen 2012 und 2016 gestiegen.

WIFO-Direktor Christoph Badelt

APA/Hans Punz

WIFO-Chef Christoph Badelt fordert ein verstärktes Vorgehen gegen Arbeitslosigkeit

„Um Problemgruppen kümmern“

Seit 2017 sinken die Arbeitslosenzahlen in Österreich. Die Arbeitsmarktpolitik müsse sich speziell um die Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt kümmern und auf Qualifizierung setzen, empfiehlt der Wirtschaftsforscher Badelt. Bei anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten sei es „ökonomisch wahnsinnig wichtig“, sie zu integrieren und zu qualifizieren. Es fange bei Deutschkursen an und höre bei Berufsausbildungen auf. Es werde spannend, welches Budget der AMS-Verwaltungsrat für 2019 beschließen werde.

„Aktion 20.000“ hätte länger gehen sollen

Die von der Regierung vorerst gestoppte „Aktion 20.000“ für Langzeitarbeitslose über 50 Jahre hätte Badelt erst bei 10.000 bis 12.000 Personen abgebrochen. Über die Aktion haben 4.400 Personen einen Job erhalten. Zentral sei, dass diese Jobs nicht reguläre Stellen in Gemeinden und NGOs ersetzen und eine sinnvolle Tätigkeit bieten würden.

Wenn die Arbeitslosigkeit von über 50-Jährigen wieder steige, sei eine Fortsetzung der „Aktion 20.000“ überlegenswert, sagte der WIFO-Chef. Das Beschäftigungsprogramm würde nicht viel mehr kosten als die Arbeitslosenzahlungen, es werde nur aus einem anderen Topf finanziert. Er habe auch nichts gegen die Einbeziehung der privaten Wirtschaft bei der „Aktion 20.000“.

Badelt für CETA

Die ÖVP-FPÖ-Regierung will das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) offenbar bald im Ministerrat beschließen. „Ich war immer ein Anhänger von CETA und halte das Abkommen für eine gute Sache“, sagte Badelt. „Die Diskussion wird maßlos übertrieben.“ Das Abkommen mit Kanada sei gut für kleinere und mittlere Unternehmen in Österreich. Beim strittigen Thema Schiedsgerichte habe man sich bei CETA auf ein Investitionsgericht mit Berufsrichtern verständigt.

SV: WIFO sieht Einsparungsmöglichkeiten

Bei der politischen Diskussion über die Sozialversicherungsträger plädierte Badelt zuerst für die Lösung von Effizienzproblemen. „Überlegungen zur Trägerstruktur sollten erst am Ende einer Reform des Systems stehen“, sagte Badelt weiter. Dass es sinnvoll wäre, die Zahl der Träger zu reduzieren, sei „weitgehend unbestritten“.

Mit einer Reduktion der SV-Träger könne man Einsparungen - etwa bei der Zahl der Funktionäre - erzielen, die „wirklichen Effizienzprobleme“ seien aber nicht beseitigt. Für Badelt sollte die Regierung folgende Themen zuerst angehen: Die Leistungen verschiedener Krankenversicherungsträger sollten vereinheitlicht und das Investitionsverhaltens verschiedener Träger abgestimmt werden.

Debatte wird „Breite der Problematik nicht gerecht“

Außerdem müsse der ambulante und stationäre Bereich der Gesundheitsversorgung besser miteinander vernetzt werden. Österreich habe pro 1.000 Einwohner um 60 Prozent mehr Spitalsbetten als der Durchschnitt der OECD-Länder. Badelt empfiehlt der Regierung auch die unklare Kompetenzlage zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung im Gesundheitsweisen zu bereinigen.

„Die Themen sind lang am Tisch und werden zugedeckt durch die politische Diskussion“, so der WIFO-Chef. Die Debatte konzentriere sich derzeit auf wenige Schlagworte, anstatt der Breite der Problematik gerecht zu werden. Man wisse noch nicht wie die Regierung vorgehen will. „Es müsste sich in den nächsten Wochen und Monaten klären“, erwartet Badelt. In der Studie der London School of Economics (LSE) zum heimischen Sozialversicherungssystem aus dem Jahr 2017 könne man viele Beispiele für Ineffizienzen finden.

Leider habe die vom damaligen Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) in Auftrag gegebene Studie die Frage der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger explizit ausgeklammert. „Sachfragen ohne Selbstverwaltung sind vielleicht schneller lösbar“, sagte der WIFO-Chef.

Gegen finanzielle Deckelung für Großfamilien

Die Höhe der Mindestsicherung sollte für Badelt österreichweit einheitlich geregelt sein. Bei der Wohnkostenunterstützung müsse aber eine Differenzierung nach Regionen stattfinden. Eine finanzielle Deckelung der Mindestsicherung für Großfamilien ist für den WIFO-Chef nicht sinnvoll, weil es sich um das „unterste soziale Netz“ des Sozialsystems handle.

Um die Nähe der Mindestsicherung und Notstandshilfe zu den Arbeitseinkommen zu reduzieren, sollten vielmehr die Sozialversicherungsbeiträge von Niedriglohnbeziehern teilweise oder komplett steuerfinanziert werden. „Das ist eine ziemlich starke Belastung“, so Badelt. Diese Maßnahme habe das WIFO bereits in mehreren Studien vorgeschlagen.

Der Wegfall des Pflegeregresses und möglicherweise höhere EU-Nettozahlungen Österreichs nach 2020 könnten den Budgetkurs der Regierung gefährden. Ob das Nulldefizit halten werde, wüsste er derzeit nicht, sagte der WIFO-Chef. Wichtig sei der Versuch, der Regierung das Budget zu konsolidieren, um Spielraum für schlechtere Zeiten zu haben.

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