Bohrungen sollen bald starten
Im Browse Basin an der Westküste Australiens kämpfen die Energieunternehmen Royal Dutch Shell und INPEX Corporation um die Vorherrschaft bei der Gewinnung von Erdgas. Ihr Ziel: Den weltweit steigenden Bedarf an Energiequellen zu decken, der vor allem durch den Wegfall der Kohlekraftwerke in China entsteht. Noch im Mai dieses Jahres könnte Insidern zufolge mit den Bohrungen begonnen werden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Shell stationierte deshalb eine gigantische Halbtaucherbohrplattform namens „Prelude FLNG“ im Browse Basin. Sie ist das weltweit erste umgesetzte FLNG-Projekt (Floating Liquefied Natural Gas) und die größte schwimmende Offshore-Anlage der Welt. „Prelude“ messe 488 Meter Länge und verdränge mit seiner Masse circa so viel Wasser wie sechs Flugzeugträger, berichtete kürzlich die BBC.

Shell
Shell besitzt über 64 Prozent der „Prelude“. Die Anlage ist das weltweit erste umgesetzte FLNG-Projekt
Ihre Verankerung im Meeresboden soll sogar Zyklonen der Kategorie fünf standhalten können. Die Anlage wurde aber nicht nur gebaut, um Erdgas an die Oberfläche zu transportieren, sondern um dieses auch direkt an Bord auf minus 162 Grad Celsius abkühlen zu lassen und auf diese Weise zu verflüssigen.
Shell schafft sich technologischen Vorteil
Flüssigerdgas ist praktisch, denn es benötigt wesentlich weniger Platz für die Lagerung als gasförmiges Erdgas. Somit kann es einfacher auf Schiffen transportiert und in aller Welt gehandelt werden. Da Erdgas üblicherweise erst verflüssigt wird, nachdem es an Land gepumpt wird, schafft sich Shell mit seiner Technologie direkt am Ölfeld einen enormen Vorteil. „Prelude“ verfügt außerdem über riesige Pumpen, die 50 Millionen Liter Meerwasser pro Stunde ansaugen können.

Grafik: APA/ORF.at
Denn ist Erdgas einmal flüssig, bedarf es auch weiterhin enormer Kühlung, die durch das Meerwasser erzielt werden kann. Etwa 175 olympische Schwimmbecken voller Flüssigerdgas könne „Prelude“ in seinen massiven Tanks fassen, rechnet die BBC in ihrem Artikel vor. Neben Hauptinhaber Shell (64,5 Prozent) gehört mittlerweile aber auch der Konkurrent INPEX (17,5 Prozent) zu einem kleinen Teil zum „Prelude“-Konsortium.
INPEX will Shell Konkurrenz machen
INPEX besitzt zusätzlich noch etliche weitere Bohrplattformen und Hilfsmittel zur Erdgasgewinnung im Browse Basin, unter anderem eine Anlage, die das Erdgas reinigt, bevor es an Land gepumpt wird. Ebenfalls im Browse Basin und unter INPEX-Herrschaft befinden sich riesige schwimmende Lagertanker sowie Entladungseinrichtungen. Mit dieser kleinteiligen Infrastruktur namens „Ichthys“ (Altgriechisch für Fisch, Anm.) hoffe INPEX, so die BBC, Shell in der Produktion von Erdgas in die Knie zwingen zu können. Das sei derzeit sogar sehr wahrscheinlich: „Ichthys“ wird eine Kapazität von etwa 8,9 Millionen Tonnen Flüssigerdgas pro Jahr vorhergesagt, „Prelude“ bloß 3,6 Millionen Tonnen.

Inpex
„Ichthys“ kann zwar kein Erdgas verflüssigen, ist aber durch seine kleinteilige Struktur weniger fehleranfällig
Obwohl sich „Prelude“ und „Ichthys“ nicht auf exakt dasselbe Erdölfeld innerhalb des Browse Basins konzentrieren, würden sie doch zusammenhängen. Der Analyst Saul Kavonic von der Beratergruppe Wood Mackenzie beschreibt gegenüber der BBC, dass man sich die Situation so vorstellen müsse, als ob zwei Menschen mit zwei Strohhalmen von ein und demselben Milchshake trinken würden. Wer das Erdgas also möglichst schnell einsauge, erhalte am Ende auch die größte Menge. Einen kleinen Vorsprung dürfte sich INPEX bereits vorab verschafft haben, da ein Brand im Jahr 2016 Shells „Prelude“ noch während der Herstellungsphase in Südkorea lahmgelegt hatte.
Derzeit keine neuen FLNG-Projekte geplant
Die neueste Technologie (Stichwort: FLNG) konzentriert sich weltweit laut Kavonic auf das 140.000 Quadratkilometer große Browse Basin. Es besteht aus 15.000 Meter dicke Sedimentschichten aus dem Paläozoikum, Mesozoikum und dem Känozoikum und beherbergt reichlich Erdgas. Aus Kostengründen sei die weltweite Erdgasindustrie derzeit aber nicht dabei, weitere FLNG-Pläne umzusetzen, so Kavonic.
Australien sei deshalb drauf und dran, Katar als weltweit größten Flüssigerdgasexporteur zu überholen. Jedoch sei der Bedarf überdies hinaus gegeben. „Wir brauchen neue Projekte, die die Nachfrage (an Gas) zum Beginn der 2020er Jahre decken können“, sagte der Analyst gegenüber der BBC. Ohne vergleichbare Projekte für die Erdgasproduktion könne die weltweite Nachfrage an Energie das Angebot innerhalb der nächsten fünf Jahre übersteigen, so Beobachter.
IEA: China wird mehr Erdgas importieren müssen
China wird weltweit die meiste Energie brauchen, denn die Volksrepublik wendet sich zunehmend aus Umweltschutzgründen von der noch vorherrschenden Kohleproduktion ab. Der Energiebedarf des einwohnerreichsten Landes der Erde bleibt natürlich dennoch bestehen - und droht noch dazu zu wachsen. Laut der US-Regierungsbehörde Energy Information Administration (EIA) wird durch Chinas Umdenken in der Energiegewinnung der weltweite Erdölbedarf bis zum Jahr 2040 auf etwa fünf Milliarden Kubikmeter steigen. Der derzeitige weltweite Verbrauch liege bei rund 3,5 Milliarden Kubikmeter.

Reuters
Umweltschädigende Kohlekraftwerke wie hier in Zhengzhou, China, sollen schon bald Geschichte sein
Freilich handelt es sich auch bei Erdgas - genauso wie bei Kohle - um einen fossilen Energieträger, dessen Vorkommen endlich ist und dessen Verbrennen klimaschädliches Kohlendioxid freisetzt, jedoch in etwa nur halb so viel wie bei der Verbrennung von Kohle. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht jedenfalls davon aus, dass China 43 Prozent an Erdgas bis 2040 importieren wird müssen, um seinen Energiebedarf zu decken. Obwohl der chinesische Staatspräsident Xi Jinping immer wieder betont, dass der Anteil nicht fossiler Energien in China bis 2030 um 20 Prozent steigen soll, bezweifeln Experten, dass sich Chinas Klimaziele - in Korrelation mit dem enormen Energiebedarf - alleine durch erneuerbare Energien (und Kernkraftwerke) erreichen lassen können.
Links: