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Festredner über die Schrecken der Diktatur

Mit einem Festakt im Bundeskanzleramt haben Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 73 Jahren als Tag der Befreiung gewürdigt. In ihren Reden betonten beide einen „Wendepunkt in der Geschichte unseres Landes“, das sich viel zu spät seiner Vergangenheit gestellt habe.

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Es sei ein Tag der Freude, aber auch ein Tag der Verantwortung, sagte Kurz, der zum Festakt mit zahlreichen Gästen geladen hatte. Österreich habe lange gebraucht, um sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, „wir waren Opfer und Täter“, so Kurz. Auch Strache sprach die „zwei Gesichter der Befreiung“ an. Für viele, so der Vizekanzler, habe es auch nach dem Kriegsende viel Leid und Not gegeben. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Opfer des ‚Dritten Reichs‘.“

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Rede von Bundeskanzler Kurz

Österreich habe lange gebraucht, um sich mit seiner Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen, sagte Bundeskanzler Kurz (ÖVP) in seiner Ansprache.

Am 8. Mai 1945 wurde in einem Offizierscasino einer Militärschule in Berlin-Karlshorst die Militärische Kapitulationsurkunde der deutschen Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichnet. Nach fünf Jahren und neun Monaten, nach 50 Millionen Toten und einem Krieg, dessen Dimension bis dahin kaum vorstellbar war, endete in Europa das größte Sterben der Weltgeschichte. Festgesetzt war der Waffenstillstand für den 8. Mai ab 23.01 Uhr.

„Ich hörte das Donnern der Kanonen“

Als Festredner war der Maler Arik Brauer geladen. In seiner Ansprache erinnerte sich der Künstler, der das Ende des Zweiten Weltkrieges mit 16 Jahren miterlebte hatte, zunächst an seine Kindheit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. „Ich hörte das Donnern der Kanonen und verließ mein Versteck in einem Schrebergarten in Wien-Ottakring“, sagte Brauer. „Eines Morgens hörte ich dann das Rattern von Panzern, kroch hinaus, trug meinen Judenstern und sah die russischen Soldaten.“

Arik Brauer

ORF

Künstler Arik Brauer erinnerte sich in seiner Festansprache an die Schrecken der NS-Herrschaft

Damals war Brauer 16 Jahre alt, er habe allerdings wie ein kleines Kind ausgesehen, „ich wog 40 Kilogramm“, so der Künstler, der dann neben dem Panzer hergegangen sei und russische Lieder für die Soldaten gesungen habe. „Die Russen haben mir zugelacht. Ich konnte kaum Russisch. Es war ein großer Moment meines Lebens.“ Als er dann noch bei einem Gefecht der Russen zugeschaut habe, habe er gejubelt. „Für mich war es selbstverständlich eine Befreiung. Für mich war es selbstverständlich ein Sieg.“

Appell für die Demokratie

Für Brauer hat eine Ideologie, „die unmenschlich und aggressiv ist“, verloren. „Gewonnen hat letzten Endes die Demokratie über die Diktatur“, sagte der Maler, der aber auch betonte, dass die Demokratie eine „zarte Pflanze“ sei, die man pflegen und gießen muss. „Die Demokratie zeigt die unterschiedlichen Interessen und Denkweisen in der Bevölkerung. Und das ist für viele kompliziert und anstrengend. Deshalb wünschen sie sich eine starke Hand“, so Brauer. Aber eine starke Hand erhärte und brutalisiere sich.

Festrede von Arik Brauer

Der Maler Arik Brauer war als Festredner anlässlich des Gedenkens geladen.

„Wer nicht unter einer Diktatur gelebt hat, weiß nicht, wie schrecklich das ist. Es ist die Zeit der miesen Vernaderer. Es ist die Zeit, in der man vor seinem Freund Angst hat. Die Diktatur ist eine Zeit, wo sich Sadisten, Mörder und Folterknechte austoben können“, sagte Bauer in seiner Rede. Er sei sich aber sicher, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in Österreich fähig sei, die Geschichte richtig einzuschätzen. „Die Gegenwart ist stärker als die Vergangenheit“, resümierte Brauer in seiner zehnminütigen Rede.

TV-Hinweis

Das „Fest der Freude“ auf dem Wiener Heldenplatz ist ab 20.00 Uhr in ORF III und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen.

Am Dienstagabend findet auf dem Wiener Heldenplatz noch das vom Mauthausen Komitee organisierte „Fest der Freude“ statt. Die Veranstaltung widmet sich im Gedenkjahr 2018 neben dem Tag der Befreiung auch dem Jahr des „Anschlusses“ 1938. Bei einem Gratiskonzert der Wiener Symphoniker wird Violinist Julian Rachlin Ausschnitte aus Tschaikowskis Violinkonzert spielen. Laut Ankündigung spielen die Wiener Symphoniker ein Programm mit dezidiert jüdischer Einfärbung.

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