IKG: Gedenken mit FPÖ wäre „Maskerade“
Bei den Gedenkfeiern anlässlich der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen vor 73 Jahren hat der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, am Sonntag klare Worte gegenüber der FPÖ gefunden. Er bezeichnete Burschenschaften als Nachfolger der Vorgänger der Nazis und rief zum Protest auf. Zuvor hatte in Wien die Staatsspitze der NS-Opfer gedacht und dabei mahnende und warnende Worte gefunden.
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IKG-Präsident Deutsch mahnte in seiner Rede bei der Gedenkzeremonie der IKG am jüdischen Mahnmal, dass die Schoah nicht in Mauthausen begonnen habe, sondern der erste Schritt auf dem Weg zur Massenvernichtung der Antisemitismus gewesen sei. Die Deutschnationalen hätten ihn zu einer Waffe gemacht.
Er prangerte an, dass mehrere Mitglieder der Burschenschaft des von den Nazis als Künder und Wegbereiter des ‚Großdeutschen Reiches‘ gewürdigten Georg Schönerer in und für eine Regierungspartei aktiv seien. „Wenn wir nicht dagegen protestieren, hier und jetzt - was haben wir dann aus der Geschichte gelernt?“, fragte Deutsch.
„Seien wir genau“
„Der rassistische Ungeist lebt in vielen deutschnationalen Burschenschaften weiter. Seien wir genau: Sie sind keine Nazis, sie sind die Nachfolger der Vorgänger der Nazis. Und ihr politischer Arm ist die FPÖ“, sagte der IKG-Präsident. Neonazis seien auch keine Verbündeten im Kampf gegen Islamisten, stellte er klar. Die jüdischen Gemeinden in Europa würden bereits seit vielen Jahren vor dem muslimischen Antisemitismus warnen.
Gedenkfeier in Mauthausen
In Mauthausen hat am Sonntag die traditionelle Gedenkfeier stattgefunden: Das ehemalige Konzentrationslager wurde vor 73 Jahren von US-Truppen befreit.
Richtig wäre, dass die gesamte Bundesregierung in Mauthausen gedenke. Doch es sei falsch, „Menschen, die die Befreiung Europas am 8. Mai als Niederlage betrauern, und die Überlebende dieses KZ als ‚kriminell‘ und ‚Landplage‘ bezeichnen, eine Bühne für eine Maskerade zu bieten, nur weil sie nun nach Anerkennung streben“.

APA/Bundesheer/Carina Karlovits
Österreichs Staatsspitze gedenkt in Mauthausen der Opfer des Nazi-Regimes: mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sowie Kanzler Sebastian Kurz, Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (alle drei ÖVP)
„23 antisemitische Vorfälle in FPÖ“
Im Vorfeld hatte es Diskussionen darüber gegeben, denn Vertreter der FPÖ werden laut einem offiziellen Beschluss der Überlebenden in den 1960er Jahren nicht zu den Gedenkfeiern eingeladen. Strache habe sich zwar vom Antisemitismus distanziert. Doch „allein seit Regierungsbildung gab es mindestens 23 antisemitische oder neonazistische Vorfälle in den Reihen der FPÖ - meistens blieben sie ohne politische Konsequenzen“, kritisierte Deutsch.
Auch SPÖ und ÖVP hätten Nazis Asyl gewährt und sie geschützt. Doch heute seien die jüdischen Gemeinden in Österreich wieder Teil Österreichs. „Alle Parteien gehen aufrichtig mit ihrer Geschichte, der Geschichte Österreichs und der Verantwortung um - nur eine Partei tut sich schwer. Würden wir das im Gedenkjahr verschweigen, würden wir die Toten entehren“, schloss Deutsch.
Israels Botschafterin warnt vor Vergleichen
Israels Botschafterin in Österreich, Talya Lador-Fresher, warnte in ihrer Rede davor, den Holocaust zu relativieren. „Der Holocaust war ein einzigartiges Verbrechen. Auch jeder Versuch, die antisemitische Ausgrenzung von Juden in Europa damals mit Rassismus und Diskriminierung heute zu vergleichen, ist gefährlich“, sagte sie. Die mehr als acht Millionen Juden im heutigen Israel hätten ihr Schicksal selbst in der Hand. Die Worte „Nie wieder“ würden für sie bedeuten, das Judentum zu verteidigen, „weil wir niemand anderem vertrauen können“. „Das ist das schwere Erbe, das uns der Holocaust auferlegt hat“, endete sie.
Mit Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach erstmals ein Nationalratspräsident bei dieser Zeremonie. Sobotka - wie ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann mit Kippa - betonte die Verantwortung, die jüdischen Mitbürger so zu schützen, dass sie ohne Angst ihr Leben gestalten könnten. Es sei wichtig, präventiv zu wirken. „Es ist unsere Aufgabe, dieses Gedenken wachzuhalten.“ Der Weg solle aber auch von Versöhnung und Frieden geprägt sein.

APA/Hannes Draxler
Auch heuer standen wieder die Überlebenden des mörderischen Terrors im KZ Mauthausen im Mittelpunkt des Gedenkens
„Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen“
Zuvor hatten in der Früh Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus in Wien der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Neben Mitgliedern der Regierung nahmen Zeitzeugen, Vertreter von Glaubensgemeinschaften, Bundesheer und Exekutive an der Feier teil.
Van der Bellen sagte in seiner Ansprache auf dem Wiener Helmut-Zilk-Platz: „Weder Auschwitz noch Mauthausen ist vom Himmel gefallen.“ Die Entwicklung habe bereits viele Jahre vor dem Krieg begonnen und sei Schritt für Schritt erfolgt. Man gedenke dieser Tage der „Dutzenden Millionen Toten“, so der Bundespräsident, man denke aber auch „an einen Freudentag, an das Ende des Krieges und die Befreiung vom Nationalsozialismus“.
Aufruf zu respektvollem Miteinander
Van der Bellen beendete seine Rede mit einem Appell: „Achten wir darauf, dass es so bleibt, dass Juden, Christen und Muslime sowie Menschen ohne religiöses Bekenntnis einander mit Respekt begegnen. Achten wir darauf, dass Grund- und Freiheitsrechte nicht beschnitten werden.“
Kurz: Österreicher waren „Opfer und Täter“
Kurz erinnerte daran, dass Österreicher im Nationalsozialismus „Opfer, aber genauso auch Täter waren“. Aus einem Zeitzeugengespräch hätte er die „alte jüdische Weisheit“ mitgenommen, dass „das Geheimnis der Erlösung die Erinnerung ist“. Denn nur wer sich erinnert, könne die Fehler der Vergangenheit vermeiden und es künftig besser machen.
Auch Vizekanzler Strache mahnte zur „Übernahme von Verantwortung für die Vergangenheit und die Zukunft“. Ein zentrales Motiv seiner Rede war das Konzentrationslager Mauthausen. Das Mauthausen Komitee hatte Mitglieder seiner Partei zuletzt explizit von der Befreiungsfeier am 6. Mai ausgeladen.
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