Rouhani nimmt EU in die Pflicht
Das Atomabkommen mit dem Iran haben die fünf UNO-Vetomächte und Deutschland in jahrelanger schwieriger diplomatischer Mission ausverhandelt. Doch erst seit rund zwei Jahren ist das Abkommen in Kraft - und nun droht ihm möglicherweise bereits das Aus. Sollte US-Präsident Donald Trump in den nächsten Tagen tatsächlich den Ausstieg seines Landes aus dem Abkommen verkünden, würde der Deal, dessen Ziel es ist, dass der Iran keine Atommacht wird, in der Luft hängen.
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Der Iran hat die Hoffnung, dass die USA am Atomdeal festhalten, offenbar schon aufgegeben. US-Präsident Donald „Trump wird den Deal entweder ablehnen oder - wenn nicht - weiterhin sabotieren“, sagte der iranische Präsident Hassan Rouhani am Sonntag in der Stadt Sabsewar. Daher sei es für den Iran wichtiger, „ob die Europäer sich von seinem Weg distanzieren oder nicht“.
Europa bringt der Streit über das Atomabkommen in die Zwickmühle. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte noch versucht, im Gespräch mit Trump Zeit herauszuschlagen, und eine Neuverhandlung des Deals angepeilt. Doch dafür gab es aus Teheran eine klare Absage. Weder Europa noch der Iran wollen das Atomabkommen bei einem Ausstieg der USA aber offenbar aufgeben. Weitgehend unklar ist, wie das funktionieren soll und welche praktischen Folgen sich daraus ergeben würden.
Schwierige Abwägung
Für Europa gilt es, Vor- und Nachteile abzuwägen: Ein Beibehalten würde die ohnehin bereits belasteten Beziehungen mit den USA weiter unter Druck bringen. Zudem fühlt sich Europa, insbesondere Deutschland, der Sicherheit Israels verpflichtet.
Der jüdische Staat sieht im Iran aber die größte Bedrohung - nicht nur als mögliche Atommacht. Denn längst ist der Iran mit den radikalislamischen Gruppierungen Hisbollah und Hamas an Israels Grenze zum Gazastreifen und zum Libanon eine unmittelbare Bedrohung. Die jüngste indirekte Eskalation auch in Syrien zwischen den beiden Staaten ist vor diesem Hintergrund kein Zufall. Ein unter starkem iranischem Einfluss stehendes syrisches Regime von Präsident Baschar al-Assad würde das Drohszenario aus israelischer Sicht dramatisch verschärfen. Freilich gibt es auch in Israel zahlreiche Stimmen, die ein Beibehalten des Atomdeals zur Wahrung der israelischen Sicherheitsinteressen für die sinnvollere Variante halten.

Reuters/Danish Siddiqui
Rouhani würde das Scheitern des Atomabkommens innenpolitisch zumindest stark schwächen
Win-win-Situation versus „Regime Change“
Umgekehrt ist das Kalkül des Atomabkommens, eine Win-win-Situation zu schaffen, in der es gelingt, den Iran diplomatisch einzubinden, das Regime wirtschaftlich zu stabilisieren, dabei aber die liberalen Kräfte zu stärken. Die Hoffnung ist, dass Teheran dann auch seine aggressiven hegemonialen Bestrebungen zurückfährt. Eine Garantie dafür, dass das Kalkül aufgeht, gibt es freilich nicht. Das gilt aber mindestens ebenso für eine Politik des „Regime Change“, wie das möglicherweise Trump vorschwebt. Im Gegenteil: Hier gibt es zahlreiche rezente Beispiele des Scheiterns - neben Syrien auch Libyen, den Irak und Afghanistan. Trumps neuer Berater, der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, sagte am Wochenende, der US-Präsident wolle einen Regimewechsel im Iran.
Ein völliges Scheitern des Iran-Abkommens würde ein verheerendes Signal an Teheran senden: Die westlichen Staaten sind nicht pakttreu - umso mehr, als die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erst dieser Tage wieder festgehalten hat, dass sich der Iran an das Abkommen hält. Auch andere Staaten, insbesondere Nordkorea, dürften die Entwicklung genau verfolgen. Und klar ist: Europa wäre von einer Zuspitzung des Streits mit dem Iran allein aufgrund der geografischen Nähe unmittelbarer betroffen als die USA.
Entscheidet sich Europa für einen eigenständigen Kurs gegen die USA - und das bei einem so wichtigen Thema -, hätte es wohl auch Signalwirkung für die internationale Bündnispolitik. Wahrscheinlicher ist, dass die europäischen Unterzeichnerstaaten sich grundsätzlich zum Atomabkommen bekennen und im Hintergrund versuchen werden, die USA wieder an Bord zu holen.

AP
Atomanlage Natans, hier ein Bild von 2009: Die Urananreicherung, zentraler Teil für die Herstellung von Atomwaffen, wurde durch den Deal für zehn Jahre so eingeschränkt, dass praktisch nur eine Nutzung für zivile Zwecke möglich ist
Rouhani warnt Trump vor schwerem Fehler
Zumindest der weiteren Unterstützung Europas scheint sich Teheran jedenfalls sicher - und attackiert die USA umso schärfer. Rouhani warnte Trump vor einem Rückzug aus dem Atomabkommen und betonte, einen solchen Schritt würden die USA bereuen „wie niemals zuvor in der Geschichte“. „Trump soll wissen, dass unser Volk vereint ist“, sagte der reformorientierte Politiker, der in dieser Frage unter starkem Druck von Hardlinern steht.
Am Donnerstag hatte der außenpolitische Berater des geistlichen Oberhaupts des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, angekündigt, sich bei einem Rückzug der USA aus dem Atomabkommens ebenfalls nicht mehr an die Vereinbarung zu halten.
Warten auf wirtschaftlichen Teil
Viele in Teheran sind der Ansicht, dass Trumps Entscheidung für den Iran nicht ausschlaggebend sein werde. Das Land will die vertragliche Umsetzung der Vereinbarungen, insbesondere deren wirtschaftlichen Teil. Da aber dieser Teil auch vor Trumps Amtsantritt nicht voll und ganz umgesetzt worden war, werde sich daran auch bei einem Verbleib Trumps im Amt nichts ändern, heißt es.
Mit der EU hat der Iran nach dem Wiener Abkommen vom Juli 2015 - und der Aufhebung der Sanktionen im Jänner 2016 - zahlreiche Handelsprojekte ausgearbeitet. Um diese abzuschließen, fordert der Iran von der EU einen von den USA unabhängigen Kurs.
Rouhani betonte erneut, dass der Iran für alle möglichen Szenarien eine Option habe. Auch die technischen Optionen habe er mit der iranischen Atomorganisation besprochen. Eine Option des Iran wäre der Ausstieg aus dem Atomdeal und die erneut unbegrenzte Urananreicherung. Das würde dem Iran zumindest technisch ermöglichen, an einem vom Westen stets befürchteten Atomwaffenprogramm zu arbeiten.
Viele und mächtige Gegner
Von Anfang an hatte das Abkommen, das offiziell Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) heißt, mächtige Gegner: Innerhalb der USA waren die Republikaner mehrheitlich dagegen. Israels Regierung lehnte den Deal ebenfalls ab. Unter anderem, weil das Abkommen keine Einschränkungen für die Urananreicherung nach einer Frist von zehn Jahren enthält, in der diese Anreicherung stark eingeschränkt ist. Und Saudi-Arabien, als innerislamischer Gegenspieler zum schiitischen Regime in Teheran um die Vormachtstellung im Nahen Osten, lehnt das Abkommen und die damit einhergehende Einbindung und Aufwertung des Iran in das internationale Staatengefüge ebenso vehement ab.
Vor allem hatte das Abkommen von Anfang an auch im Iran mächtige Gegner auf der konservativ-orthodoxen Seite. Der für iranische Verhältnisse liberale Präsident Rouhani ist ohnehin bereits stark unter Druck, weil die versprochene Dividende des Atomdeals - eine spürbare Belebung der Wirtschaft durch das Ende der Sanktionen - bisher kaum bei der Bevölkerung angekommen ist. Alle Sanktionen sind auch nicht aufgehoben - vor allem internationale Banken halten sich mit der Finanzierung von Geschäften mit dem Iran zurück. Sie haben Angst davor, in den USA dafür sanktioniert zu werden.
Entscheidung bis 12. Mai
Bis zum 12. Mai will Trump darüber entscheiden, ob die USA Teil des Deals bleiben oder nicht. Der Deal mit dem Iran wurde im Juli 2015 von den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ausgehandelt. Teheran verpflichtet sich darin, für mindestens ein Jahrzehnt wesentliche Teile seines Atomprogramms drastisch zu beschränken, um keine Atomwaffen bauen zu können. Im Gegenzug wurden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben und eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen in Aussicht gestellt.
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