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Der „Volksgriller“ hält das Baby warm

Das Technische Museum Wien (TMW) unternimmt in der Ausstellung „Geliebt - gelobt - unerwünscht. Haushaltsdinge zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ einen Streifzug durch die Geschichte der Haushaltstechnik. Dabei wird gezeigt, wie sich Kühlschrank, Mikrowelle und Druckkochtopf in den Haushalten etabliert haben - und wie die Apparate zweckentfremdet wurden.

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Mobile Kochgeräte waren einst der letzte Schrei. Heißluftherde für den Tisch und Grillgeräte sollten das Kochen auf die Bedienung eines simplen Geräts reduzieren und nebenbei Energie sparen. Dem Einfallsreichtum der Menschen ist es zu verdanken, dass die Geräte oft anders eingesetzt wurden, als vom Hersteller intendiert. Beispiel hierfür ist der von 1946 bis 1955 produzierte „Volksgriller“ der Firma Nikse, der auch dazu verwendet wurde, Babys auf dem Wickeltisch warmzuhalten.

Eindrücke aus der Ausstellung „Geliebt - gelobt - unerwünscht"

ORF.at/Roland Winkler

„Volksgriller“ der Firma Nikse: Der Deckel mit der Heizspirale wurde mitunter zweckentfremdet

„Geliebt - gelobt - unerwünscht“ speist sich aus den Beständen des Wiener Museums. Die wiederum bestehen zu einem großen Teil aus Objekten, die von Privatpersonen an die Institution weitergegeben wurden. Und so haben viele der in der Ausstellung gezeigten Gerätschaften eine Geschichte - oder gar einen Spitznamen. Prototypisch ist der im TMW gezeigte Kühlschrank einer Dame, die dem Haus den ersten Kühlschrank gestiftet hat, den ihre Eltern je besessen haben.

Ausstellungshinweis

„Geliebt - gelobt - unerwünscht. Haushaltsdinge zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, ab 2. Mai, Technisches Museum Wien, montags bis freitags 9.00 bis 18.00 Uhr, samstags, sonntags und feiertags 10.00 bis 18.00 Uhr.

57 Jahre war er in Betrieb, aber nur im Sommer. Im Winter blieb er ausgeschaltet. Der Kühlschrank, der das Versorgen der Familie um so vieles einfacher gemacht hatte, wurde im Laufe der Zeit zum Hausgenossen und erhielt den Namen „Gurgi“, weil er beim Einschalten glucksende Geräusche von sich gab.

Die Welt vor der Wegwerfgesellschaft

Daneben gewährt die Schau Einblicke in die Welt vor der Wegwerfgesellschaft, als Kaputtes noch repariert und nicht einfach entsorgt wurde. Rasierklingen wurden dereinst mit speziellen Apparaten nachgeschärft. Strumpfhosen landeten trotz Laufmaschen nicht im Müll - dank der in Vergessenheit geratenen Repassiermaschine konnte der Fadenbruch behoben werden. Sie hat heute ebenso ausgedient wie der Jogurtmacher oder die Maschine, mit der Wimperntusche aufgetragen werden kann.

Eindrücke aus der Ausstellung „Geliebt - gelobt - unerwünscht"

ORF.at/Roland Winkler

Der Kühlschrank mit dem Namen „Gurgi“, flankiert von einem weiteren Kühlschrank (links) und einem Backrohr mit integrierter Mikrowelle aus dem Jahr 1970 (rechts)

Viele Geräte waren alles andere als einfach in der Handhabung. Die ersten Multifunktionsküchenmaschinen - im TMW zu sehen ist unter anderem ein Modell aus der DDR - mit ihren vielen Kleinteilen waren ohne Fachkenntnis nur schwer zu bedienen. Und machten das Leben tendenziell komplizierter. Auch der alte Streit über die Sinnhaftigkeit des Eierkochers ist Thema in der Schau. Das gezeigte Gerät blieb 50 Jahre in der Originalverpackung, weil sein Besitzer der Meinung war, Eier ließen sich am besten im Topf kochen.

Faszination für den Fortschritt

Die in der Nachkriegszeit aufkeimende Faszination für den technischen Fortschritt spiegelt sich im Namen und Design der Produkte wider. Die Zeitersparnis, die ein Druckkochtopf gegenüber einem herkömmlichen Topf bringt, sollte bereits im Namen verdeutlicht werden - entsprechend hießen die Modelle Presto, Rapido oder Turbo. Der Blender Starmix aus dem Jahr 1950 erinnert mit seiner silbrigen Oberfläche an die Mehrstufenrakete und trug die Sehnsucht nach der Reise ins Weltall in die Küche. Gleichzeitig waren sie Statussymbole, mit denen in der Nachbarschaft angegeben werden konnte.

Eindrücke aus der Ausstellung „Geliebt - gelobt - unerwünscht"

ORF.at/Roland Winkler

Links: Eine Waschmaschine aus den 1930er Jahren. Rechts: Der Starmix (1950), ein Blender, dessen Design der damals grassierenden Faszination für Raumschiffe und den Weltraum Rechnung trägt.

Aus der Faszination für den Fortschritt entwickelten sich bisweilen gesundheitsgefährdende Trends: Die Zahnpasta Doramad wurde damit beworben, radioaktiv zu sein und so für anhaltende Frische im Mund zu sorgen. Radioaktivität sei damals noch anders bewertet worden, so Ausstellungskuratorin Roswitha Muttenthaler, das Produkt sei aber schon damals kein Erfolg gewesen.

Einzementierte Rollenbilder

Bei der Vermarktung der Haushaltsgeräte setzten die Hersteller auf das Fortschreiben von Rollenklischees. „Die Wäsche sei der Stolz der Hausfrau“ heißt es auf der Bedienungsanleitung einer Waschmaschine. Bilder von lächelnden Frauen zieren auch die Verpackungen der meisten Haushaltsgeräte. Nur vereinzelt zielt die Werbung auf ein männliches Publikum, etwa im Fall eines Dampfglätters, mit dem sich Büroangestellte ihre Anzüge vor wichtigen Terminen faltenfrei machen können.

Eindrücke aus der Ausstellung „Geliebt - gelobt - unerwünscht"

ORF.at/Roland Winkler

Schon die Betriebsanleitung der Cortina-Waschkugel suggeriert, dass Hausarbeit Frauenarbeit ist

Interessant ist die Wandlung von Produkten, die von beiden Geschlechtern genutzt und trotzdem für Frauen und Männer getrennt beworben werden. In einer Vitrine im TMW ist ein Rasierapparat aus den 1930ern zu sehen, auf dessen Verpackung noch Frauen und Männer angesprochen werden. Ab 1950ern wurde zwischen Frauen- und Männerprodukten differenziert. Das hält bis heute an: Rasierer für Damen sind oft in Rosa gehalten, jene für Herren in Blau.

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