SPÖ muss „bessere Angebote“ liefern
Der traditionelle Maiaufmarsch der SPÖ ist am Dienstag auf dem Wiener Rathausplatz unter dem Motto „Zeit für mehr Solidarität“ über die Bühne gegangen. Im Mittelpunkt stand der nahe Abschied des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und eine deutliche Kritik an der ÖVP-FPÖ-Regierung. Nicht ganz überraschend. Denn zum ersten Mal seit 2006 beging die SPÖ den Tag der Arbeit als Oppositionspartei, was in ihren Ansprachen deutlich zum Vorschein kam.
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Schon ab den Morgenstunden zogen die einzelnen Delegationen aus den Wiener Gemeindebezirken in Richtung Rathausplatz, wo vom späten Vormittag bis Mittag die Schlusskundgebung stattfand. „Villengebühren statt Studiengebühren“ war auf den Plakaten zu lesen. Mit „Justiz ohne Zaster freut blaue Gfraster“ wurde auf die budgetäre Situation im Justizbereich verwiesen. Präsent war auch das Thema AUVA: „Lügt uns nicht an. AUVA = Reichengeschenk“ oder „Keine Zerschlagung der AUVA“ hieß es da etwa.

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Laut SPÖ versammelten sich 120.000 Menschen auf dem Wiener Rathausplatz
Nachdem alle Delegationen vorgestellt wurden, trat der neue Wiener Parteichef Michael Ludwig auf die Bühne. Ihm war der Auftakt der Ansprachen überlassen. Der Applaus war anfangs allerdings noch verhalten, und die Zurufe hielten sich in Grenzen. Erst am Ende seiner Rede schien die Stimmung gelöster zu sein - was unter anderem auch mit seiner deutlichen Kritik an der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung zu tun hatte.
„Lassen uns unser Wien nicht kaputtmachen“
Ludwig bezeichnete den 1. Mai nämlich nicht nur als „Festtag“, sondern angesichts der derzeitigen politischen Situation auf Bundesebene auch als „Kampftag“. Seiner Meinung nach brauchte es „mehr Sozialdemokratie und mehr gelebte Solidarität“, sagte Ludwig. Aber die SPÖ dürfe sich nicht auf ihren Grundprinzipien ausruhen. „Wenn sich die Regierung den Interessen der Mächtigen verschrieben hat“, so Ludwig, dann liege es an der SPÖ, bessere politische Angebote zu machen.

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Michael Ludwig richtete seine Worte an die Regierung: „Lassen uns unser Wien nicht kaputt machen.“
Die Sozialdemokratie müsse hinschauen und Lösungen offerieren. Ludwig betonte gemäß seiner Funktion vor allem die Situation in der Bundeshauptstadt. „Es darf in meinem Wien keine zwei Geschwindigkeiten geben." Es sei deshalb notwendig, an der Sozialpartnerschaft festzuhalten, so Ludwig, der für ein Miteinander statt Gegeneinander“ plädierte. Seine Worte richtete er an die Regierung, die ein „Wien-Bashing" betreibe: „Wir lassen uns unser Wien nicht kaputt machen. Wir werden uns wehren.“
Rede des SPÖ-Wien-Vorsitzenden Ludwig
Der neue Wiener SPÖ-Vorsitzende Michael Ludwig bekennt sich in seiner Auftaktrede zum Motto der Veranstaltung, „Zeit für Solidarität“.
Anderl und Brauner rügen Regierung
Nach Ludwig ergriffen zunächst die Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen, Renate Brauner, und Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl das Wort. Die neue AK-Präsidentin ging mit den Plänen der Bundesregierung hart ins Gericht. Bevor sie sich deutlich gegen den von ÖVP und FPÖ präferierten „Zwölfstundentag“ aussprach, kritisierte auch sie das „Wien-Bashing der Bundesregierung“, gegen das sie sich verwehre.
Rede der AK-Präsidentin Renate Anderl
Die neue AK-Präsidentin und ÖGB-Vizepräsidentin Renate Anderl spricht sich in ihrer Rede vor allem gegen den von der Regierung geplanten Zwölfstundentag aus.
Sowohl der ÖGB als auch die AK seien überparteilich, betonte Anderl, „aber wir sind politisch“. Man werde die Regierung nach ihren Taten beurteilen, allerdings, so die Sozialpartnerin, werde es ein „klares Nein zu jenen geben, die spalten und zerstören wollen. Nein zu jenen, die die Sozialpartner ausschalten und schwächen wollen.“
Rede der Frauenvorsitzenden Renate Brauner
Die Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen, Renate Brauner, kritisiert in ihrer Rede die Reformen der ÖVP-FPÖ-Regierung.
Auch Brauner übte scharfe Kritik an der ÖVP-FPÖ-Koalition und bezeichnete die Regierung als „einen Schritt zurück in die Vergangenheit, auch in die dunkelste Vergangenheit“. Die SPÖ-Frauenvorsitzende stellte klar, dass sie damit FPÖ-Klubchef Johann Gudenus meinte. Dieser hatte mit seinen Aussagen über den ungarischstämmigen Milliardär jüdischer Herkunft George Soros, wonach er „Migrantenströme nach Europa“ unterstütze, in den letzten Tag ordentlich für Wirbel gesorgt.
Kern dankte der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung
SPÖ-Bundesparteiobmann Christian Kern, der vergangenes Jahr noch als Bundeskanzler auf der Bühne stand, bedankte sich zuerst bei der Bundesregierung. „Danke für die Rekordbeteiligung am Wiener Rathausplatz und danke, dass wir seit Amtsantritt von Schwarz-Blau 2.500 neue SPÖ-Mitglieder dazugewonnen haben“, sagte Kern zu Beginn seiner Rede, wechselte dann aber schnell in die Rolle des Oppositionspolitikers.

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Zum ersten Mal als Oppositionspolitiker sprach SPÖ-Chef Christian Kern am 1. Mai zu den Tausenden Anwesenden
Denn auf der einen Seite stehe die Bundesregierung, die Ungarns Premier Viktor Orban und der Chefin der französischen rechtspopulistischen Partei Front National, Marie Le Pen, nahestehe. „Auf der anderen Seite stehen wir, die für eine liberale Gesellschaft stehen“, sagte Kern. Gerade jetzt sei es wichtig, „dass wir uns unserer Geschichte bewusst sind. Demokratie und Rechtsstaat sind zerbrechlich.“
Rede von SPÖ-Chef Kern
SPÖ-Chef Christian Kern betonte in seiner Rede die Wichtigkeit, die sozialdemokratische Idee der Demokratie und des Rechtsstaats weiterhin zu verteidigen.
Neben den Aussagen von Gudenus, die Kern als „schändlich“ bezeichnete, kritisierte der Bundesparteiobmann der SPÖ auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). „Wenn der Bundeskanzler wegschaut, wir werden nicht wegschauen, wenn der Antisemitismus wieder ein Aufleben feiert.“ Ein Angriff auf unsere jüdischen Mitbürger sei ein Angriff auf alle, so Kern weiter, der die jetzige Phase der Opposition nutzen will, um sich auf die nächste Regierungsbeteiligung vorzubereiten.
Häupl: „So guat san mia goar ned mit ihm“
Am Schluss trat noch Wiens scheidender Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) auf die Bühne. Er wollte sich bei der Regierung für den regen Zulauf am 1. Mai nicht bedanken. „So guat san mia goar ned mit ihm (Bundeskanzler Kurz)“, sagte Häupl, der einen „sehr kalten Wind“ ortet. Ein „Gespenst des Populismus und Neoliberalismus“ schleiche herum, so Wiens Stadtoberhaupt, der wie sein Nachfolger Ludwig das „Miteinander“ betonte. „Wir stehen für die Solidarität zwischen den Menschen“, sagte der Bürgermeister.

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Bürgermeister Häupl hatte auch bei seinem letzten Auftritt beim 1. Mai als Stadtoberhaupt noch markige Sprüche parat
„Ich übergebe in drei Wochen die Funktion des Wiener Bürgermeisters an Michael Ludwig, und das ist gut so, um es einfach zu sagen“, betonte Häupl und fügte hinzu: „Aber ich verabschiede mich nicht. Natürlich werde ich kein Balkonmuppet sein.“ Aber er werde sich „Tag und Nacht" für die SPÖ einsetzen. „Ich bin bei euch“, sagte Wiens Stadtoberhaupt und ergatterte damit seine Lacher - mehr dazu in wien.ORF.at.
Abschiedsrede des Wiener Bürgermeisters Häupl
Zum letzten Mal hat Michael Häupl (SPÖ) am 1. Mai auf dem Rathausplatz eine Rede als Wiener Bürgermeister gehalten.
Als sich Häupl am Ende verabschiedete, skandierten die Zuhörerinnen und Zuhörer auf dem Rathausplatz „Zugabe, Zugabe“. Der Wiener SPÖ-Langzeitchef kam zurück auf die Bühne und sagte abschließend: „Es ist ja nett, aber ich bin kein Kabarettist und kein Popstar. Eine Zugabe spielt’s ned. Schönen 1. Mai noch.“
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