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„Geheimes Atomarchiv“ in Teheran

Israel hat nach Angaben von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu „schlüssige Beweise“ dafür, dass der Iran ein geheimes Atomwaffenprogramm verfolgt. Der Iran habe seine nuklearen Ambitionen nie aufgegeben und verstoße damit gegen das internationale Atomabkommen, sagte Netanjahu am Montag in Israel.

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Er präsentierte vor Journalisten in Tel Aviv Dokumente, Videos und Fotos aus einem „geheimen Atomarchiv“ in Teheran, die Israels Geheimdienst aufgespürt habe und die das beweisen sollen. Vor der überraschend einberufenen Pressekonferenz kam das Sicherheitskabinett in Tel Aviv zu einer Sondersitzung zusammen, Netanjahu hatte dafür eine geplante Parlamentsrede abgesagt.

„Fünf Hiroshima-Bomben“

Laut Netanjahu belegen die Fotos und Videos, dass die Islamische Republik ein Kernwaffenprogramm geheim betrieben hat. Darin sei es darum gegangen, Atombomben zu entwerfen, zu entwickeln und zu testen. „Der Iran lügt dreist“, sagte Netanjahu mit Blick auf die Beteuerungen der iranischen Führung, nicht nach Atomwaffen zu streben.

Israels Vorwürfe und die Folgen

USA-Korrespondentin Hannelore Veit über die möglichen Folgen, die ein Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran haben könnte.

Netanjahu zufolge versteckt die Führung in Teheran die Dokumente zu seinem Atomwaffenprogramm, um es zu geeigneter Zeit weiterbetreiben zu können. Ziel sei es, auch Langstreckenraketen mit Atombomben bestücken zu können. Das geheime Material, das der Iran nach der Unterzeichnung des Atomabkommens versteckt habe, könne zum Bau von „fünf Hiroshima-Bomben“ dienen, sagte Netanjahu. „Der Iran hat auf der höchsten Ebene geplant, den Bau nuklearer Waffen fortzusetzen.“

„Trump wird das Richtige tun“

Bei den neuen Erkenntnissen handle sich um einen „großartigen Erfolg“ der israelischen Geheimdienste. Die Dokumente seien Israel als „exakte Kopien“ in Papier- oder CD-Format zugespielt worden. Netanjahu kündigte an, die Dokumente mit anderen Staaten und der Internationalen Atomenergiekommission teilen zu wollen. Die USA seien bereits informiert worden, sie sollen die Echtheit des Materials bestätigen.

Am Sonntag hatte Netanjahu mit dem neuen US-Außenminister Mike Pompeo über den Iran beraten und zudem mit US-Präsident Donald Trump telefoniert. Im Anschluss hatte Pompeo erklärt: „Wir sind weiterhin sehr besorgt über die gefährliche Eskalation der Bedrohung Israels und der Region durch den Iran.“ Netanjahu bezeichnete das iranische Atomprogramm als größte Bedrohung für die Welt, insbesondere für Israel und die USA. Der israelische Ministerpräsident ist seit jeher ein entschiedener Gegner des Abkommens, das 2015 in Wien ausgehandelt wurde und derzeit von den USA auf den Prüfstand gestellt wird. Trump werde in den kommenden Tagen entscheiden, ob er den Vertrag aufkündigen will, so Netanjahu. „Ich bin mir sicher, dass er das Richtige tun wird.“

Trump fühlt sich bestätigt

Trump sagte am Montag, er sehe sich durch die israelischen Vorwürfe in seiner harten Haltung gegen Teheran bestätigt. Erneut kritisierte er das Atomabkommen, es sei ein „schrecklicher“ Deal. Die Situation sei nicht akzeptabel, der Iran sei nicht untätig.

Benjamin Netanjahu

AP/Sebastian Scheiner

Netanjahu präsentierte am Montag Dokumente, die aus einem geheimen Archiv im Iran stammen sollen

Ob die USA aussteigen werden, sagte er aber nicht. Man werde sehen, was passiere, so Trump. Bis zum 12. Mai muss Trump entscheiden, ob von den USA ausgesetzte Sanktionen gegen den Iran außer Kraft bleiben. Das wird de facto auch als Entscheidung über den Verbleib der USA in dem Abkommen angesehen. Trump erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, ein neues Abkommen auszuhandeln.

Iran sieht in Vorwürfen Strategie

Der Iran wies die Vorwürfe zurück. Diese Vorwürfe des israelischen Ministerpräsidenten hätten nur darauf abgezielt, Trump vor seiner Entscheidung vom 12. Mai über das Atomabkommen zu beeinflussen, sagte Vizeaußenminister Abbas Araktschi am Montagabend laut der Nachrichtenagentur Tasnim. „Netanjahus Show war ein kindisches und lächerliches Spiel“, sagte Araktschi demnach am Montag. Außenminister Mohamed Dschawad Sarif schrieb auf Twitter, es handle sich um aufgewärmte alte Anschuldigungen, mit denen sich die Atomenergiebehörde bereits auseinandergesetzt habe.

Die Anschuldigungen seien das Werk „eines eingefleischten Lügners, dem die Ideen ausgehen“, so das iranische Außenministerium am Dienstag auf seiner Website. Netanjahu habe nur „Lügen und Täuschungen zu bieten“, erklärte Ministeriumssprecher Bahram Ghassemi. Die israelische Regierung sehe „keine anderen Möglichkeiten, um das Überleben ihres illegalen Regimes zu sichern“. Es handle sich um einen „aufgewärmten Bluff“.

Mogherini: Netanjahu hat keine Beweise

Nach Einschätzung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini präsentierte Netanjahu am Montag keine Beweise dafür, dass sich der Iran nicht an das Abkommen hält. Das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 basiere auf konkreten Verpflichtungen, Überprüfungsmechanismen und einer strikten Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Diese habe schon zehn Berichte veröffentlicht, die dem Iran bestätigten, sich an die Abmachungen zu halten.

Wenn irgendwer Informationen habe sollte, dass das nicht der Fall sein könnte, solle er sich an die IAEA oder die gemeinsame Kommission der Vertragsparteien wenden, mahnte Mogherini. Die IAEA sei die einzige unabhängige internationale Organisation, die für die technische Überwachung zuständig sei.

Raketenbeschuss in Syrien

Der Iran hatte das Atomabkommen mit den fünf UNO-Veto-Mächten sowie Deutschland geschlossen. Die Vereinbarung sollte es dem Iran unmöglich machen, Atomwaffen zu entwickeln. Dafür unterwarf sich das Land für mindestens zehn Jahre strengen Auflagen bei der Nutzung der Atomkraft. Im Gegenzug wurde eine Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht gestellt.

Sorge vor einer Eskalation in den Beziehungen zwischen Israel und dem Iran gibt es auch auf militärischer Ebene: Am Sonntag wurden in Syrien mehrere Militärstützpunkte von Raketen getroffen. 26 Menschen starben, rund 60 wurden verletzt. Woher die Raketen stammten, war unklar. Verschiedene syrische Staatsmedien äußerten aber die Vermutung, Israel stecke hinter den Angriffen und habe iranische Stellungen bombardieren wollen. Israels Militär äußerte sich dazu nicht.

Weiteres Vorgehen angekündigt

Der syrische Präsident Baschar al-Assad kritisierte am Montag eine „Eskalation der Angriffe“ auf sein Land. Assad warf den „verfeindeten Ländern“ vor, zur „direkten Aggression“ übergegangen zu sein. Diese „Eskalation“ stärke aber nur die „Entschlossenheit der Syrer, gegen den Terrorismus zu kämpfen und die Souveränität des Landes zu bewahren“, sagte Assad.

Israel hat bereits mehrfach Außenposten iranischer Milizen in Syrien angegriffen. Ziele waren dabei insbesondere Waffenlieferungen der mit Assad verbündeten libanesischen Hisbollah-Miliz. Netanjahu hatte zuletzt angekündigt, weiter „gegen den Iran in Syrien“ vorzugehen.

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