Ministerrochade in Mays Kabinett
Der ehemalige britische Minister für Kommunen und Wohnbau, Sajid Javid, wird der am Sonntag zurückgetretenen Innenministerin Amber Rudd folgen. Das teilte die Regierung in London am Montag mit. Rudd legte ihr Amt nach einem Skandal um den Umgang mit Einwanderern aus Karibikstaaten nieder.
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Javid könnte damit Kritiker vorerst beruhigen, seine Nominierung wird in den britischen Medien als mögliches Zeichen für einen Kurswechsel in dem Ressort gesehen. Javid ist der erste Innenminister aus einer ethnischen Minderheit, seine Eltern kommen aus Pakistan. Erst am Sonntag äußerte er sich in einem Interview zu der Windrush-Affäre um Einwanderer aus der Karibik und sagte, es hätte auch ihn, seine Mutter oder seinen Vater treffen können.
Nach seiner Ernennung zum Innenminister sagte Javid, eine seiner dringlichsten Aufgaben sei es, eine Einwanderungspolitik sicherzustellen, „die fair ist und Menschen mit Respekt und Anstand behandelt“. „Ich denke, das wollen die Menschen sehen“, so Javid, der in der Vergangenheit auch als Investmentbanker arbeitete.

Reuters/Simon Dawson
Am Montag wurde bekannt, dass Javid der zurückgetretenen Ministerin Rudd folgen wird
Noch ist nicht klar, wie sich die Ernennung des neuen Innenministers auf das angeschlagene Kabinett von Theresa May auswirkt. Mit Javid ist zumindest die Balance der „Brexit“-Gegner und -Befürworter gleich geblieben: Die bisherige Ministerin Rudd galt vor dem Referendum als „Brexit“-Gegnerin innerhalb der Konservativen und machte sich in der Regierung eher für einen sanften Ausstieg aus der EU stark. Auch Javid war zunächst Teil des Lagers der „Brexit“-Gegner. Im Gegensatz zu Rudd gilt Javid aber als jemand, der einem „weichen Brexit“ mittlerweile skeptisch gegenübersteht.
Für May war der Rücktritt Rudds ein schwerer Schlag: Noch letzten Freitag hatte sie ihr „volles Vertrauen“ ausgesprochen, am Donnerstag finden Regionalwahlen in England statt. Mays konservativen Tories droht eine schwere Niederlage in London, auch könnten mehrere einst konservative Gemeinderäte an die oppositionelle Labour-Partei gehen.
Javid seit Hochhausbrand in der Kritik
Kritik aus der Opposition kam unmittelbar nach der Bekanntgabe der Ministerrochade im britischen Kabinett. Javid war als Minister für Wohnbau eine zentrale Figur des Hochhausbrandes, bei dem Dutzende Bewohner des Grenfell Towers starben. Seither setzte er sich für mehr Geld für den Wohnbau ein, trotz Widerstandes aus dem Finanzressort. Von Labour kam immer wieder Kritik an den Maßnahmen. Ein Abgeordneter sagte am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter, dass Javids Ministerium „elf Monate lang Versagen betreut“ habe.
Javid hatte schon verschiedene Regierungsposten inne. Durch den Wechsel Javids in das Innenministerium mussten einige weitere Posten in der Regierung umbesetzt werden. Javid wird in seinem bisherigen Ressort durch James Brokenshire ersetzt, der sich erst vor wenigen Monaten aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückgezogen hatte. Penny Mordaunt, die bisher für Internationale Entwicklung zuständig war, übernimmt künftig zusätzlich das Ressort Frauen und Gleichstellung.
Windrush-Affäre beschäftigt seit Wochen Politik
Die jetzt zurückgetretene Rudd kam wegen der Windrush-Affäre in den vergangenen Wochen stark unter Druck. Dabei geht es um den Umgang mit Einwanderern aus Karibikstaaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg legal nach Großbritannien gekommen waren und beim Aufbau nach dem Krieg halfen. Ihnen wurde 1971 das Bleiberecht zugesprochen. Viele haben inzwischen Schwierigkeiten, ihr Aufenthaltsrecht nachzuweisen, weil sie nie entsprechende Dokumente erhalten haben.
Britische Innenministerin zurückgetreten
Die britische Innenministerin Amber Rudd ist nach einem Skandal um Einwanderer aus der Karibik zurückgetreten. Mit ihr verliert Premierministerin Theresa May eine ihrer engsten Vertrauten.
Teilweise wird ihnen mit Abschiebung gedroht, Sozialleistungen und medizinische Behandlungen werden verweigert. Der Begriff Windrush-Generation leitet sich von dem Namen eines Schiffes ab, mit dem die ersten Einwanderer aus der Karibik nach Großbritannien kamen.
Die Affäre beschäftigt mittlerweile seit Wochen die britische Politik, zunächst war auch Premierministerin May ins Visier der Kritiker geraten, die in ihrer Zeit als Innenministerin von 2010 bis 2016 für eine Verschärfung der Kontrollen in Sachen Aufenthaltsrecht verantwortlich war. Zudem wurde dem Innenministerium vorgeworfen, die Dokumentationen der Einwanderer schon vor Jahren vernichtet zu haben. Die Tory-Regierung versuchte zuletzt, die Wogen zu glätten, und versprach, die Windrush-Generation werde als britisch anerkannt werden.
Zielvorgaben für Abschiebungen dementiert
In den vergangenen Tagen war allerdings Rudd immer heftiger unter Druck geraten und hatte mehrfach versucht, sich für ihre Aussagen zu entschuldigen. Der „Guardian“ veröffentlichte dann am Freitag ein auch an Rudd verschicktes Memo aus dem Innenministerium, wonach sich das Ressort das Ziel von 12.800 Abschiebungen von Ausländern 2017 bis 2018 gesetzt habe. Rudd dementierte zunächst mehrfach, davon zu wissen, und behauptete, es würde solche Zielvorgaben nicht geben.
Am Sonntag veröffentlichte die Zeitung daraufhin ein Schreiben der Innenministerin aus dem Jänner 2017 an May, in dem sie selbst „ambitionierte, aber machbare“ Ziele für vermehrte Ausweisungen aus Großbritannien versprach. Man werde versuchen, heißt es darin, die Zahl der Abschiebungen um mehr als zehn Prozent zu steigern. Diese erzwungenen Abschiebungen betreffen laut britischen Medien nicht die Windrush-Generation.
Parlament „unabsichtlich getäuscht“
Am Montag hätte Rudd im Parlament zu den Vorwürfen Stellung nehmen sollen - doch dazu kam es letztlich nicht mehr. Britische Medien zitierten Quellen aus der Downing Street, wonach am Sonntag „neue Informationen“ aufgetaucht seien, die Rudd zur Überzeugung gebracht hätten, sie habe das Parlament „unabsichtlich getäuscht“. Das sei dann der Auslöser für den Rückzug gewesen. Der vom „Guardian“ veröffentlichte Brief wird dabei nicht explizit genannt.
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