AKW soll in den Norden Russlands
Das schwimmende Atomkraftwerk „Akademik Lomonossow“ hat am Samstag nach offiziellen Angaben die Baltische Werft in St. Petersburg verlassen und befindet sich auf dem Weg in den Nordmeerhafen Murmansk, wo es mit Brennstäben beladen werden soll. Anschließend soll die Anlage Tausende Kilometer in den äußersten Nordosten Russlands bugsiert werden, um ab 2019 die Region Tschukotka mit Strom zu versorgen.
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Das 144 Meter lange und 30 Meter breite Schiff mit zwei 35-Megawatt-Reaktoren soll ab Sommer 2019 im tschukotischen Seehafen Pewek unweit der Beringstraße verankert werden und ein 1970 in Betrieb genommenes Atomkraftwerk sowie ein Kohlekraftwerk ersetzen. Beim Hersteller, dem staatlichen russischen Konzern Rosatom, sprach man am Samstag laut einer Pressemitteilung von einem „bedeutenden Meilenstein für die Nuklearindustrie der Welt“.
Hersteller lobt modernste Technik
„Schwimmende Kernkraftwerke werden die Strom- und Wärmeversorgung der entlegensten Regionen ermöglichen und dadurch ihr Wachstum und nachhaltige Entwicklung fördern“, erklärte der verantwortliche Manager von Rosatom, Witali Trutnew. Er betonte zudem, dass das schwimmende Atomkraftwerk über modernste Sicherheitssysteme verfüge und „voraussichtlich eine der sichersten kerntechnischen Anlagen der Welt“ sein werde.

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Mit dem Schiff „Akademik Lomonossow“ sollen russische Außenposten in der Arktis mit Energie versorgt werden
Dabei hatte ein Zwischenfall in der im Bau befindlichen Anlage im vergangenen Juli für Besorgnis in St. Petersburg gesorgt: Durch einen Kurzschluss waren seinerzeit Akkumulatoren in Brand geraten. Die Behörden hatten damals jedoch entwarnt und versichert, dass sich auf der in der Newa verankerten „Akademik Lomonossow“ keine Kernreaktoren befänden.
Greenpeace kritisiert Projekt
Umweltschützer kritisieren das Projekt trotzdem als riskant. Mit Blick auf die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 warnte die Organisation Greenpeace kürzlich, es drohe die Gefahr eines „Tschernobyl auf Eis“. Wenn diese Entwicklung nicht umgehend gestoppt werde, so heißt es vonseiten der Umweltschützer, stehe die nächste nukleare Katastrophe vor der Tür. Gleichzeitig schließt Greenpeace auch ein Kapern des schwimmenden Atomkraftwerks durch Terroristen nicht aus.

Grafik: APA/ORF.at
Gegenüber dem Schweizer Rundfunk (SRF) erklärten Umweltorganisationen, dass Russland zwar Erfahrung mit Nuklearreaktoren an Bord von Schiffen habe, „trotzdem sind immer wieder Feuer ausgebrochen“. Obwohl die eingesetzten Reaktoren mit 35 Megawatt elektrischer Leistung klein im Vergleich zu einer 1.000-Megawatt-Anlage am Land ist, könne die kleinere, kompakte Bauweise Schwierigkeiten bereiten, erklärte das Ökoinstitut in Darmstadt.
Am internationalen Markt begehrt
Die russische Atomwirtschaft erhofft sich mit ihrem schwimmenden Atomkraftwerk eine gute Ausgangsposition in einem Zukunftsmarkt. Die „Akademik Lomonossow“ soll auch zeigen, dass Russland schwimmende Atomkraftwerke bauen kann. Inzwischen haben schon Länder wie Malaysia, Südkorea, Mosambik, Namibia, Indien und Vietnam Interesse am Kauf von schwimmenden Atomkraftwerken aus Russland gezeigt.

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Kritik am Schiff kommt von Umweltschützern, die es als potenzielles „Tschernobyl auf Eis“ bezeichnen
Allerdings vermuten Experten noch einen anderen Grund hinter der Expansion schwimmender Atomkraft. Russland will sich reiche Vorkommen an Öl und Gas sichern, die in der Region um den Nordpol vermutet werden. Zudem werden durch die klimabedingte Eisschmelze neue Schifffahrtsrouten im hohen Norden Russlands frei. Daher stärkt Moskau seine Präsenz in der Region zunehmend militärisch. Auch die USA und andere Anrainerstaaten haben Interesse an der Arktis angemeldet.
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