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Rundumschlag gegen Literaten

Der Druck auf kritische und regierungsunabhängige Stimmen in Ungarn steigt. Erst am Donnerstag holte die von der rechtspopulistischen Regierung kontrollierte Tageszeitung „Magyar Idök“ in einem Kommentar zu einem Rundumschlag gegen rund drei Dutzend prominente Literaten an.

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Unter ihnen sind auch durch Übersetzungen im deutschen Sprachraum bekannte Autoren und Autorinnen wie Peter Nadas, Laszlo Krasznahorkai, György Konrad, György Dragoman und der 2016 gestorbene Peter Esterhazy. Die Kritik richtete sich auch gegen das Budapester Petöfi-Literaturmuseum (PIM) und dessen Direktor Gergely Pröhle. Der ehemalige Diplomat und Vizestaatssekretär im Außenministerium gilt als ein gemäßigter Vertreter aus dem Umfeld der Regierungspartei FIDESZ.

Über die aufgezählten Schriftsteller heißt es in dem Kommentar: „In der Werkstatt des Herrn Generaldirektor Pröhle scharen sich jene linksliberalen Meinungsbildner zusammen, die die Ungarn und Ministerpräsident Viktor Orban verleumden. Und Herr Pröhle bezahlt die Rechnung, selbstverständlich nicht aus der eigenen Tasche, sondern vom Geld der ungarischen Steuerzahler.“

Feindselige Kommentare gegen Kritiker

Bei der Parlamentswahl am 8. April hatte Orbans FIDESZ-Partei mit weniger als 50 Prozent der Stimmen eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit an Mandaten errungen. Der seit 2010 amtierende Regierungschef hatte anschließend neue repressive Gesetze gegen Zivilorganisationen angekündigt. Die Regierungsmedien veröffentlichten seitdem immer wieder feindselige Kommentare über regierungskritische Aktivisten und Aktivistinnen, Journalisten und Journalistinnen und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Ihre Namen wurden dabei teilweise in Listen zusammengefasst.

Hauptfeindbild Soros

So veröffentlichte etwa vor wenigen Tagen die Wochenzeitung „Figyelö“ eine Liste von 200 Personen, die angeblich zum Netzwerk von US-Milliardär und Philanthrop George Soros gehören. Genannt wurden etwa die Leiterinnen und Leiter verschiedener Zivil- und Menschenrechtsorganisationen, darunter Transparency International, Helsinki Komitee und Amnesty International sowie Professorinnen und Professoren der von Soros gegründeten Budapester Central European University (CEU).

Soros ist das öffentliche Hauptfeindbild der ungarischen Regierung. Diese wirft ihm vor, die massenhafte Ansiedlung von Migranten und Migrantinnen zu beabsichtigen („Soros-Plan“). Entsprechend nennt sich auch das geplante Gesetzespaket, das die Rechte von NGOs einschränken soll, „Stopp-Soros“-Paket.

OSZE kritisierte Wahl

„Voreingenommene Medien“, „stark polarisierte“ Berichterstattung und die „eindeutige Bevorzugung“ der Regierung im staatlichen Rundfunk haben Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Ungarn anlässlich des jüngsten Urnengangs attestiert. Ein Bericht des britischen „Guardian“ zeigte, wie viel Wahrheitsgehalt dahintersteckt.

Journalisten und Journalistinnen des steuerfinanzierten ungarischen Fernsehens Magyar Televizio (MTV) berichteten darin, wie Beiträge aufbereitet, teils auch erfunden wurden, um Orbans fremdenfeindliche Botschaften unter das Volk zu bringen. Sie schilderten der Zeitung, wie ausschließlich negativ und im Zusammenhang mit Kriminalität und Terrorismus über Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten berichtet wurde. Am Wahltag in Ungarn behauptete der Sender M1 standhaft, die Amokfahrt im deutschen Münster am selben Tag wäre ein islamistischer Terroranschlag gewesen. „Eine einzige Lüge - so etwas habe ich selbst hier noch nie erlebt“, zitierte der „Guardian“ einen Journalisten.

Beim Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen spiegelt sich der Umgang mit freier Berichterstattung unter Orban bereits wider. Laut dem aktuellen Ranking verschlechterte sich Ungarn vom 71. auf den 73. Platz.

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