Per Blockabfertigung in die erste Kugel
Am 17. April 1958 hat der belgische König Baudoin I. in Brüssel die erste Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg und damit auch deren Wahrzeichen eröffnet. Wegen des großen Publikumsinteresses wurde das Atomium - entgegen den ursprünglichen Plänen - nicht wieder abgebaut, sondern ist bis heute Besuchermagnet.
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Davon zeugen die langen Warteschlangen, die sich täglich vor dem Ticketschalter bilden - bis es per Lift und Blockabfertigung in die oberste der insgesamt neun Kugeln geht, ist somit Geduld gefragt. Für steigendes Publikumsinteresse sorgt seit September des Vorjahres eine Sonderschau zum 50. Todestages des surrealistischen Malers Rene Magritte. Reichlich beworben wird nun zudem der 60. Jahrestag der Expo58. Versprochen wird ein reichhaltiges Rahmenprogramm und ein Eintauchen in den Zeitgeist der späten 1950er Jahre.
Atomium
„Menschen von 58“ lautet der Titel einer Sonderausstellung
Als Jubiläumszuckerl umfasst der Eintrittspreis derzeit gleich drei Sonderausstellungen. „Menschen von 58“ widmet sich in einer Atomiumkugel bisher unveröffentlichten Fotos der Weltausstellung. Im nahe gelegenen Designmuseum ADAM werden im Rahmen von „Graphic58“ Expo-Plakate gezeigt und in einem weiteren Raum „Podium58“, ein „Blick auf die Mode, wie sie vor 60 Jahren am Fuße des Atomiums zu sehen war“. Allein das bescheidene Ausmaß mit einer Handvoll Ausstellungsstücken macht dann aber schnell auch deutlich - Hauptattraktion ist und bleibt das Atomium selbst.
Seit 2006 in neuem Glanz
Wie die noch bis September laufende Magritte-Ausstellung aber bereits zeigte - der in den vergangenen Jahren verstärkte Ausstellungsbetrieb sorgt sehr wohl für steigende Besucherzahlen. Für einen Einbruch sorgten zuvor die Terroranschläge von Brüssel. Nach 662.396 Atomium-Besuchern im Jahr 2015 sank deren Zahl 2016 auf 430.774. Im Vorjahr wurde mit 551.918 Besuchern nun wieder die Marke von einer halben Million überschritten. In Summe besuchten allein seit der Wiedereröffnung im Jahr 2006 sieben Millionen Menschen das Atomium.
Atomium
Eine der - überschaubaren - Sonderausstellungen befindet sich in einer der Atomiumkugeln
Wie bereits rund um den 40. Geburtstag beschlossen, wurde ab 2004 die Runderneuerung des Atomiums in die Tat umgesetzt. In der zweijährigen Bauzeit wurde die ursprüngliche, schon reichlich verwitterte und löchrige Aluminiumhülle der Kugeln durch Inox-Stahlplatten ersetzt. Die Neugestaltung umfasste zudem ein neues Beleuchtungssystem.
Das Ergebnis zeigte Wirkung: Bereits eineinhalb Jahre nach der Wiedereröffnung im Februar 2006 begrüßten die Betreiber den millionsten Besucher. Allein 2007 kamen rund 750.000 Menschen zum Brüsseler Wahrzeichen. Vor der Renovierung hatten etwa 400.000 Menschen jährlich das Atomium besucht.
Stricknadeln und Gummibälle
Errichtet wurde das 102 Meter hohe Gebäude nach Plänen des 1917 geborenen belgischen Ingenieurs Andre Waterkeyn. Mit Stricknadeln und Gummibällen aus dem Supermarkt, so geht die Legende, hatte er das erste Modell seines gewagten Entwurfs gebastelt. „Ich habe mich gefragt, was unsere Epoche charakterisiert. Ich habe an die Nuklearenergie gedacht, ans Atom“, erklärte er.
Stets betonte der Konstrukteur, er selbst habe dem Atomium seinen Namen gegeben. Noch bis zu seinem Tod im Oktober 2005 besuchte der Ingenieur regelmäßig sein berühmtestes Bauwerk. Die Rechte für die öffentliche Reproduktion seines geschützten Entwurfs brachten Waterkeyn, der mit der belgischen Hockeymannschaft zweimal an den Olympischen Spielen teilnahm, ein Vermögen ein.
Expo58
Die Expo 1958 war ein Publikumserfolg: Rund 42 Millionen Besucher wurden in rund sechs Monaten gezählt
„Jahrmarkt des Atomzeitalters“
Die Expo58 ging indes als „Jahrmarkt des Atomzeitalters“ in die Annalen ein. 13 Jahre nach dem Ende des Krieges überwog die Euphorie über neue technische Möglichkeiten. Der technische Fortschritt wurde nicht kritisch hinterfragt. Die Expo58 lockte als erste große Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 41 Millionen Menschen in die belgische Hauptstadt. Vom 17. April bis zum 19. Oktober zeigten 51 Nationen und sieben internationale Organisationen in 112 Pavillons ihre neuesten Errungenschaften.
Unter dem Expo-Motto „Technik im Dienste des Menschen. Fortschritt der Menschheit durch Fortschritt der Technik“ wurden unter anderem die beiden neuen Zukunftstechnologien Raumfahrt und Atomkraft erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Geprägt war die Expo auch durch die Rivalität der damaligen Westmächte mit dem Ostblock. Die Nationen hätten sich aber „verabredet, in Brüssel ein lächelndes Gesicht zu zeigen“, war damals in der deutschen Kulturzeitschrift „Magnum“ zu lesen. Das Wettrüsten und die Atombombe waren somit auf dem Ausstellungsgelände im Brüsseler Heysel-Park zumindest offiziell kein Thema.
Links:
Peter Prantner, ORF.at, aus Brüssel/Agenturen