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„Freigabe unter bestimmten Bedingungen“

Ein in mehreren Punkten umstrittenes Datenpaket ist am 20. April vom Nationalrat mit Koalitionsmehrheit beschlossen worden. Vorgesehen ist, dass persönliche Daten der Österreicherinnen und Österreicher, die der Bund erhoben und abgespeichert hat, für Forschungszwecke (auch von Firmen) abgefragt werden dürfen. Auch Daten des Elektronischen Gesundheitsakts (ELGA) sollen künftig weitergegeben werden können.

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Dass auch ELGA-Daten weitergegeben werden können, hatte im Vorfeld für Unmut gesorgt. Eine Freigabe von ELGA-Daten soll „unter bestimmten Bedingungen“ möglich sein, wie es von der zuständigen Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hieß. Noch einen Tag zuvor hatte sie eine Weitergabe von ELGA-Daten dezidiert ausgeschlossen („Ich kann Ihnen mitteilen, dass es definitiv keine Freigabe gibt“) - tags darauf wurde nun schließlich vom Ministerium ein „geglückter Spagat zwischen Datenschutz und Forschung“ vermeldet.

Echte Anonymisierung?

Der „Balanceakt“ soll wie folgt aussehen: Die Namen der Betroffenen werden durch eine Kennzahl ersetzt, um die namentliche Zuordnung ihrer Daten zu verhindern. Kritiker wenden allerdings ein, dass man hier von keiner echten Anonymisierung sprechen kann - bereits im Vorfeld des Beschlusses brachten sie rechtliche Bedenken vor.

Aus dem Sozialministerium heißt es: „Standesvertretungen wie die Ärztekammern oder Fachgesellschaften müssen prüfen, ob ein wissenschaftliches Interesse an der aggregierten und anonymisierten Datenfreigabe vorliegt.“ Gibt es ein solches, brauche es die „Genehmigung einer Ethikkommission für das jeweilige Forschungsprojekt“. Die Kommission soll künftig im Sozialministerium oder an medizinischen Fakultäten angesiedelt sein, heißt es.

Ministerium muss Datenweitergabe zustimmen

Freilich wurden das Vorgehen bzw. die Bedingungen dafür (Anonymisierung, wissenschaftliche Zwecke) nicht gesetzlich determiniert, sondern bloß über einen unverbindlichen Entschließungsantrag, der nicht mehr als eine Handlungsempfehlung an die zuständige Ministerin ist. Immerhin ist festgelegt, dass das Ministerium der Datenweitergabe zustimmen muss.

Aus dem Sozialministerium heißt es: „Mit dem Entschließungsantrag haben wir eine für alle Seiten gute und tragbare Entscheidung erzielt. Die Patientendaten sind weiterhin gesichert und die Wissenschaft kann unter ganz bestimmten, klar geregelten Kriterien auf anonymisierte Daten zugreifen.“

ELGA-Datenfreigabe für Forschung fix

Gesundheitsministerin Hartinger-Klein hatte angekündigt, keine ELGA-Daten für die Forschung weitergeben zu wollen. Dennoch wurde eine solche Datenfreigabe beschlossen.

„Menschen fühlen sich verraten und verkauft“

Harsche Kritik kam von der Opposition: SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner sieht in der ELGA-Datenweitergabe eine Verunsicherung von Patienten und Ärzten in einem höchst sensiblen Bereich. „Wir haben den Menschen immer versprochen, sorgsam mit ihren ELGA-Daten umzugehen, und die Menschen haben uns vertraut – bis vor wenigen Tagen. Durch die Verunsicherungspolitik der Regierung melden sich die Menschen bereits jetzt von ELGA ab, sie fühlen sich verraten und verkauft“, so Rendi-Wagner.

NEOS: Gesetz bald vor EuGH

Für NEOS stellte deren Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon klar, dass ihre Fraktion die Erleichterung des Zugangs zu Daten für Forschungszwecke inhaltlich voll teile. Es werde nur in der Gesetzesvorlage kein hohes Datenschutzniveau garantiert. Daher sei es letztlich nur eine Frage der Zeit, bis das Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) lande. Würden dort die entsprechenden Regelungen aufgehoben, hätte das für die Forscher unabsehbare Folgen.

Ebenfalls hart ins Gericht mit dem Paket ging Liste-Pilz-Mandatar Alfred Noll, der einen „ordentlichen Pallawatsch“ sah. Angesichts aus seiner Sicht einander widersprechender Formulierungen im Gesetz fragte er: „Wollen sie die Judikatur ins Elend schicken?“ Peter Kolba, Gesundheitssprecher der Liste Pilz, sprach von einem „Zickzackregierungskurs zu ELGA“. Patientenorganisationen hätten keinen Einfluss. Die Bevölkerung werde in „unverantwortlichen Weise verunsichert“.

Datenpaket teilweise abgespeckt

Abgespeckt wurde ein anderer Teil des Datenpakets, da weder SPÖ noch NEOS ihre Stimmen für die notwendige Zweidrittelmehrheit liefern wollten. Ursprünglich war etwa geplant gewesen, die Kompetenz für den Datenschutz im Sinn der Deregulierung beim Bund zusammenzufassen.

Die SPÖ ging hier nicht mit, da sie die Vorlage mit ihrer Forderung nach einem Verbandsklagsrecht im Datenschutz junktimierte, worauf die Koalition nicht einstieg. Übrig blieben nun kleinere Vorhaben wie etwa, Firmen, die lediglich in einem Teilbereich in öffentlichem Auftrag tätig sind, von der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten zu befreien. Als Beispiel genannt werden hier Autowerkstätten, die Pickerlüberprüfungen durchführen.

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