Opposition stimmte nicht zu
Die Koalition von ÖVP und FPÖ hat ihr erstes Budget beschlossen. Den von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) vorgelegten Bundesfinanzgesetzen 2018 und 2019 stimmten am Donnerstag im Nationalrat - wenig überraschend - nur die Regierungsparteien zu. Die Opposition hatte das Doppelbudget schon in der dreitätigen Plenardebatte scharf kritisiert - wegen der Einsparungen und trotz Hochkonjunktur nicht angegangener Reformen.
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Das Budget für heuer sieht Einzahlungen von 76,38 Mrd. und Auszahlungen von 78,54 Mrd. Euro vor. Im kommenden Jahr soll sich bei Auszahlungen von 79,17 Mrd. und Einzahlungen von 79,69 Mrd. ein administrativer Überschuss ausgehen. Gesamtstaatlich wird heuer ein Maastricht-Defizit von 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 2019 ein Nulldefizit herauskommen.
Begleitgesetz schon davor beschlossen
Das strukturelle Defizit ohne Flüchtlinge und Terrorkosten soll in beiden Jahren bei 0,5 Prozent des BIP zu liegen kommen. Die Abgabenquote soll von derzeit 42 Prozent über 41,4 Prozent heuer auf 41,2 Prozent im kommenden Jahr sinken.
Bereits am Dienstag - ebenfalls nur von der Koalitionsmehrheit - beschlossen worden war das Budgetbegleitgesetz mit insgesamt rund 30 Gesetzesänderungen. Darunter sind die Anhebung des Zugangsalters zur Altersteilzeit, die drastische Kürzung der Mittel für die mit Juni kommenden Jahres befristete „Aktion 20.000“ und die Halbierung der Mittel für das verpflichtende Integrationsjahr.
Regierung beschließt Doppelbudget
Gegen die Stimmen der Opposition hat die Regierung das Doppelbudget für 2018 und 2019 beschlossen.
Löger: „Intensives Erlebnis“
Für Finanzminister Löger war seine erste Budgetdebatte im Nationalrat ein „intensives Erlebnis“. In der abschließenden Debatte zum Finanzkapitel zeigte er sich zwar einerseits beeindruckt „auch von der Qualität der konstruktiv-kritischen Diskussionen“. Aber er fand es andererseits „verblüffend, mit welcher Polemik und ideologischer Grundhaltung teilweise am Thema vorbei diskutiert“ und den Österreichern Angst gemacht werde. Dabei bringe doch das Budget 2018/19 Sicherheit für alle Österreicher und eine Perspektive, „die positiv und hoffnungsvoll ist“, rühmte Löger noch einmal sein erstes Budget.

APA/Hans Punz
Budget bot viel Raum für Kontroversen
Schlagabtausch mit Opposition
Während sich ÖVP und FPÖ in der Budgetdebatte vom „Paradigmenwechsel“ ihrer neuen Regierung Richtung Schuldenabbau und Nulldefizit angetan zeigten, war die Opposition sehr unzufrieden. Die SPÖ beklagte Kürzungen zulasten der Menschen - im Sozialbereich, bei Arbeitslosen, Kindern, in der Bildung und in der Justiz. NEOS missfielen vor allem die Einsparungen bei Integrationsmaßnahmen, im Bildungsbereich und in der Justiz, und man vermisste Reformen etwa bei Föderalismus und Pensionen. Die Liste Pilz sah eine „Zeitenwende hin zu einer neoliberalen Politik“ mit Umverteilung vom unteren Einkommensdrittel auf die zwei oberen.
Scharfe Kritik am Bildungsbudget
Vor dem Beschluss hatten am Donnerstag die Themen Bildung und Soziales für jede Menge Konfliktstoff gesorgt. Besonders kritisch mit dem Bildungskapitel ging die SPÖ ins Gericht. Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid sah eine „in Zahlen gegossene Retropolitik“ an den Schulen, die auf dem Rücken von Kindern und Lehrern ausgetragen werde. Speziell stört sie, dass die Mittel für die Ganztagsschulen durch deren Streckung in Wahrheit halbiert würden. Auch falle der Integrationstopf weg.
Letzteres griff NEOS-Klubchef Matthias Strolz auf, der einen Zukunftsraub ortete. Konkret warf er der Regierung vor, ein Geschäftsmodell zu haben, das Brände in der Gesellschaft noch größer mache. Dass der Chancenindex zur Bevorzugung von Schulen mit schwierigen Rahmenbedingungen nicht umgesetzt werde, sieht er als Botschaft, die Spaltung der Gesellschaft weiter voranzutreiben. Strolz forderte - so wie Liste-Pilz-Bildungssprecherin Stephanie Cox - flächendeckendes WLAN an Schulen.
Regierung ortet Zustimmung bei Lehrern
Durch die Oppositionsreden zog sich auch die Skepsis gegenüber den geplanten Deutschförderklassen. ÖVP-Mandatar Rudolf Taschner entgegnete, dass die Betroffenen, nämlich die Lehrer, dankbar für diese Maßnahme seien. FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer sah die Kritiker der Klassen im „Elfenbeinturm“ sitzen. Es gebe „sehr viel Zustimmung im System“.
Mölzer rechnete insgesamt mit der Bildungspolitik der SPÖ ab und betonte, man müsse jetzt den AHS angesichts von deren vielen Schülern mehr Geld geben, „weil die NMS so schlecht ist“. Auch bei der Tagesbetreuung nehme man weiter Geld in die Hand, das aber unter der Prämisse der Wahlfreiheit.
Faßmann zufrieden
ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann zeigte sich mit seinem Doppelbudget durchaus zufrieden, bringe es seinem Ressort doch eine Steigerung von 670 Millionen. Die zur Verfügung gestellten Mittel erlaubten Schwerpunktsetzungen und eine sehr gute Weiterentwicklung des Bildungssystems. Es gebe ausreichend Ressourcen für Deutschförderklassen, und es werde auch ausreichend Geld für sprachliche Frühförderung vorhanden sein. Was es mit ihm nicht geben werde, sei eine Erhöhung der Lehrverpflichtung oder eine Anhebung der Klassenschülerhöchstzahl.
Weniger Streit über Unis und Forschung
Weniger kontroversiell lief die Debatte zu den Unis, wobei die SPÖ für die Vorgängerregierung reklamierte, dass den Hochschulen nun mehr Mittel zur Verfügung stehen. Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl kritisierte, dass durch die Studienplatzbewirtschaftung 20.000 Menschen von einem Studium abgehalten würden. FPÖ-Mandatar Axel Kassegger entgegnete, dass mit dieser Maßnahme Planbarkeit für die Studierenden, aber auch für die Universitäten geschaffen werde. Ähnlich argumentierte Faßmann.
Kritisch widmeten sich dem Forschungsbereich Liste Pilz und NEOS. Pilz-Mandatar Alfred Noll sieht die „Unterdotierung“ des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) als eminente Niederlage der Regierung. NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon beantragte eine Erhöhung der Mittel für den Fonds. Faßmann sah hingegen gesichert, dass die Offensivphase für den FWF weitergehe. ÖVP-Mandatar Nico Marchetti wollte von Kritik rein gar nichts hören. Es sei das größte Wissenschaftsbudget aller Zeiten.
Viel Konfliktstoff bei Sozialkapitel
Teils scharfe Auseinandersetzungen gab es über das Sozialbudget - und zwar nach dem bekannten Muster: Die SPÖ hielt der Regierung vor, bei den Menschen und nicht im System zu sparen - und ÖVP sowie vor allem die FPÖ antworteten mit Kritik, die SPÖ stehe für Politik nach dem Gießkannenprinzip.
Sozial- und Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verfügt über den größten Budgetposten - aber in ihrem Bereich fallen einige Kürzungen an: Die Arbeitsmarktmittel werden z. B. ebenso zusammengestrichen wie jene für den Konsumentenschutz.
SPÖ sieht „ungleiche Verteilung“
Mit den Worten „Sie sparen nicht beim System, Sie sparen eindeutig bei den Menschen in diesem Land“ eröffnete SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch den Schlagabtausch - und hielt der Regierung eine „ungleiche Verteilung“ vor. Mit dem „Familienbonus“ werde „die Gesellschaft schon bei den Kindern“ gespalten. Im Auge habe die Regierung nur „die Schlagzeile Nulldefizit“ - und deshalb seien etwa für Länder und Gemeinden nicht genügend Mittel für die Abschaffung des Pflegeregresses vorgesehen. Umgekehrt werde Unternehmen ein „Freibrief“ für die Nichtanmeldung von Arbeitskräften ausgestellt.
FPÖ attackiert SPÖ und Wien
Lautstark und angriffig kommentierte die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch die Sozialpolitik - allerdings nicht mehr jene der Regierung, sondern die frühere der Großen Koalition und die jetzt in Wien. In Wien ufere die Mindestsicherung aus, kritisierte sie - mit Blick auf Asylwerber - das „sozialistische Gießkannenprinzip“. Die „kleinen Buben, die in einer Moschee Krieg spielen“ sah sie als „Auswuchs“ der Förderungspolitik „a la SPÖ“ - um dann kurz den ÖVP-FPÖ-Paradigmenwechsel zu einer treffsicheren Sozialpolitik für Menschen, die es wirklich brauchen, zu loben.
NEOS-Mandatar Gerald Loacker nannte das Sozial- und Arbeitsbudget „hochgradig peinlich“, es stehe im Zeichen von „Schmäh“ und „budgetärem Pflanz“, etwa beim Pflegeregressansatz, nur um ein Nulldefizit darstellen zu können. Auch bei der Mindestpension betreibe die Regierung „Schmäh“, würden davon doch kaum Österreicher profitieren, denn „wir werden sie zum großen Teil nach Osteuropa schicken“.
Pflegeregress erhitzt die Gemüter
„Wer sagt, wir investieren nicht in Arbeitsmarkt, Sozialpolitik und Familien, der hat das Budget nicht verstanden“, hielt ÖVP-Klubobmann August Wöginger der Opposition entgegen. Die Hälfte der budgetierten Einnahmen gehe in diese Bereiche und die Gesundheit. Die SPÖ kritisiere viele Maßnahmen nur, weil sie nicht von ihr gekommen seien. Als „schlechtes Gesetz“ bezeichnete er jenes - noch von SPÖ und ÖVP beschlossene - zur Abschaffung des Pflegeregresses.
Das empörte Ex-Sozialminister Alois Stöger (SPÖ): Wöginger habe dieses Gesetz maßgeblich ausverhandelt. Schlecht sei es aber tatsächlich: Denn die SPÖ habe die Finanzierung mit einer Steuer auf große Erbschaften sicherstellen wollen - das aber sei „mit der ÖVP nicht gegangen“. Scharf kritisierte Stöger auch die Abschaffung der von ihm auf die Beine gestellten „Aktion 20.000“ für ältere Langzeitarbeitslose.
Sozialministerin: Wohl der Bürger vor Augen
„Staatlich verordnete Arbeitslosigkeit und staatliche Integrationsverhinderung“ bringe das Budget, konstatierte Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Liste Pilz) - mit Blick auf die Kürzungen für das Arbeitsmarktservice (AMS) und die Abschaffung des Integrationsjahres. Die Regierung streiche Mittel genau für jene Menschen, die dringend Unterstützung bräuchten - Junge mit geringerer Qualifikation, ältere Arbeitslose und Flüchtlinge.
Sozialministerin Hartinger-Klein wollte die Oppositionskritik nicht auf sich sitzen lassen: „Ich habe bei allem, was ich als Ministerin vornehme, das Wohl der Bürger klar vor Augen“, versicherte sie, dass es „zu keiner Verschlechterung der Leistungen kommen wird für Menschen, die dafür einzahlen über die Steuern und die Sozialversicherung“. Aber es gelte, durch Effizienzverbesserung zusätzliche Mittel freizumachen. Für Arbeitslose gebe es 2018/19 pro Kopf mehr Mittel als bisher - auch weil die aus ihrer Sicht „zutiefst ungerechte“ „Aktion 20.000“, von der wenige Menschen übermäßig profitiert hätten, gestrichen wurde.
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