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Wahltermin früher als erwartet

In der Türkei gibt es überraschend Neuwahlen: Wie Präsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch ankündigte, werden die eigentlich für November 2019 angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf den 24. Juni vorgezogen. Die Opposition wurde von der Entscheidung überrumpelt. Zwar hatten viele mit vorgezogenen Wahlen gerechnet, mit einem so frühen Termin aber die Wenigsten.

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Laut Erdogan fiel sein Entschluss am Mittwoch bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der nationalistischen MHP, Devlet Bahceli. Erdogans Verbündeter hatte am Vortag überraschend Neuwahlen gefordert. Als Termin wurde zuerst der 26. August genannt, doch nun soll bereits im Juni gewählt werden. Mit der MHP will Erdogan ein Wahlbündnis schließen. Das soll den Nationalisten den Sprung über die Zehnprozenthürde erlauben und Erdogan einen Sieg in der ersten Runde der Präsidentenwahl sichern.

Der türkische Präsident Präsident Recep Tayyip Erdogan

APA/AP/Türkische Präsidentschaft/Yasin Bulbul

Präsident Erdogan kündigte am Mittwoch an, die Wahl um fast eineinhalb Jahre auf Juni 2018 vorzuziehen

Die Oppositionsparteien konnten bisher nur zusehen. Ihnen bleiben nun nur wenige Wochen, um sich für die Abstimmung in Position zu bringen. Denn noch ist unklar, wer für die Opposition ins Rennen gegen Erdogan geht. Auch ist offen, ob sich die Oppositionsparteien zu einem Wahlbündnis zusammenschließen. Die linksnationalistische CHP führte dazu in den vergangenen Wochen Gespräche mit der neu gegründeten Iyi-Partei der MHP-Dissidentin Meral Aksener und der islamisch-konservativen Saadet-Partei.

Opposition zeigt sich kämpferisch

Zumindest kämpferisch zeigte sich CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu. „2018 wird das Jahr der Demokratie. Wir sind bereit, wir werden siegen“, sagte er, kurz nachdem Erdogan seinen Wunsch nach vorgezogenen Neuwahlen präsentierte. Ein CHP-Sprecher ergänzte: „Wir werden das Einmannregime abschütteln.“ Auch die Vorsitzende der prokurdischen HDP, Pervin Buldan, erklärte, ihre Partei werde so erfolgreich sein wie bei der Wahl im Juni 2015, als sie erstmals ins Parlament einzog.

Vorgezogene Wahlen in der Türkei

Staatspräsident Erdogan kündigte vorgezogene Neuwahlen an. Eigentlich sollte erst im November 2019 gewählt werden - Erdogan will einen Termin im Juni.

Es war schon seit Monaten spekuliert worden, dass Erdogan die Wahlen vorziehen könnte, um einer Eintrübung der Wirtschaft zuvorzukommen. Die Wirtschaft wuchs zwar im Jahr 2017 um 7,4 Prozent, doch verharren die Inflation und die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau, während die türkische Lira seit Monaten fällt und allein im März acht Prozent ihres Wertes verlor. Experten warnen vor einer Überhitzung der Wirtschaft durch eine durch günstige Kredite zu hohe Produktion, die in eine Rezession führen könnte.

Der Türkei-Experte Fadi Hakura vom Politikinstitut Chatham House sagte, die Ankündigung vorgezogener Neuwahlen sei „ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke“. Offenbar sei die AKP wegen des sich verschlechternden Wirtschaftsklimas „in Panik“. Allerdings dürfte eine kürzlich beschlossene Änderung des Wahlgesetzes die Opposition benachteiligen, sagte er.

Wechsel auf Präsidialsystem

Mit den Wahlen wird außerdem das Präsidialsystem in Kraft treten, das bei einem umstrittenen Volksentscheid vor einem Jahr mit knapper Mehrheit gebilligt worden war. In dem neuen System werden die Befugnisse des Präsidenten deutlich ausgeweitet, während das Amt des Ministerpräsidenten abgeschafft wird.

Auch darauf ging Erdogan am Mittwoch ein. Die Türkei werde trotz des Volksentscheids für das Präsidialsystem noch immer gemäß dem alten System regiert. Die Unzulänglichkeit des alten Systems sei aber bei jedem Schritt sichtbar, erklärte der Präsident. Wegen des türkischen Militäreinsatzes in Syrien sowie der „historischen Entwicklungen in Syrien und dem Irak“ sei es für die Türkei notwendig, „so schnell wie möglich die Ungewissheiten“ zu überwinden. Kritiker warnen vor einer Einmannherrschaft und fürchten die Schwächung der Demokratie.

Wahlen im Ausnahmezustand

Unterdessen wurde just an dem Tag, an dem Erdogan Neuwahlen ankündigte, der Ausnahmezustand in der Türkei zum siebenten Mal um drei Monate verlängert. Das von Erdogans AKP dominierte Parlament in Ankara stimmte zu, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Somit werden die Wahlen unter dem Ausnahmezustand stattfinden, der auch zentrale Bürgerrechte einschränkt.

Erdogan hatte die Maßnahme nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 verhängt. Er kann seitdem weitgehend per Dekret regieren. Diese Dekrete sind nicht vor dem Verfassungsgericht anfechtbar. Die türkische Führung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch verantwortlich. Der Ausnahmezustand wird von der Opposition, Menschenrechtlern und der EU kritisiert.

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