Die ewige Revolution
Auf Kuba ist ein Generationswechsel eingeläutet worden: Das Parlament wählte mit Miguel Mario Diaz-Canel Bermudez einen neuen Staatsratsvorsitzenden, nachdem Raul Castro bereits im Vorjahr seinen Rücktritt angekündigt hatte. Castro hatte 2006 die Amtsgeschäfte von seinem erkrankten Bruder Fidel übernommen. Inzwischen baute er sich den Nachfolger auf, der verspricht, dass die Revolution weitergehen soll.
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Diaz-Canel fungierte schon in den vergangenen Jahren als Castros rechte Hand und Vizepräsident. Mit seiner Wahl steht fortan erstmals kein Castro an der Spitze des Karibik-Staats seit fast 60 Jahren. Fidel Castro hatte 1959 Präsident Fulgencio Batista in die Flucht geschlagen und die Revolution verkündet. Sein jüngerer Bruder Raul war als Guerillero von Beginn an dabei und diente mehr als 40 Jahre als Verteidigungsminister und Armeechef. Nun wird der 86-Jährige abgelöst - allerdings nicht als Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Parteichef will er bis zum Parteitag 2021 bleiben.
Machtausübung unter Aufsicht
Diaz-Canel dürfte in Zukunft also unter Castros Aufsicht regieren. Er gilt schon lange als Castros Wunschnachfolger. „Der Genosse Diaz-Canel ist kein Emporkömmling und keine Notlösung“, so Castro. „Er hat seine ideologische Standfestigkeit bewiesen.“ Der bald 58-Jährige erarbeitete sich den Aufstieg kontinuierlich. Vom kommunistischen Jugendverband ging es weiter ins Politbüro der Kommunistischen Partei. Später wurde er Minister für Hochschulbildung und Vizepräsident.

Reuters/Alexandre Meneghini
In Kuba erlebte der Tourismus einen Boom. Unter Präsident Donald Trump sollen die Lockerungen wieder zurückgefahren werden.
„Sozialismus oder Tod“
Große Umwälzungen sind unwahrscheinlich. Castros Reformpolitik dürfte fortgesetzt werden, ohne den kommunistischen Kurs zu verlassen. „Ich übernehme die Verantwortung in der Überzeugung, dass alle kubanischen Revolutionäre treu dem Beispiel von Fidel und dem Mut von Raul Castro folgen werden“, sagte der neue Staatschef am Donnerstag in seiner Antrittsrede.
„Kuba verhandelt nicht über seine Prinzipien und beugt sich nicht angesichts von Druck und Drohungen. Diese Revolution setzt die Perfektionierung des Sozialismus fort“, sagte Diaz-Canel vor den Abgeordneten. „Wir setzen auf die Kraft, Intelligenz und Weisheit des Volkes. Vaterland oder Tod. Sozialismus oder Tod. Wir werden siegen!“
Kuba ohne Castro
Zum ersten Mal seit fast 60 Jahren steht an der Spitze Kubas ein Mann, dessen Name nicht Castro lautet.
Öffnung Kubas
Castro führte bisher einige Marktreformen durch: Kubanern wurden das Reisen und der Erwerb von Immobilien erleichtert, der Zugang zum Internet wurde vorangetrieben. Zwischen 2013 und 2016 gelang es, die Staatsschulden mit den Gläubigern neu zu verhandeln und 23 Milliarden Dollar an Zahlungsrückständen zu begleichen.
Außenpolitisch startete er eine Politik der Entspannung mit den USA: Unter dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama wurde eine historische Annäherung vollbracht. 2015 nahmen beide Länder wieder offizielle diplomatische Beziehungen auf, und im März des folgenden Jahres empfing Castro Obama in Havanna.
Reformen stocken
Das Tauwetter löste einen Reiseboom aus: Auch Airbnb wurde erlaubt, in Kuba Geschäfte zu machen. Seit den Reiseerleichterungen der Obama-Zeit verdreifachte sich die Zahl der US-Urlauber. 2017 erwies sich mit insgesamt fast fünf Millionen Besuchern als Rekordjahr.
Sowohl wirtschaftlich als auch außenpolitisch stocken die Reformen allerdings nun, manche Fort- wurden gar wieder zu Rückschritten oder kamen nicht in der breiten Masse an. Neue Regulierungen, von denen die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, betreffen etwa Kleinunternehmer, deren Geschäftslizenzen limitiert wurden. Mehr als zwei Drittel der Kubaner arbeiten im staatlichen Sektor und verdienen rund 30 US-Dollar (24 Euro) im Monat. Einen wenig ausreichenden Ausgleich gibt es durch Gratisschulbildung, Gesundheitsbehandlungen, Wohn- und Nahrungszuschüsse. Der Nutzen der Reformen kommt hauptsächlich dem kleinen Privatsektor zugute. Heute sind rund 580.000 Kubaner - zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung - selbstständige Unternehmer. Das Ziel, innerhalb von fünf Jahren eine Million Staatsangestellte in die Selbstständigkeit zu bringen, verfehlte die Regierung.
Ankündigungen nicht umgesetzt
Die Wirtschaft wuchs in den vergangenen Jahren etwa 2,4 Prozent im Schnitt, laut kubanischer Regierung wären sieben nötig, um das Land wirtschaftlich weiterzubringen. Ein Bremsklotz in der Entwicklung ist auch die Doppelwährung in Kuba, wo nach wie vor mit dem Peso Cubano (CUP) inländische Waren und Dienstleistungen bezahlt werden, mit dem Peso Convertible (CUC) hingegen Importwaren. Castro hatte die Rückkehr zu einer einzigen Währung zwar angekündigt, aber nicht umgesetzt.

AP/Ramon Espinosa
CUP und CUC: Zwei Währungen in Kuba
Auch die Landwirtschaft harrt weiterer Reformen: Zwar wurden mehr als eine Million Hektar an ungebrauchtem Land verteilt und Bauern mit Mikrokrediten unterstützt. Doch diese sind weiter stark abhängig vom Staat, der ihnen Gerätschaften zuteilt. Kuba importiert zudem bis zu 70 Prozent der Nahrungsmittel, die es braucht. Außenpolitisch versetzte Obamas Nachfolger Donald Trump der Annäherung einen Dämpfer, indem er die Rücknahme von Lockerungen bei den Reise- und Handelsbeschränkungen ankündigte.
Diaz-Canel will „Kontinuität“
Diaz-Canel sieht sich als neuer Präsident also nicht nur mit den stagnierenden wirtschaftlichen Fortschritten konfrontiert, sondern auch mit der wieder aufgeflammten Feindschaft mit den USA. Einen Kurswechsel hat er selbst bereits ausgeschlossen: „Die kubanischen Präsidenten werden stets die Revolution verteidigen. Vor allem brauchen wir Kontinuität.“
Ernst Kernmayer (ORF) über die Machtablöse in Kuba
Mit dem Ende der Ära Castro werde sich an der politischen Ausrichtung Kubas nicht sehr viel ändern, der neue Präsident wolle die Revolution fortsetzen, berichtet Ernst Kernmayer (ORF) aus Havanna.
Wie es der schwachen Opposition in Kuba unter Diaz-Canel ergehen wird, bleibt abzuwarten. Vergangenes Jahr tauchte ein Video eines privaten Treffens mit KP-Mitgliedern auf, in dem er gegen Regierungskritiker und die USA austeilte. Weitere Standpunkte sind kaum bekannt. „Die jüngere Generation hat keine Form des Sozialismus kennengelernt, die funktioniert“, so der ehemalige kubanische Diplomat Carlos Alzugaray gegenüber dem Magazin „Foreign Policy“. „Diaz-Canel wird an seiner Leistung zu messen sein. Und die Menschen werden fragen: ‚Wo ist der blühende und nachhaltige Sozialismus, der uns in den vergangenen Jahren versprochen wurde?‘ Denn stattgefunden hat er nicht“, so Alzugaray.
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