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Arbeitszeit im Fokus

Der Leitantrag des ÖGB für seinen Bundeskongress im Juni liest sich wie eine Art Gegenentwurf zum Regierungsprogramm. In etlichen Punkten wendet sich das vom Bundesvorstand abgesegnete Papier gegen Vorhaben der Regierung. Das beginnt beim Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung, geht über das Verlangen nach Vermögenssteuern bis zu einer Öffnung des Lehrstellenmarkts für Asylwerber.

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Betitelt ist das gut 120 Seiten starke Papier, das beim Kongress, der auch die Wahl des neuen ÖGB-Chefs Wolfgang Katzian bringt, von 12. bis 14. Juni debattiert und beschlossen werden soll, mit „Faire Arbeit 4.0“. Das legt schon nahe, dass sich der Gewerkschaftsbund verstärkt den Auswirkungen der Digitalisierung widmen will.

Keine „Maschinenstürmer“-Stimmung

Wie der scheidende Präsident Erich Foglar zuletzt ausführte, ist es jedoch nicht so, dass der ÖGB hier eine „Maschinenstürmer“-Stimmung verbreiten wolle. Ganz im Gegenteil sieht der Gewerkschaftschef in der Digitalisierung „enorme Wachstumschancen“, freilich auch enorme Gefahren. Daher seien die Rahmenbedingungen so zu definieren, dass der mögliche gesellschaftspolitische Fortschritt auch allen zugute komme.

Als eine der zentralen Zukunftsfragen sieht der ÖGB die Arbeitszeit. Eine Flexibilisierung werde hier nötig sein, gesteht Foglar zu, aber eben auch eine Reduktion. Als Optionen nennt der Leitantrag das leichtere Erreichen der sechsten Urlaubswoche und das Nachholen von Feiertagen, die auf das Wochenende fallen. Auf die Altersteilzeit soll es einen Rechtsanspruch geben, gleiches beim Papamonat, und das mit vollem Lohnausgleich. Für Überstunden sollen die Arbeitgeber einen Euro zahlen, wobei das Geld an das AMS und ins Gesundheitssystem gehen soll.

„Aktion 20.000“ soll wiederbelebt werden

Die von der Regierung sistierte „Aktion 20.000“ zur Beschäftigung älterer Arbeitsloser will die Gewerkschaft wiederbeleben. Für Foglar gibt es dafür einen ganz simplen Grund. Ernstzunehmende Studien hätten gezeigt, dass die Digitalisierung durch den geringeren Bedarf an Arbeitskräften sinnstiftende Betätigungen notwendig machen werde. Mit der „Aktion 20.000“ hätte man testen können, wo in diesem Bereich sinnvoll angesetzt werden könnte.

Auch anderen Regierungsvorhaben stemmt sich der ÖGB entgegen, etwa der Abschaffung der Notstandshilfe, einer Reduktion der Mittel für die Kammern, Studiengebühren und einer Abschaffung der Unfallversicherungsanstalt AUVA. Die Mindestsicherung will zwar auch die Gewerkschaft bundeseinheitlich geregelt sehen, das aber ohne Deckel und ohne Einschränkungen für Asylberechtigte.

Über Kollektivverträge will die Gewerkschaft einen Mindestlohn von 1.700 Euro erreichen. Freie Dienstnehmer mit arbeitnehmerähnlichen Beschäftigungsverhältnissen sollen in Kollektivverträge aufgenommen werden.

Bildung: „Nur wischen können wird zu wenig sein“

Was die Bildung angeht, will der ÖGB die Schüler fit für die Digitalisierung machen, was derzeit noch nicht ausreichend der Fall sei. „Nur wischen können wird zu wenig sein“, mahnt Foglar. Ferner spricht sich der Leitantrag dafür aus, eine gemeinsame Schule zu etablieren, ebenso die verschränkte Ganztagsschule flächendeckend auszubauen.

In diesen beiden Punkten besteht freilich auch keine Einigkeit in der Organisation, lehnen die Christgewerkschafter diese Forderung doch ab. Gleiches gilt für den Wunsch nach Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer. Das hier eingenommene Geld soll nach Vorstellung des ÖGB zur nachhaltigen Pflegefinanzierung herangezogen werden.

Offener Lehrstellenmarkt für Asylwerber

Wenig Freude wird die Regierung damit haben, dass der ÖGB chancenreichen Asylwerbern den gesamten Lehrstellenmarkt öffnen will. Zudem kommt neuerlich die Forderung danach, Asylsuchenden, die ein halbes Jahr im Land sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Viel eher den Geschmack des Kabinetts Kurz treffen dürfte der Gewerkschaftsbund damit, dass man „als letztes Mittel“ Einschränkungen der Freizügigkeit auf dem EU-Arbeitsmarkt für möglich erachtet.

Neue Wege geht der ÖGB, was die Endfassung des Antrags angeht. Dieser soll beim Kongress noch digital verändert werden können, sollten entsprechende Wünsche geäußert werden. Mitdiskutieren ist erwünscht. Es wird eine eigene App für den Kongress geben, auch in diversen Sozialen Netzwerken lädt man zur Debatte ein, wie der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, ausführte. Zudem ist die Veranstaltung offen, Interessierte können also dem Kongress im Wiener Austria Center beiwohnen.

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