„Redet vorher mit uns“
Pflegeregress, Deutschförderklassen, Steuerentfall: Die Bundesländer appellieren geschlossen an die Regierung, jene Mehrkosten abzudecken, die sie mit ihren Beschlüssen erzeugt. Bis zum Sommer müsse eine Lösung her, ansonsten werde man sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) wenden.
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100 Millionen Euro hat Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) für die Finanzierung des Pflegeregresses budgetiert. Für die Bundesländer und Gemeinden ist diese Summe nicht hinnehmbar, sie rechnen - nicht zuletzt durch die erwartete stärkere Nachfrage nach Pflegeplätzen - mit Mehrkosten von bis zu 650 Millionen Euro in diesem Jahr, bis zu 890 Millionen Euro könnten es 2019 sein.
Am Donnerstag erneuerten die Landesfinanzreferenten bei einem Treffen in Wien ihre Forderung nach mehr Geld vom Bund. Einstimmig wurde an die Regierung appelliert, den Ländern die durch den Wegfall des Regresses entstehenden Mehrkosten und Einnahmenverluste abzudecken. Einzig Kärnten war aufgrund der Konstituierenden Sitzung des neuen Landtags nicht vertreten.

APA/Robert Jaeger
Fühlen sich in vielen Fragen vom Bund überrumpelt: Stöckl, Brauner, Doskozil
Allein in Wien müssen für heuer 111 Millionen Euro nachdotiert werden, Niederösterreich rechnet mit Mehrkosten von 94 bis 107 Millionen Euro. Das Land Tirol beschäftigt den Verfassungsgerichtshof mit dem Thema. Damit soll für die Betroffenen und das Land jene Rechtssicherheit geschaffen werden, zu der der Bund bisher nicht in der Lage gewesen sei, hieß es am Mittwoch.
Gang vor VfGH als „letzter Weg“
Als „letzten Weg“ hält sich auch Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) den Gang vor den VfGH offen, wie sie nach der Sitzung am Donnerstag sagte. Infrage käme auch die Auslösung des Konsultationsmechanismus, sollte bis Ende Juni keine Einigung erzielt werden. Die entsprechende 15a-Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sieht eine wechselseitige Kostenersatzpflicht der Gebietskörperschaften vor, wenn eine Gebietskörperschaft der anderen ohne Einigung zusätzliche Kosten verursacht. Wird innerhalb von 18 Monaten ab Kundmachung keine Einigung erzielt, entscheidet im Streitfall der Verfassungsgerichtshof.
Die Mehrkosten, sagte Brauner, seien „durch Regelungen des Bundes hervorgerufen worden, deshalb verhandeln wir auch, dass sie abgegolten werden“. Man habe eigentlich erwartet, dass - nachdem man dem Bund die Zahlen zu den zu erwartenden Mehrkosten übermittelt habe - der Bund an die Ländervertreter herantrete. „Wir haben die Zahlen alle auf den Tisch gelegt, haben erwartet, zu Gesprächen eingeladen zu werden“, so Brauner. Das sei jedoch nicht geschehen.
Budgetforderungen der Länder
Am Donnerstag erneuerten die Landesfinanzreferenten ihre Forderung nach mehr Geld vom Bund. Jene Kosten, die die Regierung mit ihren Beschlüssen erzeugt, sollen abgedeckt werden.
„Schulklassen kann man nicht herbeizwinkern“
Der Pflegebereich ist nicht der einzige, in dem die Länder einen Ersatz der Mehrkosten vom Bund fordern. So sei im Bereich der Kinderbetreuung die Finanzierung teilweise ungewiss. Brauner pochte auch darauf, dass die Zusatzausgaben für die geplanten Deutschförderklassen vom Bund gestemmt werden. „Unabhängig von der inhaltlichen Einschätzung“ sei man sich einig, dass das beträchtliche Mehrkosten zur Folge haben werde. Österreichweit müssten 30.000 Kinder in die Sonderklassen überführt werden. Das bis zum September umsetzen, sei schlicht nicht möglich, sagte Brauner. „Da müssten wir die ‚Bezaubernde Jeannie‘ sein. Aber Schulklassen kann man nicht herbeizwinkern.“
Den durch neue Maßnahmen des Bundes zu erwartenden Einnahmeentfall durch sinkende Ertragsanteile thematisierte Salzburgs Finanzlandesrat Christian Stöckl (ÖVP). Verursacht werde das durch die Senkung der Umsatzsteuer in der Hotellerie von 13 auf 10 Prozent und den geplanten „Familienbonus“ (Steuergutschrift von 1.500 Euro pro Kind und Jahr ab 2019) der Regierung. „Wir sprechen uns nicht gegen den Inhalt aus, aber über die Finanzierung müssen wir sprechen. Das reißt in den Länderbudgets entsprechende Löcher“, so Stöckl. Auch hier müsse man das Finanzausgleichsgesetz einhalten.
Für Reformen, gegen Einseitigkeit
Hinsichtlich der Debatte um die Einsparungen im Bereich der Sozialversicherungen und einer möglichen Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) sagte der Finanzreferent, die Länder würden „sehr für Reformen“ eintreten. „Aber auch da müssen wir uns einfach dagegen aussprechen, dass es zu einer einseitigen Mittelverschiebung kommt.“
Brauner: „Minister spricht nicht mit uns“
Brauner spricht in der ZIB2 stellvertretend für alle Bundesländer über deren Forderungen an den Bund und über die Kommunikation mit Löger.
Burgenlands Finanzreferent Hans Peter Doskozil (SPÖ) merkte an, es gehe nicht ausschließlich um die Finanzierung. Etwa im Pflegebereich müsse man auch darüber debattieren, wie man die Betreuung künftig inhaltlich gestaltet. Wenn nun der Andrang auf die Pflegeheime aufgrund des Regressendes steige, werde es nicht möglich sein, „für alle Menschen ab Pflegestufe vier massenhaft Pflegeheime zu bauen. Das werden wir uns nicht leisten können.“
Einhelligen Unmut zeigten die Finanzchefs der Länder über die Vorgangsweise des Bundes, inhaltliche Vorgaben zu machen, dabei aber die Frage der Finanzierung offenzulassen. Die Länder seien sehr wohl reformwillig, würden allerdings auf Mitsprache beharren. Brauners dringlicher Appell: „Redet vorher mit uns!“
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