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Angst der Länder vor Mehrkosten

Mit dem Treffen der Finanzlandesreferenten am Donnerstag ist der Disput über den Wegfall des Pflegeregresses in die nächste Runde gegangen. Die Länder wollen ihr Vorgehen gegenüber dem Bund weiter abstimmen und ihren Forderungen nach einem Kostenersatz Nachdruck verleihen. Auch abseits des Pflegethemas tun sich Konflikte auf.

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Besonders laut schallte die Kritik - wenig überraschend - in den vergangenen Monaten aus Wien: kaum ein Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, zu dem die rot-grüne Wiener Landesregierung keine kritische Anmerkung hatte. Zuletzt zerpflückte diese Woche Bürgermeister Michael Häupl gemeinsam mit seinem Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (beide SPÖ) die von der Regierung geplanten Deutschklassen. Sinnlos und undurchführbar sei das Gesetz, hieß es bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Kritik nicht nur aus Wien

Im Hinblick auf die Deutschklassen blieben die Bedenken aber nicht auf die Wiener Landesregierung beschränkt. Auch der ÖVP-geführte Tiroler Landesschulrat äußerte sich im Zuge der Gesetzesbegutachtung kritisch. In ihrer Stellungnahme bemängelte die Schulbehörde sowohl die Segregation der Schüler als auch die Einschränkung der Schulautonomie.

Zwar ruderte Landesschulratspräsidentin Beate Palfrader (ÖVP) am Mittwoch etwas zurück, und erklärte, die Maßnahme sei grundsätzlich zu begrüßen. Aber: „In welchem Maße das Vorhaben erfolgreich sein kann, wird nicht zuletzt von den gesetzlichen Vorgaben und der konkreten Ausgestaltung sowie insbesondere den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängen“, so Palfrader.

Finanzielle Bedenken

Das erinnerte wiederum an Wortmeldungen aus anderen Bundesländern. Es sei mit einem „massiven Personalmehraufwand für das Land Niederösterreich zu rechnen, dessen Kosten in der Folge dem Land nicht ersetzt werden“, schrieb die niederösterreichische Landesregierung. Am Donnerstag sagte auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), dass sein Bundesland nicht bereit sei, die Kosten für die Deutschklassen zu tragen. Kärnten löste wie zuvor bereits Wien den Konsultationsmechanismus aus - sprich: Die Mehrkosten sollen dem Bund abverlangt werden.

Die gleiche Forderung kam am Donnerstag aus Oberösterreich. Im Land gehe man von einem zusätzlichen Personalaufwand von knapp 200 Dienstposten und acht Mio. Euro Mehrkosten aus, so Landeshauptmann Thomas Stelzer und Bildungslandesrätin Christine Haberlander (beide ÖVP) am Donnerstag in einer Aussendung. Stelzer: „Da geht es ja nicht um Peanuts.“

Forderungen an den Bund

Tatsächlich geht es zumeist ums Geld, wenn die Länder gegen Pläne aus dem Bund aufbegehren. Das gilt auch für jenes Thema, das am Donnerstag beim Treffen der Finanzchefs der Länder im Mittelpunkt stand. Durch die Abschaffung des Pflegeregresses - beschlossen noch unter der vergangenen SPÖ-ÖVP-Regierung - entstehen den Ländern Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe; Geld, das sie vom Bund zurückfordern. Sollte es bis Ende Juni zu keiner Einigung kommen, werde man den Konsultationsmechanismus auslösen, hieß es nach der Sitzung am Donnerstag.

Bundesregierung und Landeshauptleute sind sich uneins, wie hoch die Ausgleichszahlungen ausfallen sollen. 100 Mio. Euro hat Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) im Budget dafür eingepreist. Viel zu wenig, heißt es dazu aus den Landeshauptstädten. Laut Berechnungen der Länder entgehen ihnen heuer 532 bis 654 Mio. Euro. Für 2019 rechnen sie sogar mit Mehrkosten von bis zu 890 Mio. Euro. Die vom Bund zugesicherten 100 Mio. Euro sollten nur eine „Soforthilfe“ sein, sagte Tirols Landeschef Günther Platter am Dienstag. Darüber hinaus erwarte er sich die „Schadloshaltung“ der Länder, so der Landeshauptmann.

Tirols Gang vor den VfGH

Am Mittwoch bestätigte die Tiroler Landesregierung überdies den Gang vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) - wegen Rechtsunklarheiten rund um die Abschaffung des Pflegeregresses. Wenngleich es dabei nicht um den Kostenersatz durch den Bund geht, sondern darum, ob die Länder Ratenzahlungen, die vor dem 1. Jänner 2018 vereinbart wurden, einfordern dürfen. Aber auch in der Streitfrage, wie viel Geld der Bund den Ländern erstatten muss, war aus den Ländern bereits mit dem VfGH gedroht worden - unter anderem vom Voralberger Landeschef Markus Wallner (ÖVP).

In den vergangenen Monaten waren es gerade auch die beiden ÖVP-geführten westlichsten Bundesländer, die gegenüber der Bundesregierung ihre Position mit Nachdruck vertraten. Bei Platter ging es dabei wohl auch um die Landtagswahl, die er im Februar schlagen musste. Wallner muss sich seiner Wiederwahl aber erst im Herbst 2019 stellen.

Geld für mehr Kindergartenplätze

Erst diese Woche meldete sich die Vorarlberger Landesregierung bezüglich Geld für den Kinderbetreuungsausbau zu Wort. Heuer bekommen die Länder für die Schaffung von Kindergartenplätzen vom Bund noch 52,5 Mio. Euro. Im Bundesbudget für 2019 sind dafür aber keine Mittel ausgewiesen.

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) versicherte, dass der Bund sich weiter an den Kosten beteiligen werde und kündigte in Kürze Verhandlungen an. Vorarlbergs Landeshauptmann machte aber bereits vorsorglich Druck: „Dass der Bund die Finanzierung ohne jede Verhandlung stoppt, geht nicht“, zitierten die „Vorarlberger Nachrichten“ Wallner.

Nächster Konflikt kündigt sich an

Die Tatsache, dass immerhin sechs der neun Landeshauptleute zurzeit von der ÖVP gestellt werden, ist für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kein Garant dafür, dass von dort kein Widerspruch kommt. Das ist freilich kein Novum dieser Regierung. Dass die Länder ihre eigenen Interessen vehement verteidigen, gehört zu föderalen Dynamik Österreichs.

Pflegeregresskonferenz in Wien

Nach der Abschaffung des Pflegeregresses geht es erneut um die Frage, wer die Pflegekosten übernehmen muss. Die Finanzreferenten der Bundesländer kommen dazu in Wien zusammmen.

Die kommenden Monate dürften an Konflikten nicht arm werden. So zeichnen sich bei der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger bereits harte Debatten mit den Landeshauptleuten ab. Dabei wird es vor allem um die Zukunft der unter Länderhoheit stehenden Gebietskrankenkassen gehen - aber womöglich nicht nur.

Auch die zuletzt wieder virulent gewordene mögliche Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) wird die Länder kaum unberührt lassen. Sollten etwa die bisher von der AUVA geführten Unfallkrankenhäuser tatsächlich eine neue Trägerschaft bekommen, könnten die Länder zum Handkuss kommen. Dass sich die Landeshauptleute auch widerstandslos die zusätzlichen Kosten umhängen lassen, darf aber bezweifelt werden.

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