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Zukunft „in Sozialversicherungsfamilie“

Die Diskussion über eine Zerschlagung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) hat am Dienstag wieder Fahrt aufgenommen. In mehreren Bundesländern kam es zu Potestaktionen, Kritik an der „konzeptlosen“ Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) setzte es auch von SPÖ und NEOS.

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Bei einer Betriebsversammlung im Wiener Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus protestierten Mitarbeiter und Gewerkschaft gegen Hartinger-Klein, die „Ministerin für Krankheit und Asoziales“ genannt wurde. An die 300 Mitarbeiter des UKH versammelten sich vor dem Gebäude, um ihren Unmut gegen die Regierung kundzutun. Betriebsrat Manfred Rabensteiner sagte, dass kein Patient während der Betriebsversammlung nach Hause geschickt werde. Die Maßnahme sei aber notwendig, da die Ministerin mit ihren Aussagen zu Einsparungen in der AUVA „die rote Linie übertreten“ habe.

Betriebsversammlung und Flugblattaktion der AUVA vor dem Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus in Wien

APA/Herbert Pfarrhofer

Als „Ministerin für Krankheit und Asoziales“ wurde Hartinger-Klein bei den Protesten in Wien bezeichnet

Häupl: „Zerstörung funktionierender Systeme“

Der scheidende Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) drückte seine Solidarität mit den Mitarbeitern der AUVA aus und warnte vor Mehrkosten für die Länder. Bei den Plänen für die AUVA handle es sich um eine weitere Maßnahme der Bundesregierung, die auf „Zerstörung bestehender funktionierender Systeme“ hinauslaufe. Die Einrichtungen der AUVA seien ein wesentlicher Bestandteil des Gesundheitsversorgungssystems in Wien und Österreich, sagte Häupl. Einsparungen in der Höhe von 500 Millionen Euro würden bedeuten, dass Spitäler und Rehabilitationszentren schließen müssten.

„Und das läuft am Ende des Tages natürlich darauf hinaus, dass das andere Spitalserhalter übernehmen. Wer sind denn die anderen Spitalserhalter? Im Wesentlichen die österreichischen Bundesländer. Das ist wiederum eine Verlagerung der Finanzierung vom Bund auf die Länder“, kritisierte er. Zu Protesten kam es am Dienstag auch in anderen Bundesländern: Vor dem Klagenfurter Unfallkrankenhaus wurden Unterschriften gegen die vom Bund geforderten Einsparungsmaßnahmen gesammelt. Betriebsrat und Gewerkschaft kündigten an, beim Protest bis zum Äußerten gehen zu wollen - mehr dazu in kaernten.ORF.at.

„Diese Bundesregierung gefährdet Ihre Gesundheit“

In den steirischen Einrichtungen der AUVA in Graz, Kalwang und Tobelbad fanden Protestaktionen statt. Vor dem Grazer UKH etwa wurden Flugblätter verteilt, auf denen „Vorsicht! Diese Bundesregierung gefährdet Ihre Gesundheit“ in Form der Warnhinweise auf Zigarettenschachteln zu lesen war - mehr dazu in steiermark.ORF.at. Tirols schwarzer Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl (AAB-FCG) warnte: „Sollte die AUVA aufgelöst und die neun Gebietskrankenkassen zentralisiert werden, ist die Schmerzgrenze überschritten“ - mehr dazu in tirol.ORF.at.

Grafik zur AUVA

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/AUVA

NEOS: „So sollte sie nicht weitermachen“

Neue Kritik an den Regierungsplänen kam am Dienstag auch von der Opposition. NEOS-Chef Matthias Strolz warf Hartinger-Klein vor, eine „konzeptlose Überschriftenpolitik“ zu betrieben. Die Auflösung der AUVA in den Raum zu stellen, ohne einen Plan für eine Folgeregelung zu präsentieren, wertete er als verantwortungslos und skurril. Warum Hartinger-Klein nach der Nichtraucherdebatte wieder so agiere, verstehe er nicht: „Aber so sollte sie nicht weitermachen, im Sinne der Gesundheit und der Menschen in diesem Land.“

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker sagte, die AUVA habe ein Finanzvermögen von rund 500 Millionen Euro und Rücklagen im Umfang von 1,1 Milliarde Euro angehäuft. Genau dieses Geld wolle Hartinger-Klein zu den finanzschwachen Krankenkassen transferieren, um sich in der laufenden Legislaturperiode eine echte Systemreform zu ersparen.

Wie diese aussehen könnte, habe sich NEOS überlegt: Man sei für eine Versicherungspflicht, wodurch sich die Firmen (ähnlich wie bei der betrieblichen Mitarbeitervorsorge) eine Arbeitsunfallversicherung aussuchen könnten. Der Versicherungsschutz für alle würde aufrecht bleiben, aber um gut die Hälfte der Kosten, sagte Loacker. Die AUVA-Krankenhäuser will NEOS nicht auflösen, sie sollen aber an die Länder übergeben und damit besser in die örtliche Gesundheitsversorgung integriert werden.

Kern: „Umverteilung von unten nach oben“

SPÖ-Chef Christian Kern ließ am Dienstag wissen: „Wir lehnen die mutwillige Beschädigung der Unfallversicherung massiv ab und werden alles unternehmen, um Kürzungen im Gesundheitssystem zu verhindern.“ Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) wollen, dass die Unternehmen 500 Millionen Euro weniger für die Unfallversicherung zahlen, so Kern. Verkauft werde das als „Sparen im System“.

Die Verwaltung der AUVA, also das „System“, koste aber nur 90 Millionen. „Bei einer ambitionierten Reduktion der Verwaltungskosten von zehn Prozent bleiben immer noch 490 Millionen Kürzungen bei den Patienten“, rechnete der SPÖ-Chef vor. „Für die Patienten heißt das entweder weniger medizinische Leistung oder höhere Beiträge zahlen. Die Nutznießer sind vor allem die Großunternehmen, die sich Beiträge sparen. Das ist eine klassische schwarz-blaue Umverteilung von unten nach oben.“

Hartinger-Klein verteidigt Reformpläne

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) verteidigt im ZIB-Interview ihre Reformpläne. Sie wolle die AUVA-Belegschaft nicht verunsichern. Von ihren Plänen rückt sie nicht ab.

Hartinger-Klein gab in der ZIB um 13.00 Uhr eine Bestandsgarantie für die Unfallkrankenhäuser ab, ließ aber offen, mit welchem Betreiber. „Die Sozialversicherung wird generell umgestaltet, und hier wird es Möglichkeiten geben, dass die UKHs weiter in der Sozialversicherungsfamilie angesiedelt werden. Wo genau, ist in Diskussion“, sagte sie.

Hartinger-Klein: „Klar, dass ich angefeindet werde“

„Die Standorte werden alle garantiert, das ist kein Thema“, sagte sie. Dass dies nicht mehr unter der Ägide der AUVA geschehen solle, bestätigte sie. Sie wolle in der Sozialversicherung einen „Change-Management-Prozess“ einleiten, was eine große Herausforderung sei, sagte Hartinger-Klein: „Es ist mir klar, dass ich von den bestehenden Personen, die dort agieren, angefeindet werde. Da geht es ja letztendlich um ihre Pfründe, um ihre Macht, die sie da verlieren.“

Die großteils dienstgeberfinanzierte AUVA betreibt sieben Unfallkrankenhäuser mit insgesamt 918 Betten (inklusive 54 Intensivbehandlungsbetten): In Wien sind das die in einem Traumazentrum erfassten Krankenhäuser Lorenz Böhler und Meidling, dazu kommen Unfallspitäler in Graz, Linz, Salzburg, Klagenfurt und Kalwang in der Steiermark. In den AUVA-Unfallkrankenhäusern werden mittlerweile nur elf Prozent der Behandlungen durch Arbeitsunfälle verursacht, 89 Prozent hingegen durch Freizeitunfälle. Diese Querfinanzierung ist Hartinger-Klein ein Dorn im Auge.

Wöginger: „Wir schließen sicher keine Spitäler“

Von der ÖVP bekam die Ministerin am Dienstag Unterstützung. ÖVP-Klubobmann August Wöginger beharrte auf der Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Pläne. Auch bei der Krankenkassenzusammenlegung werde es keine Abstriche geben. Der Befürchtung, dass Unfallkrankenhäuser gesperrt werden könnten, trat auch er entgegen: „Wir schließen sicher keine Spitäler, keine Leistungen für die Patienten werden gekürzt, und die Angestellten müssen auch nicht um ihre Jobs fürchten.“ Es gehe um eine effizientere Verwaltung und darum, dass sich die AUVA auf ihrer Kernkompetenzen, die Behandlung von Arbeitsunfällen, konzentriere.

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