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Ende des Freizeitbaubooms im Burgenland

Wochenendhäuser sind ein Trend, der die Generation der urbanen Babyboomer geprägt hat. Doch Wohnen und Freizeit haben sich über die Jahre immer mehr verändert. Was die urbane Bevölkerung in den 1960er bis 1980er Jahren noch als erholsam empfunden hätte, wird von der Nachfolgegeneration häufig als lästige Pflicht wahrgenommen, bemerken Experten bereits seit Jahren.

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Bis in die 1980er gab es im Burgenland einen regelrechten Boom im Siedlungsbau für Freizeitnutzung. „Das war ein totaler Knaller der Parzellierung von Lebenswelten“, so Christian Vielhaber, Universitätsprofessor für Geografie und Regionalforschung an der Universität Wien gegenüber ORF.at.

Häuser der Inselwelt Jois im Burgenland

ORF.at

Ursprünglich war die Inselwelt Jois zur Freizeitnutzung gedacht, doch heute leben die meisten Bewohner das ganze Jahr über in der Siedlung

„Parzellierung an Lebenswelten“ bedeute, dass es einen Ort gab, um unter der Woche seinen „lästigen Pflichten“ nachzugehen, und einen weiteren Ort, um am Wochenende seine Freizeit zu verbringen. „Die Leute fühlten sich unter der Woche derartig erstarrt in ihrer Arbeitswelt, dass sie das starke Bedürfnis hatten, diese am Wochenende fluchtartig zu verlassen“, so Vielhaber. So habe es für erwerbstätige Städter bald zum guten Ton gehört, sich ein Freizeithäuschen anzuschaffen.

Aus Ackerland wurden Feriensiedlungen

Begonnen habe das meist damit, dass Bauern ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen auf Nachfrage zum Campen vermietet hätten. Beispiel sei die Reihersiedlung am Zicksee. Aus ein paar Zelten seien aber bald Wohnwägen geworden – und aus den Wohnwägen stationäre Wochenendhäuser. Ganz legal sei das freilich nicht gewesen, geduldet habe es die Gemeindepolitik trotzdem. Schließlich sei es um die touristische Aufwertung kleiner Kommunen gegangen, erklärt der Geograf. „Keiner hat etwas gesagt. Und welcher Bürgermeister will keine Aufwertung seiner Gemeinde?“

Doch ganz so einfach sei die Angelegenheit dann doch nicht gewesen, denn wo anfangs noch eine Klärgrube gereicht hatte, habe man mit zunehmendem Zuzug auch Abwasseranschlüsse und vieles weitere gebraucht, um das sich schlussendlich die Gemeinde zu kümmern hatte. Um nachträglich Probleme mit dem Gesetz zu vermeiden, hätten die Gemeinden Siedlungen wie jene am Zicksee dann legal gemacht und diese auch aktiv als „Freizeitsiedlung“ beworben. Doch die Bewohner hätten immer mehr ignoriert, dass sie sich eigentlich – trotz Abmachungen per Handschlag mit Ortsansässigen – an das übergeordnete, burgenländische Raumplanungsgesetz zu halten haben.

Dieses sieht vor, dass die im Flächenwidmungsplan als „touristisch“ ausgewiesenen Flächen auch nur als solche genutzt werden dürfen. Ein Ferienhaus unterscheidet sich von einem regulären Wohnsitz unter anderem darin, dass es nur „vorübergehend“ – etwa saisonal – genutzt werden darf. Und genau mit dieser vagen Formulierung seien auch die Grenzen zwischen Zweit- und Hauptwohnsitz immer mehr verschwommen. Bewohner hätten sich also häufig „illegal“ das ganze Jahr über in ihrem Ferienhaus aufgehalten, so Vielhaber. Besonders attraktiv werde diese Möglichkeit dann in der Pension. Viele würden sich die einstige Ferienresidenz als dauerhaften Alterswohnsitz herrichten.

Bauprojekte „ad absurdum“ geführt

Im Osten Österreichs - anders als im Westen - habe die Idee des Wochenendhauses zur reinen Freizeitnutzung also bald als überholt gegolten. Zudem sei der burgenländische Markt an Freizeithäusern nach gut 20 Jahren zur Genüge gedeckt gewesen. Immer öfter seien Investoren und Gemeinden auf ihren Bauprojekten sitzen geblieben, niemand habe mehr ein Haus rein zur Freizeitnutzung kaufen wollen. Als Beispiel, das „ad absurdum geführt wurde“, nennt Vielhaber die Inselwelt Jois unweit von Neusiedl am See.

Die Gemeinde war laut Vielhaber mit ihrer Idee der Inselwelt „viel zu spät dran“. Nachdem das Projekt, den See touristisch zu erschließen, aus finanziellen Gründen erst gestoppt wurde, sei die Entscheidung gefallen, die Inselwelt Jois aktiv auch als dauerhaften Wohnsitz zu vermarkten. Aus der Idee der Freizeitsiedlung sei so ein multifunktionaler Ort geworden, an dem es sich permanent wohnen, arbeiten und rasch nach Wien pendeln lasse.

Keine Lust mehr auf Rasenmähen und Putzen?

Denn die Zeiten und die Bedürfnisse in puncto Freizeitgestaltung hätten sich geändert, schreibt auch die Soziologin Christine Hannemann in ihren Publikationen für die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung (BPB). Die Generationen X, Y und Z hätten keine Lust mehr, sich um mehrere Haushalte gleichzeitig kümmern zu müssen. Rasenmähen, Putzen und die Instandhaltung eines Hauses seien etwas, das die urbane Jugend heutzutage noch viel mehr als „lästige Pflicht“ empfinden würde als ihren normalen Arbeitsalltag. „Zwar will die hedonistische, neue Jugend auch Freizeit, aber eben mit einem gewissen Wellness-Faktor. Freizeit soll angenehm und nicht mit Pflichten verbunden sein“, erklärt Vielhaber das Phänomen.

Lockende Angebote - nicht nur an einem Ort

Hinzu komme, dass junge Menschen sich in ihrer Freizeitgestaltung nicht mehr an einen Ort binden lassen wollen. Offen bleibe deshalb auch, was mit den Hunderten an Häusern passieren soll, die irgendwann einmal geerbt würden. Billigflugangebote und moderne Formen der Kurzzeitmiete auf der ganzen Welt (Stichwort: Airbnb) würden nämlich die Flexibilität im Freizeitverhalten enorm erleichtern - im Gegensatz zu einem stationären Ferienhaus. So lasse sich unkompliziert und vergleichsweise günstig Urlaub machen ohne viele Verpflichtungen.

Selbst das touristische Angebot im Burgenland habe sich über die Jahrzehnte stark verändert und der Nachfrage angepasst. So wurden etwa Thermen und Wellnessressorts gebaut, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Das schlägt sich auch in den jährlich steigenden Besucherzahlen der meisten Erholungseinrichtungen nieder. Der Trend der urbanen Jugend gehe also definitiv zu „Entspannung mit weniger Verantwortung“, so Vielhaber.

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