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Wenn das Fürchten „nix mehr hilft“

„Wer sich aus dem Außergebirg ins Innergebirg aufmacht, der trifft nicht nur auf das äußere Innergebirg, sondern wird am Ende auch mit dem inneren Innergebirg konfrontiert.“ Erklärt der Altenmarkter Künstler Maximilian Steiner im Gespräch mit ORF.at und fügt hinzu: „Aber eigentlich erfahren die Außergebirgler nix übers Innergebirg.“

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Ein Gespräch mit Steiner beginnt mit der Klärung des Gesprächsrahmens: Man werde nun nicht in ein Gespräch, sondern in die „Fortschreibung der Innergebirgsoper“ eintreten und an dieser mitwirken.

Eigentlich ist die „Innergebirgsoper“ der mittlere Teil in Steiners zehnteiligem Projekt „Der Berg. Innergebirg“, das sich an der Konzeption von Joseph Beuys’ Sozialplastik orientiere. Und damit ist jeder, der im Innergebirg unterwegs sei, ob thematisch oder lokal, Teil seines Projekts, das sich nun in der Übergangsstufe acht auf neun befinde. In Teil acht „stehen Texte im Mittelpunkt, im neunten Teil der Klang. Und im Teil zehn kommt der Berg wieder bei sich selbst an - und das ist die absolute Stille“. Denn das zentrale Signal, das der Berg aussende, so Steiner, sei die Stille.

ORF.at: Nachdem wir nun tief in der „Innergebirgsoper“ drinnen sind, wie lässt sich da von der Warte des Künstlers das Typische des Innergebirgs beschreiben?

Maximilian Steiner: Unser Opernhaus ist das Innergebirg, dort spielen unsere Festspiele. Und das Innergebirg ist immer unser Bezug. Da ist das äußere Innergebirge, die sichtbare Welt, die uns umgibt, und schließlich noch das innere Innergebirg. Und dann gibt es noch das Außergebirg. Aber eigentlich erfahren die Außergebirgler nichts über das Innergebirg. Die zentrale Frage für mich als Künstler ist: Wie spielt das äußere Innergebirg mit dem inneren Innergebirg zusammen?

Band Der Berg bei einer Performance am Berg

derberg.innergebirg.at

Arbeit am Berg: Die Formation der berg mit Gernot Haslauer, Kurt Gersdorf, Max Steiner und Elisabeth Haas (v. l. n. r.)

Und wenn man die Wesensmerkmale des Innergebirglers beschreiben würde?

Steiner: Wir kommen schroff daher - oder auch freundlich. Zum Wesentlichen kommt man zunächst mal mit viel Geduld und eher übers, wie wir sagen, „Zuagate“, das Sperrige, Abweisende.

Heute kennen ja viele Innergebirgler ihr Innergebirg nicht mehr, und hier setzt meine Rolle in dieser Gemeinschaft an, den Blick und das Ohr auf Prozesse zu legen und auch den Innergebirglern wieder die Augen und Ohren für ihr Innergebirg zu öffnen. Das Innergebirg ist einfach eine schroffe Gegend.

Und hier zu überleben war überhaupt nur möglich durch Fleiß, Leistung, durchs Zäh-Sein. Das ist den Leuten geblieben, dieser Leistungswille, nur hat man zum Überleben hier im Innergebirg mittlerweile andere technische Möglichkeiten. Und so richtet sich viel der Energie der Innergebirgler eigentlich gegen das Innergebirg. Ich will das gar nicht als etwas Bösartiges werten - es fällt nur einfach auf, dass da dauernd Energie verwendet wird, um weiter und weiter und weiter zu machen. Und die Kraft, die uns die Natur gibt, wird in dieser Anordnung nicht mehr aufgenommen.

Das heißt, der Adressat des Projekts „Der Berg“ sind eigentlich vor allem die Innergebirgler selbst ...

Steiner: Ja, ich mag hier für mein Umfeld arbeiten. Ich arbeite für die Innergebirgler und frag mich zunächst immer, wie kann ich das hier im Innergebirg vermitteln, weil ich der bin, der ein bisschen von außen, von außerhalb des Getriebes, auf die Dinge und die Prozesse schaut.

Wie geht es den Innergebirglern mit den Bergen, die sie umgeben. Für mich als Außergebirgler, ja Flachländer, haben ja Berge durchaus auch etwas Beängstigendes. Man kann nicht so leicht in die Weite schauen.

Steiner: Für mich sind die Berge mein Schutzwall, sie sind vertraut und schön. Und ich sag mal so: Mein inneres Innergebirg durchdringt alle Berge, es schaut durch alle Berge hindurch, und das ist ein großer innerer Raum. Von hier, wo ich jetzt sitz, schau ich eigentlich bis nach Venedig.

Gibt es dann so was wie das Gefühl einer Einengung durch die Berge?

Steiner: Ich glaube, wir brauchen einen Talblick und einen Bergblick. Und wir müssen das Auge offen haben. Ich, zum Beispiel, komm gar nicht aus der Volksmusik, aber irgendwann, als ich auf den Bergen unterwegs war, hab ich begonnen, Jodler zu sammeln. Und wenn man sich die Jodler hier anhört, dann merkt man schon sehr stark, dass die eine lautmalerische Auseinandersetzung mit der Physis sind, die uns hier umgibt. Und der wir ja sehr viel Schönes abgewinnen.

Und wie steht es um den Berg und die Ehrfurcht?

Steiner: Also grundsätzlich hab ich auch meine Annäherung an den Berg gebraucht. Und wie ich mal zum Klettern ins Tennengebirge mitgenommen wurde und das zum ersten Mal gemacht hab, bin ich an den Punkt gekommen, wo man an einem Ende rauskommt, an dem das Fürchten einfach nichts mehr hilft. Und das war eine wichtige Erfahrung. Irgendwann löst man sich im Berg auf. Wichtig ist mir dieses Sich-Reinverlieren in die Landschaft. Mit viel Pausen ... und Stille ... Aber es soll immer ein Reinverlieren mit einem Gedächtnis sein.

Letzte Frage: Stimmt die Vermutung, dass die Innergebirgler die Außergebirgler zwar nicht auflaufen lassen wollen über die Schroffheit und Zurückweisung, aber zumindest spüren wollen, dass sie es ernst meinen und hartnäckig sein müssen in ihrer Annäherung?

Ah geh, lassen wir das Gschatz, wenn’st einmal zufällig vorbeikommst, dann gemma auf den Berg.

Wie steil wird’s dann?

Schau ma amoi. (Grinst)

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