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Regierung will mit Rebellen verhandeln

Bei Angriffen der syrischen Armee auf die letzte verbliebene Rebellenhochburg in Ostghuta sind am Samstag offenbar Dutzende Menschen getötet worden. Hilfsorganisationen berichteten in der Nacht auf Sonntag von einem mutmaßlichen verheerenden Einsatz von Chemiewaffen mit - unterschiedlichen Angaben zufolge - bis zu 150 Toten, darunter zahlreiche Frauen und Kinder.

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Die syrische Regierung will unterdessen staatlichen Medien zufolge in Kürze Verhandlungen mit der islamistischen Rebellengruppe Dschaisch al-Islam in der umkämpften Region aufnehmen. Die Extremisten hätten um die Gespräche gebeten, zitierte das Staatsfernsehen einen Regierungsvertreter am Sonntag. Von den Aufständischen, die mit Duma die letzte Rebellenbastion in dem Gebiet im Umland der Hauptstadt Damaskus kontrollieren, lag zunächst keine Stellungnahme vor.

Berichte über Einsatz von Chemiewaffen

Hilfsorganisationen beschuldigen Regierungstruppen, Chemiewaffen in Ostghuta eingesetzt zu haben.

Nach Angaben des Syrischen Zivilschutzes (Weißhelme) hatte ein Hubschrauber am Samstagabend eine Fassbombe mit Chemikalien über der Stadt Duma abgeworfen. Dabei seien mindestens 150 Menschen getötet und mehr als 1.000 verletzt worden. Ganze Familien seien in ihren Schutzunterkünften erstickt, heißt es. Die Zahl der Opfer steige beständig. Im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichten die Helfer Fotos der mutmaßlichen Opfer.

„Eine der schlimmsten chemischen Attacken“

Auch die Hilfsorganisation Union of Medical Care and Relief Organizations (UOSSM) geht von einem Giftgasangriff aus. Sie bezifferte die Zahl der Toten am Sonntag mit „weit über 70“, befürchtet aber, dass sie auf über 100 steigen könnte. Retter hätten große Probleme, an die Opfer zu gelangen. Unter den Opfern sei eine beträchtliche Zahl von Kindern, sagte ein Sprecher. Es sei über den Geruch von Chlor berichtet worden, Retter glaubten jedoch an die Verwendung von Saringas, sagte ein Sprecher.

„Das ist eine der schlimmsten chemischen Attacken in der syrischen Geschichte“, erklärte der UOSSM-Vorsitzende Ghanem Tayara am Samstag. Die Berichte konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Der Hilfsorganisation Syrian American Medical Society (SAMS) zufolge traf eine Bombe mit Chlorgas ein Krankenhaus in Duma. Dabei seien sechs Menschen getötet worden. Ein zweiter Angriff mit verschiedenen Chemikalien habe ein Gebäude in der Nähe getroffen. Dabei seien 35 Menschen ums Leben gekommen. Die meisten Opfer seien Frauen und Kinder gewesen.

US-Regierung prüft Berichte

Die Organisation werde mit den Vereinten Nationen sowie den Regierungen in den USA und Europa Kontakt aufnehmen. Im Internet kursieren Videos mit Leichen von Kindern, Frauen und Männern, von denen einige Schaum vor dem Mund hatten. Die US-Regierung prüft Berichte über einen möglichen Giftgasangriff und sieht möglicherweise Handlungsbedarf. Man folge den beunruhigenden Nachrichten über einen weiteren mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien genau, teilte Außenministeriumssprecherin Heather Nauert in der Nacht auf Sonntag in Washington mit.

Sollten sich die Berichte bestätigen, sei eine sofortige Antwort der internationalen Gemeinschaft gefordert. „Die Vereinigten Staaten bemühen sich weiterhin, mit allen verfügbaren Kräften diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Chemiewaffen einsetzen - in Syrien oder anderswo“, so Nauert.

Keine Bestätigung

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA verwarf die Berichte unterdessen als unwahr. „Einige Medien, die für ihre Unterstützung der Terroristen bekannt sind, haben behauptet, dass die Armee chemische Waffen in der Stadt Duma benutzt habe“, hieß es da. Derartige Berichte dienten nur dazu, das Vorrücken der syrischen Armee zu hindern. Die syrische Armee war zuvor begleitet von schweren Luftangriffen auf Duma vorgerückt. Dabei waren zahlreiche Zivilisten getötet worden.

Auch die der Opposition nahe stehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, sie könne einen Giftgaseinsatz nicht bestätigen. Die in Großbritannien ansässige Organisation, die sich auf ein Aktivistennetzwerk in Syrien stützt, erklärte, sie habe Informationen über elf Tote in Duma. Diese Menschen seien in dichtem Rauch nach einem Angriff mit einer konventionellen Waffe erstickt.

Großteil der Rebellen vertrieben

Die syrische Armee hatte in den vergangenen Wochen einen Militäreinsatz auf das Rebellengebiet Ostghuta durchgeführt. Das Gebiet, das an die Hauptstadt Damaskus angrenzt, war jahrelang belagert worden. Ein Großteil der Rebellen zog sich nach Absprachen mit der syrischen Führung aus dem Gebiet zurück. Lediglich die Stadt Duma wird noch von Kämpfern der Gruppe Dschaisch al-Islam gehalten.

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