EU-Behörde ermittelt
Die Anzeichen mehren sich, dass immer mehr Menschen in Ungarn die Allmacht von FIDESZ, der Partei von Regierungschef Viktor Orban, ihre oft überhastete Anlassgesetzgebung sowie hemmungslose Klientelpolitik langsam satthaben. Es ärgert bereits viele Ungarn, dass eine kleine Gruppe reicher Oligarchen stets sämtliche Staatsaufträge zugeschanzt bekommt, die oft dank üppiger Fördergelder der EU besonders lukrativ sind.
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Oppositionspolitiker hegen den Verdacht von Kick-back-Zahlungen an die Regierungspartei FÍDESZ und ihre Funktionäre. Erst kürzlich ist ein solcher Korruptionsskandal bekanntgeworden, in dem laut dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) niemand geringerer als Orbans Schwiegersohn Istvan Tiborcz involviert sein soll.
OLAF wirft dem Ehemann der ältesten Tochter von Orban vor, durch Manipulation von öffentlichen Ausschreibungen hohe Profite erzielt zu haben. Tiborcz hat zwischen 2009 und 2014 mit seiner damaligen Firma Elios zahlreiche Gemeinden mit LED-Straßenlampen ausgestattet. Die Ausschreibungen sind laut OLAF so konzipiert gewesen, dass außer Elios kaum ein anderer Bewerber zum Zuge kommen konnte.
Jahrelange Ermittlungen ohne Ergebnis
Zuschläge erhielt Orbans Schwiegersohn vor allem in Gemeinden mit Bürgermeistern der Regierungspartei FIDESZ, unter anderem auch in Hodmezövasarhely. In der Stadt hatte Orban kürzlich bei Kommunalwahlen eine überraschende Niederlage einstecken müssen. Das Straßenbeleuchtungsprojekt wurde von der EU mit knapp 45 Millionen Euro gefördert. Die OLAF-Ermittler empfahlen der EU-Kommission mittlerweile, die Fördermillionen zurückzuverlangen, und forderten die ungarische Staatsanwaltschaft zum Handeln auf.
An der Spitze der Staatsanwaltschaft steht allerdings ein Orban-loyaler Jurist, dem Oppositionspolitiker nicht zutrauen, gegen ein Mitglied der Familie des Ministerpräsidenten ermitteln zu lassen. Der Verdacht des Missbrauchs rund um das Straßenbeleuchtungsprojekt wurde nämlich schon im Jahr 2016 zur Anzeige gebracht, die Ermittlungen verliefen damals aber im Sand.
In Korruptionsranking weit zurückgefallen
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) zeigte sich zuletzt sehr besorgt über die ihrer Ansicht nach zunehmende Staatskorruption in Ungarn. Nach dem von TI erstellten Korruptionswahrnehmungsindex ist Ungarn innerhalb von sechs Jahren von Platz 55 auf Platz 66 abgerutscht. Damit ist Ungarn das zweitkorrupteste Land der EU, dahinter liegt nur Bulgarien. TI beklagt, dass ein Drittel aller Ausschreibungen nicht öffentlich gemacht wird.
Der „liebe Gott und Viktor Orban“
Ein eigenes Kapitel im TI-Bericht widmet sich dem Reichtum des Bürgermeisters von Felcsut, Lörincz Mezaros. Der gelernte Installateur ist ein enger Freund der Familie Orban, die in Felcsut ihr Privathaus hat. Der Bürgermeister konnte in den letzten Jahren ein gewaltiges Firmenimperium errichten, das Staatsaufträge im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro lukrierte. Es gilt in Ungarn als offenes Geheimnis, dass Mezaros als Strohmann der Familie Orban dient.
Angesprochen auf seinen wundersamen Reichtum, soll Mezaros einem Reporter gesagt haben, dass er seinen Wohlstand „dem lieben Gott und Viktor Orban“ verdanke. Durchaus möglich, dass die Reihenfolge auch umgekehrt war, fix ist aber, dass der Bürgermeister seither keine Interviews mehr über seinen wirtschaftlichen Erfolg gibt.
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ORF-Korrespondent Ernst Gelegs, für ORF.at, Guido Tiefenthaler (Bearbeitung), ORF.at