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Bis heute offene Fragen

Am 4. April 1968 gegen 18.00 Uhr hat der Attentäter James Earl Ray vor einem Motel in Memphis eine Kugel auf Martin Luther King abgefeuert. Eine Stunde später starb King im Krankenhaus. Sein Tod sendete Schockwellen durch die gesamten USA, Zorn und Trauer entluden sich in Unruhen. Schon vor seinem Tod hatte sich abgezeichnet, dass Kings Weg der Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß immer schwieriger wurde.

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In etlichen Städten in den USA kam es zu schweren Unruhen, nachdem der Tod des Bürgerrechtlers von TV und Radio berichtet worden war. Mehrere Wochen zogen sich die Proteste. Mehr als 45 Menschen kamen ums Leben, laut Schätzungen gab es mehr als 2.500 Verletzte und mehr als 15.000 Verhaftungen.

Ausschreitungen in Washington nach der Ermordung Martin Luther Kings

AP

Die Folgen der Ausschreitungen in Washington

Schon seit einiger Zeit hatten radikalere schwarze Bewegungen Kings Gewaltlosigkeit zunehmend kritisiert. Mit seinem Tod gewannen die Strömungen weiter an Fahrt: „Wir müssen uns für den Mord an Dr. King rächen“, rief jetzt der „Black Power“-Anführer Stokely Carmichael. „Wir werden uns nicht im Gerichtssaal rächen, sondern auf den Straßen Amerikas.“

Mit Gewaltlosigkeit zum Erfolg

Dabei hatte Kings Strategie des „sanften Aufstands“, der Boykottaktionen, der Sitzstreiks und der Demonstrationen durchaus zu Erfolgen geführt. Alles begann im Jahr 1955 in Montgomery (Alabama), als sich die Schwarze Rosa Parks weigerte, ihren Platz im Bus für einen Weißen freizumachen. Sie wurde festgenommen.

Martin Luther King

AP/Henry Burroughs

Der Bürgerrechtler vor einem TV-Auftritt

In den folgenden Protesten machte sich King einen Namen. Der Sohn einer Lehrerin und eines Predigers aus Atlanta (Georgia) hatte im Jahr zuvor eine Pastorenstelle in Montgomery angenommen. Mit seinem Charisma und seiner Redekunst wurde er zu einem landesweit bekannten Mann. Der Protest endete mit einem Erfolg: Der Oberste Gerichtshof erklärte die Trennung der Sitzzonen nach Hautfarben in Bussen der Stadt für verfassungswidrig.

Hass der Rassisten auf sich gezogen

Kings Mission ging weiter: Höhepunkt war im August 1963 der Marsch auf Washington: Rund 250.000 Menschen, darunter auch Weiße, nahmen teil. „I Have a Dream“, rief King der Menge in seiner Rede zu, in der er die Vision der Gleichheit von Schwarz und Weiß entwarf. Der Bürgerrechtler gewann 1964 den Friedensnobelpreis - und zog den Hass der Rassisten auf sich.

Martin Luther King

AP

King bei seiner berühmten Rede

Einer von ihnen war Ray. Als Kleinkrimineller wurde er 1960 zu mehreren Jahren Haft verurteilt, 1967 gelang ihm aber der Ausbruch aus dem Gefängnis. Danach engagierte er sich als Helfer bei der Kampagne des Präsidentschaftskandidaten George Wallace, der als Verteidiger der Rassentrennung galt.

Auf der Flucht gefasst

Was Ray dann dazu trieb, sich eine Waffe zu kaufen und King am 4. April von der gegenüberliegenden Pension aus zu erschießen, ist aber nach wie vor unklar. Zudem ließ er Waffe wie auch ein Fernglas mit seinen Fingerabdrücken den Ermittlern wie auf einem Silbertablett zurück, als er nach Kanada floh. Seine Flucht führte ihn unter falschem Namen dann nach London. Die Weiterreise nach Rhodesien, wo ein Apartheid-Regime an der Macht war, gelang nicht: Auf dem Flughafen Heathrow wurde Ray festgenommen.

Martin Luther King

AP/Charles Kelly

King auf dem Balkon des Motels Lorraine in Memphis, wenig später wurde er genau dort erschossen

Per Fingerabdruck wurde er als Schütze identifiziert. Er gestand, um der Todesstrafe zu entgehen, auf Anraten seines Anwalts zunächst, auf King geschossen zu haben. Wenige Tage nach der Verurteilung zu 99 Jahren Haft widerrief Ray sein Geständnis und bemühte sich bis zu seinem Tod vergeblich um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Immer wieder sprach Ray dann von einem ominösen Mann namens Raoul, der ihm den Auftrag zum Mord gegeben habe.

Zweifel und Verschwörungstheorien

An der offiziellen Version einer Alleintäterschaft Rays gab es aber von Anfang an Zweifel. Seine aufwendige Flucht nach dem Mord über Kanada und Portugal nach Großbritannien verstärkte den Eindruck, dass er Hintermänner hatte. Ein Kongressausschuss äußerte Ende der 1970er Jahre die Ansicht, dass King Opfer einer Verschwörung wurde. Eine Jury kam 1999 in einem Zivilprozess in Memphis zu demselben Schluss.

Martin Luther Kings Mörder James Earl Ray

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Ray bei einer Anhörung 1978 in Washington

Verschwörungstheorien blühten: Von einem Mafia-Mord war die Rede, der dann unter anderem von der Bundespolizei FBI, dem Geheimdienst CIA sowie Beamten auf Staats- und Kommunalebene vertuscht worden sei. King sei ermordet worden, weil er gegen den Vietnam-Krieg gewesen sei und 1968 einen großen Marsch nach Washington gegen die Armut geplant habe.

Konfrontationskurs mit Politik und Behörden

Tatsächlich zog sich King mit seinem Eintreten gegen den Vietnam-Krieg den Unmut des damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson zu. Auch dass er die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit zunehmend in den Mittelpunkt seiner Forderungen stellte, stieß in der Politik auf Widerstand. Dass er bei CIA und FBI wenige Freunde hatte, war ohnedies belegt.

Eine der treibenden Kräfte hinter den Bemühungen, den Fall immer wieder neu aufzurollen, war Kings Familie, vor allem sein Sohn Dexter. Dieser besuchte Ray 1997 im Gefängnis, schenkte der Unschuldsbekundung des Verurteilten Glauben und heizte so neue Gerüchte - und neue Verfahren - an. Doch tatsächliche Beweise für die Unschuld Rays gab es nie - und sollte er Geheimnisse gehabt haben, nahm er diese mit ins Grab: 1998 starb er im Gefängnis.

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