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Originalität, Ruhm, Selbstzerstörung

Vier Frauenporträts und eine „Handreichung“: In ihrem schmalen Band „Die Sünde der Frau“ präsentiert sich die niederländische Autorin Connie Palmen neuerlich als Expertin für dramatische Angelegenheiten. Mit Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Patricia Highsmith und Jane Bowles in den Hauptrollen - und einer etwas fragwürdigen Klammer.

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„Sobald ich sie rieche, renne ich so schnell wie möglich auf die große Emotion zu. Wittere ich Drama, bin ich dabei“, sagte Palmen zuletzt in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Große Gefühle und existentielle Fragen, das sind seit jeher die Themen der niederländischen Autorin, die 1991 mit ihrem Debütband „Die Gesetze“ einen internationalen Bestseller landete und seitdem zu den wichtigsten Autorinnen ihres Landes zählt.

Connie Palmen

Heike Huslage-Koch unter cc by sa 4.0

Autorin Palmen: „Wittere ich ein Drama, bin ich dabei“

Palmen-Leserinnen und -Leser kennen es bereits: das Übermaß in allem – im kreativen Schaffen, in der exzessiven, ungehemmten Liebe, mit der sich ihre Protagonisten - komme, was da wolle - aufeinander stürzen, in den alles lähmenden Depressionen und im Alkoholkonsum, der nicht nur Sucht ist, sondern ein, wie Palmen schreibt, von „Erlösungssehnsucht“ getriebenes Zugrunderichten. Hier wird stets richtig geliebt und richtig gelitten, und Palmen verfügt über die sprachliche Vehemenz, das glaubhaft zu vermitteln.

Vier zugespitzte Leben

Monroe, Duras, Highsmith und Bowles: Nicht verwunderlich also, dass sich die 62-jährige in ihrem neuen Buch gerade dieser berühmten Frauen angenommen hat. Sie passen ins Schema. Mit ihnen führt sie weiter, was in „Du sagst es“ (2016) begonnen hat, einem Roman über das berühmte Dichterpaar Sylvia Plath und Ted Hughes. Und sie führt aus, was in „Die Erbschaft“ (2001) mit Referenzen an Duras und Bowles bereits anklingt.

Patricia Highsmith

APA/AFP/Mychele Daniau

Patricia Highsmith: Der große Traum von der Berühmtheit

Aus einem Vorwort und vier jeweils 20-seitigen Frauenporträts besteht „Die Sünde der Frau“. Das klingt nicht nach viel, ist es letztlich aber doch: Palmen spitzt diese – man könnte sagen, selbst zugespitzten – Leben zu und verdichtet sie in Richtung der Parallelen zwischen den vier Frauen, mit spannenden und lesenswerten Miniaturen als Ergebnis. Deren Kurzfassung lautet: Auf Originalität folgt Ruhm folgt Selbstzerstörung.

Suizid, Alkoholismus, Misanthropie

Monroe, Duras, Highsmith und Bowles, die drei Autorinnen und die Schauspielerin, wachsen um 1920 bei einer neurotischen Mutter auf, der Vater ist abwesend, früh verstorben oder hat sich aus dem Staub gemacht. Schon als junge Mädchen empfinden sich die vier als „anders“, sie träumen vom Ruhm und davon, den tristen Verhältnissen den Rücken zu kehren.

Allen vier gelingt der Durchbruch. Was folgt, ist ein Leben, das die Schranken der herrschenden Moral durchbricht, mit lesbischen Lieben, Kinderlosigkeit oder rastlosem Reisen: Highsmith zieht in Europa umher, Bowles nach Marokko. Was folgt, sind aber auch Schuldgefühle wegen des Regelübertritts. Jedes dieser Leben mündet in Depressionen und Selbstzerstörung.

Marguerite Duras

APA/AFP/Platiau

Marguerite Duras starb 1995, nachdem sie bereits dreimal im Koma gelegen war

Mit nur 36 Jahren begeht Monroe mit einer Überdosis Tabletten Suizid. Highsmith, Bowles und Duras sind schwere Alkoholikerinnen und trinken unvorstellbare Mengen an Whisky, Likör und Wein, bis zu fünf Liter pro Tag. Bowles erleidet in Marokko einen Schlaganfall und wird in eine psychiatrische Klinik in Malaga eingewiesen, wo sie 1972 stirbt. Highsmith endet als einsame, verbitterte Misanthropin in der Schweiz. 1995, ein Jahr nach ihrer amerikanischen Kollegin, stirbt auch Duras, nachdem sie bereits dreimal im Koma gewesen war und Hirnblutungen, Lähmungen und ein Leberversagen überlebt hatte.

Existenzielle Superlative

Palmen findet für diese berühmten Frauengeschichten drastische Worte: Von „unterdrückten sexuellen Vorlieben und hasserfüllten Mordgedanken“ ist da die Rede, vom „Hochverrat der Mutter“, der „besonderen, grausamen Liebe“, „manischen Phasen mit ungehemmter Lust auf Sex und unbändigem Schaffensdrang“. Die Dichte an existenziellen Superlativen lässt einen bisweilen etwas atemlos zurück.

Buchhinweis

Connie Palmen: Die Sünde der Frau. Über Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith. Diogenes, 96 Seiten, 16,99 Euro.

Es ist aber weniger die Sprache, sondern die Qualität des Gerüsts, die die Sache ins Wanken bringt. Den Hinweis dazu gibt es schon im Titel: Mit „Die Sünde der Frau“, wie Palmen im Vorwort ausführt, ist der biblische Sündenfall gemeint, gedeutet als „Sünde der Originalität“. Die vier Frauen würden sich „nicht an ihre natürliche Bestimmung“ halten, „sie unterwerfen sich nicht dem Mann“, und würden dafür sich selbst bestrafen, die Maßlosigkeit und die Nähe zum Tod suchen.

Romantik des wilden Künstlerinnenlebens

Diese Interpretation, die konstruierte Gemeinsamkeit, die über den Kapiteln liegende Tiefenpsychologie scheint dann doch zu einfach, um den vier Frauen gerecht zu werden. Sie ist eine Absage an Zwischentöne und Komplexitäten, die zugleich auch die Charakterisierung des Künstlerinnendaseins selbst trifft.

„Phantasiebegabte Frauen neigen zur Maßlosigkeit, Verschwendung, Genusssucht und fühlen sich von einem gefährlichen Leben und dem Tod magisch angezogen“, schreibt die Autorin. Wild, verzweifelt und sich verausgabend ist Palmens Künstlerinnenleben – eine Glorifizierung, die die Autorin zweifellos vorantreibt.

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