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Risiko für Menschen „praktisch null“

Teile des chinesischen Weltraumlabors „Tiangong 1“ sollen spätestens nach dem Osterwochenende auf die Erde stürzen. Eine Verbindung mit der Kontrollstation auf dem Boden gibt es schon seit zwei Jahren nicht mehr. Einige Trümmer könnten tatsächlich die Erdoberfläche treffen.

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Die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) mit Sitz im deutschen Darmstadt nannte als „Fenster“ für den Absturz des Prototyps Freitag bis Montag. China hatte „Tiangong 1“ („Himmelspalast“) 2011 ins All geschossen. Bis März 2016 versah die Raumstation Dienst für Versuche, darunter mehrfach Andockmanöver. Die Volksrepublik will bis 2022 ein bemanntes Weltraumlabor vergleichbar mit der Internationalen Raumstation (ISS) im All haben.

Die Raumstation Tiangong-1

APA/AFP/Jiuquan Space Centre

2016 quittierte der Prototyp (Aufnahme von 2012) seinen Dienst

Absturzort schwer zu prognostizieren

Am 21. März 2016 riss der Kontakt zu „Tiangong 1“ ab. Wo und wann genau Teile davon auf die Erde niedergehen werden, lässt sich wegen der großen Geschwindigkeit, mit der der ausgediente Prototyp unterwegs ist, kaum sagen. Laut ESA wird der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zwischen dem 43. nördlichen und dem 43. südlichen Breitengrad stattfinden. Der Ort kann damit genauso gut in Südfrankreich wie im südlichen Afrika, dem Indischen Ozean, China oder Australien liegen.

Kein Vergleich mit Meteoriten

Der „Einschlag“ sei keinesfalls mit dem eines Meteoriten vergleichbar, heißt es von der ESA. Krater oder Ähnliches werde es nicht geben. Von der rund 8,5 Tonnen schweren Raumstation könnten nach Schätzungen 1,5 bis 3,5 Tonnen Material den Eintritt in die Atmosphäre überstehen und tatsächlich als Weltraumschrott auf dem Boden oder im Meer landen. Der überwiegende Teil wird verglühen. Alles nicht ungewöhnlich, betont die ESA. Pro Jahr würden 70 bis 80 Tonnen Schrott „unkontrolliert“ vom Himmel fallen.

Mit 27.000 km/h unterwegs

Je näher der Freitag rückt, desto präziser dürften auch die Prognosen zu Ort und Zeit des Absturzes werden. Eine exakte Berechnung sei aber „praktisch unmöglich“, schrieb zuletzt der britische „Guardian“. Die Raumstation sei in ihrer Umlaufbahn mit 27.000 km/h unterwegs.

Derzeit kommt „Tiangong 1“ der Erde immer näher. Möglicherweise wird die Raumstation, wenn sie verglüht, auch von der Erde aus sichtbar sein, ähnlich wie eine Sternschnuppe, sagte der stellvertretende Direktor des Australischen Weltraumforschungszentrums (ACSER), Elias Aboutanios, gegenüber der BBC.

Teile, die nicht gänzlich verglühen, sind möglicherweise stabile Bauteile wie Treibstofftanks und Triebwerke, berichtete der britische Sender. Das Risiko, dass ein Mensch davon getroffen wird, sei „unglaublich gering“. Die Wahrscheinlichkeit entspreche etwa der, innerhalb eines Jahres zweimal vom Blitz getroffen zu werden, wurde Holger Krag, Experte für Weltraumschrott bei der ESA, in der BBC zitiert. Der „Guardian“ bezifferte die Wahrscheinlichkeit mit „praktisch null“.

Frau tatsächlich von Raketenteil getroffen

Erst einmal, 1997, sei ein Mensch tatsächlich von einem Stück Weltraumschrott getroffen worden, schrieb die britische Zeitung. Es handelte sich wahrscheinlich um einen kleinen Rest einer Rakete. Die betroffene Frau sei unverletzt geblieben. Was die Größe betrifft, liege „Tiangong 1“ an 50. Stelle der bisher abgestürzten Raumfahrzeuge oder Satelliten. Die größte sei das 77 Tonnen schwere US-„Skylab“ 1979. Die Trümmer gingen über Westaustralien nieder.

Der „Friedhof der Raumschiffe“

Meist landeten ausgediente Satelliten weit weg von bewohnten Gebieten irgendwo im Ozean. Oft besteht während eines Absturzes - der dann kontrolliert erfolgt - auch noch Kontakt zu ihnen. Dann ist auch eine Einflussnahem möglich. Ein Fleck von 1.500 Quadratkilometern mitten im südlichen Pazifik zwischen Australien, Neuseeland und Südamerika gelte als „Friedhof der Raumschiffe“, hieß es im BBC-Bericht diese Woche. Die Reste von rund 260 Raumfahrzeugen und Satelliten dürften dort auf dem Meeresboden liegen.

Mittlerweile hat die Raumstation „Tiangong 2“ ihre Vorgängerin ersetzt, 2022 soll Version drei in Betrieb sein, dann als voll funktionsfähiger, für Menschen bewohnbarer Außenposten im All. China betreibt Weltraumforschung mit großem Eifer und betrachtet die Präsenz im All neben den USA und Russland auch als Teil seiner Supermachtrolle. Die Volksrepublik hatte erst 2001 begonnen, Versuchstiere in den Weltraum zu schicken, 2003 flog der erste Mensch von China aus ins All.

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