Bis zu Referendum weitgehend unbekannt
Wohl nie hat es der Chef einer einzelnen spanischen Region zu so viel medialer Aufmerksamkeit in ganz Europa geschafft wie Carles Puigdemont. Der im katalanischen Bergdorf Amer geborene Sohn eines Konditormeisters studierte Philologie und wurde danach Journalist. 1983 überlebte er einen schweren Verkehrsunfall.
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Die Kopfnarben, die er davontrug, versucht er mit einer in Spanien vielkommentierten Frisur zu verdecken. In den 1990er Jahren reiste Puigdemont oft nach Südosteuropa, um unter anderem am Beispiel des damaligen Jugoslawiens „Nationen ohne Staat“ zu studieren.
Puigdemont arbeitete für mehrere Regionalzeitungen und war 1998 Mitgründer der Katalanischen Nachrichtenagentur (ACN). 2004 übernahm er die Leitung des englischsprachigen Blattes „Catalonia Today“ und erst zwei Jahre später trat er in die Politik ein.
Rasanter Aufstieg vor Referendum
2011 wurde er zum ersten nichtsozialistischen Bürgermeister der katalanischen Stadt Girona nach der Franco-Diktatur (1939-1975) gewählt. 2015 avancierte er zum Vorsitzenden des einflussreichen „Verbandes der Gemeinden für die Unabhängigkeit Kataloniens“ (MAI), dem rund 750 der 948 Bürgermeister der Region angehören. Und im Jänner 2016 stieg er zum Chef der katalanischen Regionalregierung auf.
Nach seiner Wahl zum katalanischen Regierungschef verkündete er im Parlament von Barcelona: „Es sind keine Zeiten für Feiglinge!“ Man werde den Weg zur Unabhängigkeit unbeirrt aufnehmen, versprach damals der liberale Führer der separatistischen Allianz Junts pel Si (Gemeinsam fürs Ja), der auch mit der Unterstützung der kleinen linksradikalen Partei CUP gewählt wurde.
Referendum als Auslöser für Flucht nach Belgien
Trotz großen Widerstands der spanischen Zentralregierung und eines gerichtlichen Verbots organisierte Puigdemont für den 1. Oktober 2017 ein Referendum über die Abspaltung Kataloniens. Die Separatisten setzten sich bei der von Madrid verbotenen Abstimmung durch - Puigdemont aber nutzte das nichts. Erst wurde er von Madrid als Regionalchef abgesetzt, kurz darauf floh er vor der spanischen Justiz nach Brüssel.
Gegen Puigdemont wird unter anderem wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Mittel ermittelt, weil er das für Madrid illegale Referendum aus öffentlichen Mitteln finanzierte. Die Neuwahl in Katalonien am 21. Dezember 2017 machte Puigdemont zu einer Abstimmung über die Nationalfrage. Wieder siegten die Separatisten, doch wegen des Haftbefehls konnte Puigdemont nicht erneut für die Präsidentschaft der Region kandidieren. Stattdessen versuchte er aus dem Exil, Einfluss auf die Entwicklung in seiner Heimat zu nehmen.
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