Hitzige Debatte im Parlament
Das eigentlich für Mai geplante völlige Rauchverbot in der Gastronomie ist am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ im Parlament gefallen. Ferner wurde vom Nationalrat ein Verkaufsverbot für unter 18-Jährige etabliert, das allerdings erst 2019 in Kraft tritt. Untersagt wird Rauchen in Fahrzeugen, wenn Jugendliche mit an Bord sind.
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Jene 28 ÖVP-Abgeordneten, die das Rauchverbot 2015 gemeinsam mit der SPÖ beschlossen hatten, erklärten ihren Meinungsschwenk in der Debatte nicht - keiner dieser Mandatare meldete sich zu Wort. Der Arzt und ÖVP-Abgeordnete Josef Smolle, der sich ursprünglich gegen die Aufhebung des Rauchverbots ausgesprochen hatte, blieb sowohl der Debatte als auch der Abstimmung fern. Er hatte die Sitzung nach Angaben des ÖVP-Klubs bereits am Vormittag verlassen.

APA/Hans Punz
Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ kippten das Rauchverbot, das mit 1. Mai in Kraft treten hätte sollen
Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein von der FPÖ - ursprünglich ebenfalls nicht begeistert vom Aus für das Rauchverbot - erbat von der Opposition „Wertschätzung und Respekt gegenüber Andersdenkenden“ und Rauchern. „Dass Rauchen ungesund ist und eine Sucht ist, wissen wir“, so die Ministerin, aber: „Minderheiten auszugrenzen, Suchtkranke auszugrenzen, das verurteile ich.“
Hartinger-Klein gegen „Ausgrenzung“
Für „Wertschätzung“ und gegen „Ausgrenzung“ sprach sich am Donnerstag Gesundheitsministerin Hartinger-Klein (FPÖ) aus - es ging ums Rauchverbot.
„Sie entscheiden sich fürs Sterben“
Der Abstimmung war im Nationalrat wie erwartet eine hitzige Debatte vorausgegangen. Besonders NEOS-Chef Matthias Strolz hielt mit seinen Emotionen nicht hinter dem Berg. „Sie handeln wider besseres Wissen und ohne Gewissen. Sie entscheiden sich heute fürs Sterben“, sagte der Klubobmann in Richtung der Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.
Strolz ließ Emotionen freien Lauf
NEOS-Obmann Strolz trat sichtlich erregt ans Redepult.
Auch die vormalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) sparte nicht mit Emotionen, warf sie FPÖ und ÖVP doch vor, das politische Vermächtnis der früheren (mittlerweile verstorbenen) Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und die „Gesundheit unserer Kinder zu verraten“. Die heutige Parlamentssitzung sei wahrlich weltweit einzigartig, findet Rendi-Wagner. Bis heute habe nämlich kein Land in Sachen Nichtraucherschutz einen Schritt zurück gemacht.
ÖVP und FPÖ loben den Jugendschutz
Der freiheitliche Abgeordnete Peter Wurm wollte die Debatte „versachlichen“. Er wies darauf hin, dass ohnehin 90 Prozent aller Restaurants und 75 Prozent aller Cafes und Gasthäuser rauchfrei seien. Dieser Trend werde sich weiter fortsetzen. Aber man wolle den Menschen auch die Wahlfreiheit lassen und sich dabei um den Kinder- und Jugendschutz kümmern. Mit dem Verkaufsverbot für Tabakprodukte für unter 18-Jährige sowie dem Verbot, im Auto vor Minderjährigen zu rauchen, werde man hier weltweit Spitzenreiter.
ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer wurde in seiner Replik ebenfalls gehörig laut: „Schleppen sie nicht unschuldige Menschen, die todkrank sind, vor die Kulisse zur politischen Agitation“, schmetterte er in Richtung Strolz, der zuvor aus dem Schreiben einer lungenkranken Frau vorgelesen hatte. Aus Sicht Nehammers wird in die falsche Richtung emotionalisiert. Denn das Wesentliche an den heutigen Beschlüssen sei, dass der Nichtraucherschutz für Jugendliche gestärkt werde.
Als Ablenkung tat das die Liste Pilz ab. Deren Klubobmann Peter Kolba wurde nicht müde, der ÖVP vorzuwerfen, ihre Abgeordneten durch Klubzwang zu nötigen, für die „Initiative für mehr Lungenkrebs im Land“ zu stimmen. Der Nichtraucherschutz werde mit Füßen getreten. Die Zuhörer forderte Kolba auf, das zur Unterschrift vorliegende Volksbegehren für ein Rauchverbot in der Gastronomie zu unterfertigen.
Strache: 900.000 Unterschriften als Latte
Doch das Rauchverbot könnte doch noch kommen. FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte sich am Dienstag im ORF-„Report“ für eine verbindliche Volksbefragung ausgesprochen, sollten zumindest 900.000 das Volksbegehren „Don’t Smoke“ unterschreiben.
Strache kann sich Volksabstimmung vorstellen
Die direkte Demokratie müsse immer der Sieger sein, sagt FPÖ-Vizekanzler Strache in Zusammenhang mit dem Volksbegehren zum Rauchverbot.
Die direkte Demokratie „muss der Sieger sein“, sagte Strache, weshalb es erstmals in der Zweiten Republik durch eine Verfassungsänderung ein Recht auf eine rechtlich verbindliche Volksbefragung ab 900.000 Unterschriften geben solle, „auch in dieser Frage“, so der Vizekanzler.
Arzt: Rauchen tötet zehn Prozent aller Erwachsenen
Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass das Rauchen weltweit zehn Prozent aller Erwachsenen tötet. „Diese erschreckende Zahl nehmen wir zum Anlass, um allen Raucherinnen und Rauchern ein Überdenken ihrer Gewohnheiten ans Herz zu legen“, sagte am Mittwoch der Uniqa-Mediziner Peter Kritscher am Tag vor der Parlamentsdebatte über den Nichtraucherschutz.
Nichtraucher würden zudem bares Geld sparen, wie ein Vergleich der Prämien zeige. Bei einer Uniqa-Risikolebensversicherung, mit der sich die Familie oder Nahestehende für den Todesfall absichern lassen, zahlt ein 30-jähriger Raucher bei einer Laufzeit von 20 Jahren und einer Deckungssumme von 100.000 Euro beispielsweise 16,58 Euro Prämie im Monat. Ein Nichtraucher hingegen zahlt entweder 9,46 oder 7,75 Euro, er kann also mehr als die Hälfte sparen.
Leichter Anstieg bei Entwöhnungsprodukten
Die bisher Diskussion über Rauchverbote hat offenbar einen positiven Nebeneffekt: Rauchende Österreicherinnen und Österreicher holten sich Hilfe zur Nikotinentwöhnung, so der IQVIA-PharmaTrend, der den Zeitraum 2013 bis 2017 beobachtete. Insgesamt zeigt das Barometer beim Absatz von Entwöhnungsprodukten mit 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 13,35 Mio. Euro leicht nach oben. Apotheken sehen eine fast stagnierende Nachfrage auf hohem Niveau.
Studie räumt mit Gastronomiemythos auf
Das Kippen des Rauchverbots wurde auch mit negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gastronomie begründet. Doch das ist laut dem Institut für Höhere Studien (IHS) eine falsche Annahme, wie das IHS Dienstag mitteilte. Darauf deutet eine Übersicht über die wissenschaftlichen Daten auf internationaler Ebene hin, die das IHS im Auftrag der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) erstellt hat.
„In Österreich wird erheblich mehr geraucht als im EU-Durchschnitt. In der Debatte um den Nichtraucherschutz wird gerne das Argument des drohenden ‚Wirtesterbens‘ ins Treffen geführt“, so die Experten um den Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka. Daher habe man eine Übersicht zur internationalen Studienlage erstellt. „Dabei wurden sowohl vorhandene Übersichtsarbeiten als auch Studien aus einzelnen Ländern ausgewertet und das Wissen aus über 200 Einzelstudien aus 16 verschiedenen Ländern zusammengetragen.“
„Teilweise sogar Umsatzsteigerung“
„Es zeigten sich in der ganz überwiegenden Zahl der Studien keine Umsatzeinbußen, teilweise sogar Umsatzsteigerungen“, hieß es in einer Aussendung. Czypionka sagte gegenüber der APA: „Aus den meisten Studien aus anderen Ländern lässt sich keine große Gefahr für die Gastronomie ablesen.“
Der weit überwiegende Teil der internationalen Evidenz deute darauf hin, dass Rauchverbote keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gastronomie mit sich bringen. Eine bereits 2014 publizierte internationale Übersichtsarbeit habe beispielsweise in 88 Prozent der darin betrachteten Einzelstudien keine oder positive Effekte eines Rauchverbots festgestellt.
Unterstützungsphase für Volksbegehren bis 4. April
Die Unterstützungsphase für das Volksbegehren „Don’t Smoke“ wird unterdessen noch bis Anfang April gehen. Die Initiatoren erwarten, wie sie mitteilten, ein klares Zeichen der Bevölkerung in Richtung Bundesregierung. Sie riefen weiter zur regen Teilnahme auf. Das Volksbegehren, das Donnerstagvormittag mehr als 540.000 Unterstützer zählte, wird bis einschließlich 4. April um 10.00 Uhr für die Abgabe von Unterstützungserklärungen offen bleiben. Danach habe der Innenminister drei Wochen Zeit, den Termin für die Eintragungswoche festzulegen.
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