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Von der Offensive in die Defensive

Im Skandal um den Missbrauch von Nutzerdaten durch das Analyseunternehmen Cambridge Analytica (CA) hat am Mittwoch erstmals Facebook-Chef Mark Zuckerberg persönlich Stellung genommen. Er sprach von einem Fehler. Zuvor war Facebook noch in die Offensive gegangen.

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Das Vertrauen der Nutzer, die ihre Daten dem Onlinenetzwerk anvertrauen und erwarten, dass diese sicher sind, sei verletzt worden, schrieb Zuckerberg am Mittwoch in einer ersten Reaktion auf die seit dem Wochenende bekannte Causa.

Dabei geht es um zweckentfremdete Daten von bis zu 50 Millionen Nutzern durch Cambridge Analytica. „Ich habe Facebook gestartet, und am Ende des Tages trage ich die Verantwortung dafür, was auf unserer Plattform geschieht“, hieß es in Zuckerbergs Posting in seinem 2004 gegründeten Sozialen Netzwerk. Eine Entschuldigung gab es vorerst nicht.

Facebook sah sich „hintergangen“

Zuckerberg verwies darauf, dass das Analyseunternehmen, das unter anderem für das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump gearbeitet hatte, unrechtmäßig an die Daten gekommen sei. Zugleich versprach er, Nutzerdaten besser zu schützen, und nannte eine Reihe von Maßnahmen, die bereits implementiert worden seien bzw. werden sollen. Zuvor hatte sich Facebook am Dienstag noch als der selbst Betrogene gesehen. „Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden“, hieß es in einer Mitteilung.

Mark Zuckerberg

Reuters/Drew Angerer

Facebook-Chef Mark Zuckerberg nahm erstmals persönlich zu der Affäre Stellung

Anleger fühlen sich getäuscht

Wegen der Causa verlor die Facebook-Aktie in den letzten Tagen an Wert. Anleger befürchten, schärfere Vorgaben könnten dazu führen, dass Nutzer weniger Zeit auf den jeweiligen Plattformen verbringen und diese dadurch geringere Werbeeinnahmen erzielen. Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC leitete nach Informationen der „Washington Post“ eine offizielle Untersuchung gegen Facebook ein.

US-Investoren reichten eine erste Klage gegen den Internetkonzern ein. Die Aktionäre machten am Dienstag bei einem Bundesgericht in San Francisco geltend, dass die Konzernführung sie über die Fähigkeiten in die Irre geführt habe, die Daten der Nutzer zu schützen. Der „Los Angeles Times“ zufolge wird Facebook außerdem vorgeworfen, die eigenen Datenschutzvorschriften verletzt zu haben.

Chef von Cambridge Analytica suspendiert

Cambridge Analytica wurde bekannt als die Firma, deren Datenauswertung Trump zum Sieg bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 verholfen haben soll - mit Hilfe von gesammelten Facebook-Daten. Der Chef von Cambridge Analytica, Alexander Nix, wurde suspendiert. Er werde bis zu einer vollständigen, unabhängigen Untersuchung mit sofortiger Wirkung seiner Aufgabe entbunden, teilte das Unternehmen mit. Nix hatte einem angeblichen Kunden gegenüber auch Angaben zu den Verbindungen seines Unternehmens zu Trump gemacht.

Cambridge-Analytica-Ceo Alexander Nix

Reuters/Henry Nicholls

CA-Chef Alexander Nix (M.) am Dienstag beim Eingang in das Büro seines Unternehmens

Der vermeintliche Kunde entpuppte sich aber als britischer Fernsehreporter von Channel 4. Unter anderem will Nix Trump persönlich mehrere Male getroffen haben. Nix selbst sagte, er habe nur ein Spiel gespielt. Das Weiße Haus reagierte zunächst nicht offiziell. Der Undercover-Reporter von Channel 4 hatte sich mit Nix und anderen Topmanagern von November 2017 bis Jänner 2018 mehrfach in Londoner Hotels getroffen.

Prahlen mit Erpressungsversuchen

An einer Stelle antwortete Nix dem Channel-4-Bericht zufolge auf die Frage nach der Möglichkeit, negative Informationen über politische Gegner zu beschaffen, seine Firma könne „Mädchen zum Haus des Kandidaten schicken“. Ukrainerinnen seien „sehr schön, ich finde, das funktioniert sehr gut“. Eine weitere Vorgehensweise sei, einem Kandidaten viel Geld für seinen Wahlkampf anzubieten, zum Beispiel mit Ländereien als Gegenleistung - und das Ganze auf Video aufzunehmen und später zu veröffentlichen.

Auch bei Facebook könnte es laut „New York Times“ personelle Veränderungen geben. Die Zeitung berichtete, dass der in Fachkreisen angesehene Sicherheitschef Alex Stamos Facebook verlassen wolle. Er habe sich dafür eingesetzt, offener über die russische Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf zu informieren, sei aber von anderen Managern davon abgehalten worden. Erst nach Untersuchungen im US-Kongress räumte das Soziale Netzwerk schrittweise ein, dass 150 Millionen Nutzer von Facebook und Instagram mit politischer Propaganda aus Russland in Berührung gekommen sein dürften.

Wie viel wusste Facebook?

Die britische Zeitung „Observer“ hatte am Wochenende berichtet, dass Facebook schon im Jahr 2015 von dem Abfischen von Nutzerdaten durch Cambridge Analytica erfahren habe. Facebook habe damals die mehr als 50 Millionen betroffenen Nutzer darüber nicht informiert und auch „nur begrenzte Schritte“ ergriffen, die Nutzerdaten zurückzuholen und abzusichern.

Brian Acton

Reuters/Mike Blake

WhatsApp-Gründer Brian Acton rät zur Löschung des eigenen Facebook-Accounts

WhatsApp-Gründer ruft zu Facebook-Austritt auf

Die Empörung über den Umgang des Netzwerks mit den Daten der User ist groß. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kursiert bereits eine Kampagne „#DeleteFacebook“, die zum Ausstieg aus dem Sozialen Netzwerk animieren soll. Darunter findet sich ein Tweet von niemand Geringerem als WhatsApp-Gründer Brian Acton: „Es ist Zeit. #deletefacebook“. Acton hatte WhatsApp 2014 gemeinsam mit Kogründer Jan Koum für 16 Mrd. Dollar (rund 13 Mrd. Euro) an Facebook verkauft.

Druck aus der EU

Die EU-Kommission verlangt mittlerweile eine Klarstellung, genauso wie europäische und US-amerikanische Abgeordnete. Vera Jourova, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichberechtigung, kündigte an, die EU werde „alle möglichen rechtlichen Maßnahmen ergreifen“, um die Daten von Bürgern zu schützen. Dazu gehörten auch strengere Datenschutzbestimmungen und deren Durchsetzung.

Europaparlamentspräsident Antonio Tajani twitterte, das Parlament habe Zuckerberg „eingeladen“. Facebook müsse „vor den Vertretern von 500 Millionen Europäern klarstellen, dass persönliche Daten nicht dazu benutzt werden, um Demokratie zu manipulieren“.

Britische Datenschutzbehörde prüft Sachverhalt

Auch die britische Datenschutzbehörde nimmt das Verhalten von Facebook unter die Lupe. Sie prüfe, inwiefern Facebook die gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten und ob das Unternehmen „angemessen reagiert“ habe, als die Dinge aus dem Ruder gelaufen seien, sagte Behördenchefin Elizabeth Denham. Sie will auch einen Durchsuchungsbefehl gegen Cambridge Analytica erwirken. In London erklärte seinerseits der Vorsitzende des Unterhausausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, dass er Zuckerberg in einem Schreiben aufgefordert habe, vor dem Gremium zu erscheinen.

Generalstaatsanwälte aus den US-Bundesstaaten Massachusetts und Connecticut ermitteln mittlerweile, wie mit den Facebook-Daten umgegangen wurde. Auch das Büro des Generalstaatsanwalts in Kalifornien, dem Unternehmenssitz von Facebook, äußerte Bedenken. Trump begrüßte am Dienstag ebenfalls Untersuchungen in Bezug auf die Datenaffäre. Die Privatsphäre müsse geschützt werden, daher begrüße das Weiße Haus diesbezügliche Untersuchungen, hieß es.

„Spitze des Eisbergs“

Der Datenschutzexperte Peter Schaar, Leiter der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID), sieht auch eine Mitverantwortung von Facebook: „Ohne dieses Geschäftsmodell von Facebook hätte es dieses riesige Datenloch nicht gegeben.“ Facebook basiere darauf, dass man sehr viel über die Benutzerinnen und Benutzer wisse. Diese Kenntnisse würden anderen verkauft, um ihre Werbung zielgenau platzieren zu können.

Schaar: „Das ist das Geschäftsmodell von Facebook, davon leben die ganz wesentlich.“ Für den europäischen Datenschutzbeauftragten Giovanni Buttarelli ist dieser Fall nur „die Spitze des Eisbergs“: „Das Problem ist real und riesig“, so Buttarelli. Er forderte internationale Lösungen ein.

Schrems: „Facebook wusste seit 2011 von Datenleck“

Laut dem österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems wusste Facebook schon seit 2011, dass Daten jahrelang veruntreut wurden. Als er 2011 in Irland angezeigt habe, dass „Facebook millionenfach Daten seiner Nutzer illegal diversen zwielichtigen Apps zur Verfügung“ stelle, habe der US-Internetkonzern „das vollkommen legal“ gefunden, wie Schrems in einer Aussendung am Mittwoch mitteilt. Nun fühle sich der Internetgigant „sieben Jahre später plötzlich ‚verraten‘“, kritisierte er.

Schrems habe bereits bei seiner 2011 bei der irischen Datenschutzbehörde eingebrachten Beschwerde kritisiert, dass diese Apps nicht nur die Daten ihrer Nutzer abrufen konnten, sondern auch die Daten von „Freunden“ der Nutzer - ohne deren Zustimmung. Zudem sei damals schon unklar gewesen, welche Apps diese Daten erhielten. Facebook habe hier eklatant gegen europäisches Datenschutzrecht verstoßen, so Schrems. Auch die irische Datenschutzbehörde hätte über diese Vorgänge Bescheid gewusst.

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