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Insektensterben „Problem Nummer eins“

Die Zahl der Vögel geht schleichend, aber dramatisch zurück. Seit 1980 verschwanden europaweit 300 Millionen Brutpaare - und ein Ende des Vogelsterbens ist nicht in Sicht. Beunruhigende Zahlen kamen zuletzt aus Frankreich. Dort ist die Vogelpopulation laut zwei aktuellen Studien in nur 15 Jahren um ein Drittel, bei manchen Arten gar um zwei Drittel geschrumpft.

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Besonders hart getroffen hat es das akut vom Aussterben bedrohte Rebhuhn: Die Bestände sanken um 80 Prozent. „Die Situation ist eine Katastrophe“, sagt Benoit Fontaine, Biologe am französischen Naturkundemuseum und Koautor der Studie: „Unsere ländlichen Regionen drohen zu Wüsten zu werden.“ Die Vögel stürben „in schwindelerregenden Raten“, so die Initiatoren, die sich auf Zählungen stützen.

Pestizide vernichten Nahrung

Schuld daran sind laut den Forschern wohl vor allem exzessive Landwirtschaft, Monokulturen und der Einsatz hochwirksamer Pestizide wie Neonikotinoide. Dadurch fänden die Vögel schlicht und ergreifend nicht mehr genug Nahrung für sich und ihren Nachwuchs. „Es gibt kaum noch Insekten, das ist das Problem Nummer eins“, so der Ökologe und Studienmitarbeiter Vincent Bretagnolle. Rund 60 Prozent aller Vögel sind auf Insekten als Nahrungsquelle angewiesen.

Rebhuhn

Getty Images/drakuliren

Das Rebhuhn steht auch in Österreich auf der roten Liste

Insektensterben als „ökologisches Armageddon“

Dramatische Zahlen zum Insektensterben lieferte passend dazu eine im Vorjahr veröffentlichte Studie. Ihr zufolge ist die Biomasse der fliegenden Insekten in den vergangenen 27 Jahren um ganze 76 Prozent gesunken. Die Daten für die Untersuchung stammen aus Deutschland, wo zwischen 1989 und 2016 an 63 Orten in Naturschutzgebieten Fallen aufgestellt wurden. Die Anzahl der Tiere, die sich darin verfingen, wurde ausgewertet - wobei ein schockierender Rückgang festgestellt wurde.

Einer der Studienautoren sprach von einem „ökologischen Armageddon“. Verliere man die Insekten, werde „alles kollabieren“, so Dave Goulson von der Universität Sussex mit Verweis auf das sensible Ökosystem. Gründe für den enormen Rückgang ließ die Studie offen. Aufgrund methodischer Unschärfen blieb sie auch nicht ohne Kritik. Beispielsweise wurde an keinem der Orte in allen 27 Jahren durchgehend gemessen, weswegen statistische Modelle die Daten ausgleichen mussten. Trotzdem sprangen Forscher für die Studie in die Bresche und betonten, dass sie einen Rückgang von Fluginsekten beweise.

Auch Österreich betroffen

Den Vögeln setzt die Situation jedenfalls in ganz Europa zu. Auch in Österreich gibt es immer weniger Vögel, warnt BirdLife Österreich: „Wir beobachten ein regelrechtes Vogelsterben auf österreichischen Agrarflächen." Bedroht sind vor allem Feld- und Wiesenvögel wie das früher weit verbreitete Braunkehlchen, der Wiedehopf und die Feldlerche. Den Vögeln gehe „durch zu häufige Wiesenschnitte und Düngungen zunehmend der geeignete Lebensraum verloren“, sagt Gabor Wichmann von BirdLife.

Wiedehopf

Getty Images/edoardogobattoni.net

Der Wiedehopf ist mittlerweile ein seltener Zaungast

Auch die französischen Forscher sehen die Ursache für das Vogelsterben nicht allein beim Schwund von Insekten. Immer kleiner werdende Lebensräume, sinkender Waldbestand, weniger Hecken, Gehölze und brachliegende Flächen sowie der verstärkte Einsatz von Monokulturen machten den Vögeln zu schaffen. BirdLife Österreich fordert für den Schutz der Vögel eine naturverträglichere Agrarpolitik frei nach dem Motto „öffentliches Geld für öffentliche Interessen“. Es sollten jene Landwirte belohnt werden, die sich aktiv um den Umweltschutz bemühen.

Die Folgen des Verlusts der Vögel seien schwer einzuschätzen, so der Forscher Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee. „Vögel verbreiten Samen und halten Parasiten in Schach.“ Dazu werde ein Ökosystem generell weniger stabil, je weniger Elemente es enthalte. Auch Menschen würden wahrscheinlich vermissen, was sie bisher als Naturerlebnis kennen - darunter auch das vielfältige Vogelgezwitscher.

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