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„Fabela sah die Grausamkeiten voraus“

An den mexikanischen Juristen und Diplomaten Isidro Fabela (1882 - 1964) wird nicht nur im heurigen Gedenkjahr erinnert. Sein Protest im Namen Mexikos nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland 1938 wurde immer wieder gewürdigt, war es doch der einzige Versuch, international Widerstand zu leisten.

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Seit 2005 trägt etwa eine Promenade bei der Wiener UNO-City den Namen Fabelas. Und auch jetzt, 80 Jahre nach der Annexion, ist Fabelas Protest wieder aktuell. In Österreich fand eine Reihe von Veranstaltungen statt, darunter auf dem Wiener Mexikoplatz, der seit 1956 in Erinnerung an den Völkerbund-Protest den Namen trägt. Am Dienstag fand zudem am Wiener Juridicum ein hochkarätiges Symposium statt, um Fabelas zu gedenken. Mit dabei waren die mexikanische Botschafterin in Österreich, Alicia Buenrostro Massieu, den Ehrenschutz übernahm der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer.

Isidro Fabela

Benypr unter cc by-sa

Isidro Fabela: Jurist, Politiker und Schriftsteller

Fabela formulierte im März 1938 die Protestnote, mit der Mexiko gegen den „Anschluss“ aufstand. Am 19. März, eine Woche nach dem Einmarsch deutscher Truppen, übergab er als Gesandter seines Landes beim Völkerbund dem Generalsekretariat der Weltorganisation in Genf das Schreiben. Zwar protestierten auch andere Staaten gegen den „Anschluss“, etwa die Sowjetunion. Doch erfolgten diese Einwände verbal oder in Form bilateraler Demarchen. Nur Mexiko brachte die Causa vor den Völkerbund - und blieb seiner Linie auch während des gesamten Krieges treu.

„Der politische Tod Österreichs“

„Die Regierung von Mexiko, die die Grundgesetze des Völkerbund-Paktes stets achtet und ihrer Außenpolitik, die keine mit Gewalt herbeigeführte Eroberung hinnehmen kann, immer treu bleibt, protestiert auf das Kategorischste gegen den äußeren Angriff, dessen Opfer die Republik Österreich geworden ist“, hieß es in der Note.

„Der politische Tod Österreichs in der bekannten Form und unter den bekannten Umständen stellt ein schweres Attentat gegen den Völkerbund-Pakt und gegen die übernommenen Grundsätze des Völkerrechts dar.“ Die Behörden, die die „vollziehende Gewalt preisgegeben haben“, hätten nicht das österreichische Volk vertreten, „das sicherlich den Tod seines Vaterlandes als eine düstere Tragödie ansieht; die Behörden selbst, welche der Gewalt weichen mussten, haben nicht frei gehandelt, da ein erzwungener Willensakt kein Willensakt ist“, so der Text.

Protestnote

Juridicum/ORF

Die Protestnote wurde am 19. März 1938 in Genf übergeben

„Fabela sah die Grausamkeiten voraus“, sagte Botschafterin Buenrostro beim Symposium am Dienstag. Er habe die Prinzipien des internationalen Rechts hochgehalten, Prinzipien, die Mexiko auch in den vergangenen Jahrzehnten stets geleitet hätten.

Kein anderes Land stimmte ein

Die mexikanische Note sollte 1938 weitere Staaten Lateinamerikas und auch Europas zu Protesten animieren, Stellung zu nehmen. Doch dazu kam es nicht. Kein weiteres Mitglied des Völkerbundes schloss sich dem mexikanischen Protest an. Die Gründe Mexikos, allein auf weiter Flur gegen die Aggression Nazi-Deutschlands aufzubegehren, waren vielfältig. Ebenso wie Österreich hatte das Land ein großes Machtzentrum - die USA - als Nachbarland, dessen Stärke es fürchtete.

Öl und Waffen

Doch es gab auch eine handfeste Motivation: Die Protestnote wurde dem Völkerbund am Tag nach der Verstaatlichung des mexikanischen Erdöls übermittelt, die insbesondere von den USA kritisch betrachtet wurde. Am Beispiel Österreich wollte Mexiko seine Entschlossenheit demonstrieren, keinerlei Einmischung von außen zu dulden.

Fabela kabelte am 17. März den verschlüsselten Text der geplanten Note von Genf nach Mexiko, wo am gleichen Tag der Inhalt in einer spanischen Fassung der mexikanischen Presse übermittelt wurde. Präsident Lazaro Cardenas ließ aber für die offizielle Übermittlung an den Völkerbund noch einen Tag verstreichen. Der linksgerichtete Politiker wolle die Enteignung der ausländischen Ölgesellschaften am 18. März abwarten. Daher wurde die Protestnote erst am 19. März dem Völkerbund überreicht.

Isidro-Fabela-Promenade, Wien, UNO-City

El bes unter cc by-sa

Die Isidro-Fabela-Promenade bei der Wiener UNO-City erinnert an Mexikos Protest

Der mexikanische Präsident war im Jahr 1938 auch mit innenpolitischem Widerstand konfrontiert. Seine Gegner, etwa Ex-Präsident Plutarco Calles, sympathisierten mit den Nazis. Zudem half Mexiko dem von den Faschisten bedrohten Spanien als Zwischenstation für Waffenlieferungen, auch von Waffen aus Österreich. Hitler-Deutschland versuchte, Mexiko zumindest zu einer stillschweigenden Anerkennung des „Anschlusses“ zu bewegen. Es wurde sogar ein Putsch gegen Präsident Cardenas angezettelt. Mexiko aber blieb bei seiner Haltung.

Fischer: „Humanistische Position“

Daher auch die Würdigung der damaligen Haltung Mexikos und seines Diplomaten: Fabela sei eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einer außergewöhnlichen Zeit gewesen, so Ex-Bundespräsident Fischer. Er habe aber sicher nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass sein Schritt vor 80 Jahren noch heute so geehrt würde. Fabela sei ein gutes Beispiel für einen Diplomaten, ein gutes Beispiel für einen Menschen gewesen. „Er hat getan, was ihm sein Gewissen als richtig vorgab“, so Fischer bei dem Symposium.

Trotz des Jubels, der Menschen, die die Annexion 1938 begrüßten und Hitler folgten - „nichtsdestotrotz marschierte eine Armee in ein anderes Land ein“, so Fischer. Mexiko habe eine humanistische Position eingenommen, auf Grundlage des Rechts. Das werde heute noch hochgeschätzt. „Ich bin sicher, dass man sich auch noch 2038 daran erinnern wird“, sagte Fischer.

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