„Frühlings Erwachen“: Vor 100 Jahren starb Frank Wedekind

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Heute vor 100 Jahren ist der deutsche Schriftsteller, Dramatiker und Schauspieler Frank Wedekind gestorben. Das Werk des 1864 geborenen Autors war geprägt von der radikalen Infragestellung konventioneller Werte.

Frank Wedekind

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Er trat für die Befreiung der Sexualität ein und revoltierte gegen die spießbürgerliche Enge der wilhelminischen Gesellschaft. Zu seinen Lebzeiten wurde sein Schaffen äußerst kontrovers rezipiert. „Er erzeugte, in einem hin“, schrieb Heinrich Mann über Wedekind, „Grausen und Gelächter.“

Im Visier der Zensur

Mit seinen Arbeiten setzte sich Wedekind immer wieder der Zensur aus. Fast jedes seiner 22 Bühnenstücke wurde zunächst wegen Amoralität verboten, fast jedes seiner Bücher konfisziert. Sein Drama „Lulu“, ein Stück, das vor einigen Jahren von Lou Reed und der Band Metallica aufgegriffen wurde, sowie das Stück „Frühlings Erwachen“ gelten als radikale Attacken auf die verlogene Sexualmoral seiner Zeit.

Wedekind wuchs in betuchten Verhältnissen auf. Sein Vater war nach der gescheiterten März-Revolution 1848/1849 in die USA ausgewandert, wo er während des kalifornischen Goldrauschs ein bedeutendes Vermögen erwarb. In San Francisco heiratete er Emilie Kammerer, die Tochter des Erfinders der Streichhölzer. 1864 kehrte das Paar nach Deutschland zurück.

„Amour fou“ mit Tilly Newes

Mit Wedekind ist auch eine der berühmtesten und groteskesten Liebesgeschichten der Literaturgeschichte verbunden. Im Jahr 1905 lernte er in Wien bei der durch Karl Kraus in die Wege geleiteten österreichischen Erstaufführung seines Stückes „Die Büchse der Pandora“ die Schauspielerin Tilly Newes kennen.

Newes spielte in dem Stück die Rolle der Lulu, Wedekind selbst spielte Jack the Ripper, ihren Mörder. Die beiden verliebten sich und heirateten. Von der „Amour fou“ des Paars erzählen 700 Dokumente ihrer Korrespondenz, die nun erstmals vollständig im Wallstein-Verlag vorliegen.

„Eine Männertragödie“

Zusätzlich startet der Verlag zum 100. Todestag Wedekinds eine neue Werkausgabe in 15 Einzelbänden. Anatol Regnier, Sohn der Wedekind-Tochter Pamela, nannte sein im Jahr 2008 erschienenes Buch über den Großvater im Untertitel „Eine Männertragödie“.

Denn Wedekind steht fast sprichwörtlich für die Zerrissenheit, die Groteske und den Konventionsbruch eines Poeten und Dramatikers, der sich als Outlaw und Rebell versteht.

Er schwankte zeit seines Lebens zwischen emanzipatorischer Befreiung der Sexualität und manipulativer Obsession. Dass sein Werk heute im Lichte von „#MeToo“ anders rezipiert werden würde, kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden.