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Einziges Störfeuer kommt von Nawalny

Der 65-jährige Wladimir Putin wird mit der Präsidentenwahl am 18. März höchstwahrscheinlich seine vierte Amtszeit einläuten. Damit würde er bis 2024 an der Macht in Russland bleiben. Die Wahlkommission hat neben dem amtierenden Kreml-Chef sieben weitere Kandidaten zugelassen. Sorgen muss sich Putin deshalb aber nicht machen.

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Die rund 109 Millionen zur Wahl aufgerufenen Russinnen und Russen dürften sich erneut für Putin entscheiden und ihm so eine vierte Amtszeit ermöglichen. Damit wäre er seit dem Jahr 2000 durchgehend in Russland an der Macht: zwischen 2008 und 2012 als Regierungschef unter Präsident Dimitri Medwedew, ansonsten als Präsident.

90 Prozent auf der Krim erwartet

Putins Zustimmungsraten liegen über 70 Prozent. Auf der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim dürfte die Unterstützung für den Kreml-Chef noch größer ausfallen: Hier könnten rund 90 Prozent der Stimmen an Putin gehen, wie aus einer Erhebung des staatlichen Instituts WZIOM hervorgeht. Im Wahlkampf gibt es in Russland vor allem Umfragen staatlicher Institute. Das unabhängige Lewada-Zentrum darf vorübergehend aufgrund von umstrittenen Auflagen der Behörden keine Erhebungen zur Präsidentenwahl veröffentlichen.

Wahlplakat zeigt Präsident Wladimir Putin

APA/AP/Nataliya Vasilyeva

In Russland bleibt der Wahlkampf unaufgeregt - angesichts eines Präsidenten, der fest im Sattel sitzt

Auch die Wahlbeteiligung dürfte auf der Krim höher ausfallen als im Rest Russlands. Die Wahl findet am symbolischen Tag der Krim-Annexion statt. Unter Putins Führung hatte sich Russland am 18. März 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel einverleibt. Während die Ukraine und die EU den Schritt als Völkerrechtsbruch werten, ließ er in Russland Putins Beliebtheit nur noch steigen.

Wenige große Auftritte

Sein Image des starken Mannes unterstrich Putin erneut Anfang des Monats in seiner Rede an die Nation. Dabei stellte er neue, angeblich nicht abfangbare Nuklearwaffen vor, mit denen er Russland beschützen will. Die Waffen seien eine Reaktion auf die US-Raketenabwehr, so Putin. In einem TV-Interview legte er nach: „Wenn man sich die Entwicklungstendenzen in der Welt anschaut, dann ist es besser, Russland als Verbündeten zu haben. Wir sind eine Großmacht“

Der russissche Präsident Wladimir Putin

Reuters/Maxim Shemetov

Putin im Luschniki-Stadion: Der Auftritt war nach wenigen Minuten vorbei

Wenn es Kritik wegen Armut oder Korruption gibt, dann an Regierung und Behörden - nicht am Präsidenten. Angesichts der Zustimmungswerte gibt es auch keinen ausufernden Wahlkampf. Größere Auftritte Putins sind selten. Kürzlich stand der Kreml-Chef im Moskauer Luschniki-Stadion, Russlands wichtigster Arena bei der Fußball-WM diesen Sommer, und sang mit rund 100.000 Anhängern die Nationalhymne. Die russische Bevölkerung rief er auf, alles für das Glück ihrer Kinder und Enkel zu tun. „Wenn wir das zusammen machen, dann stehen die kommenden Jahrzehnte, das ganze 21. Jahrhundert im Zeichen unserer strahlenden Siege“, so Putin. Der Auftritt bei der Kundgebung mit dem Titel „Für ein starkes Russland“ dauerte nur wenige Minuten, danach ging Putin wieder, ebenso wie die meisten Zuschauer.

Gegner chancenlos

Putins sieben zugelassene Gegenkandidaten stehen in seinem Schatten. Neben altbekannten Kandidaten wie dem Ultranationalisten Wladimir Schirinowski treten auch neue Gesichter an, etwa der Unternehmer Pawel Grudinin für die Kommunistische Partei. Er wirbt für eine gerechte Gesellschaft. Einen liberalen Wandel verspricht Xenia Sobtschak, Journalistin und frühere TV-Moderatorin. Die 36-Jährige geht als „Kandidatin gegen alle“ an den Start und kritisiert das Fehlen von Pluralismus und auch die Annexion der Krim. Die Nähe ihrer Familie zu Putin sorgt jedoch bei vielen für Misstrauen. Sobtschak ist die Tochter von Anatoli Sobtschak, des einstigen St. Petersburger Bürgermeisters. Er gilt als politischer Ziehvater Putins.

Russland vor der Wahl

Putin steht vor seiner Wiederwahl. ORF-Korrespondentin Carola Schneider war bei einem Termin Putins in Kaliningrad dabei.

Auch Grigori Jawlinksi tritt gegen Putin an. Seit knapp 25 Jahren kämpft er mit seiner linksliberalen Partei Jabloko für eine gerechtere Politik. Dabei hat der 65-Jährige schon etliche Niederlagen einstecken müssen. Zweimal kandidierte er erfolglos bereits für das Amt des Kreml-Chefs; 2012 zerschlug die Wahlkommission seine Ambitionen wegen angeblich gefälschter Unterschriften. 2007 flog seine Partei aus dem Parlament.

Beteiligung als möglicher Wermutstropfen

So wie Jawlinksi sind auch die übrigen Gegenkandidaten Putins chancenlos. Das einzige, was den Glanz eine Wahlsieges für Putin trüben könnte, wäre eine allzu niedrige Wahlbeteiligung. Ein schwaches Mandat könnte an der Legitimität der Wiederwahl kratzen. 2012 nahmen offiziell 65,2 Prozent der Wähler teil, und Putin siegte mit 63,6 Prozent der Stimmen.

Putins Gegner behaupten, die Beteiligung sei bei Wahlen in der Vergangenheit durch Tricksereien künstlich aufgebläht worden. Putins schärfster Kritiker, der Jurist und Aktivist Alexej Nawalny, will etwa am Wahltag Tausende Beobachter in Wahllokale schicken, um Fälschungsversuche aufzudecken. Nawalny selbst wollte Putin bei der Wahl herausfordern, war aber nach einer umstrittenen Verurteilung wegen Unterschlagung nicht zugelassen worden. Der 41-Jährige bestreitet die ins Jahr 2009 zurückreichenden Vorwürfe und spricht von einem politisch motivierten Urteil.

Nawalny rechnet mit Inhaftierung

Nawalny kann immer wieder Zehntausende zu Protesten gegen Putin mobilisieren. Auch im Ausland gelangte er als Anführer der Proteste gegen die umstrittene Parlamentswahl im Dezember 2011 und die Wiederwahl von Putin ins Präsidentenamt im Mai 2012 zu Bekanntheit. Das „Time“-Magazin wählte ihn 2012 unter die hundert einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Dabei ist Nawalny auch umstritten: Seine nationalistische Rhetorik und die Teilnahme an Aufmärschen ausländerfeindlicher Gruppierungen sorgen bei vielen für Empörung.

Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny

APA/AFP/Vasily Maximov

Nawalny im Februar bei einer Demonstration in Gedenken an den ermordeten Kreml-Kritiker Boris Nemzow

Die Justiz strengte immer wieder neue Verfahren gegen ihn an. Wegen unangemeldeter Proteste kam er wiederholt in Haft. Nun drohen ihm wegen einer Protestveranstaltung am 28. Jänner weitere 30 Tage. Er wirft den russischen Behörden vor, ihn während der Präsidentschaftswahl ins Gefängnis stecken zu wollen. „Der geniale Plan ist offenbar, dass ich am 5. April freikomme“, schrieb Nawalny in seinem Blog. Die Behörden wollten so verhindern, dass er Oppositionskundgebungen veranstalten könne.

Nawalny rief zu einem Boykott der Wahl auf. Er forderte auch die EU auf, die Wahl nicht anzuerkennen. Es gebe Millionen Russen, deren Stimme nicht gehört werden könne, weil ihre Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden seien, so Nawalny. In der russischen Opposition gibt es niemanden, der landesweit so bekannt ist wie Nawalny. Aber auch er hätte gegen Putin keine Chance: Den Umfragen zufolge würde er nicht einmal zwei Prozent der Stimmen auf sich vereinen.

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