Anklage fordert lebenslange Haft
Zum Auftakt seines Prozesses in Kopenhagen hat der dänische U-Boot-Bauer Peter Madsen den Vorwurf des Mordes an der schwedischen Journalistin Kim Wall erneut zurückgewiesen. Der Angeklagte bleibe bei seiner Darstellung, wonach Wall durch einen Unfall an Bord seines U-Boots gestorben sei, so Madsens Anwältin am Donnerstag im Namen ihres Mandanten vor Gericht.
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Zunächst verlas die Staatsanwaltschaft die Anklagepunkte. Madsen bekannte sich daraufhin nicht schuldig. Auch zu den Vorwürfen von sexuellem Missbrauch bekannte er sich nicht schuldig. Madsen bekannte sich nur schuldig, die Leiche der jungen Frau zerteilt und über Bord geworfen zu haben. Auch Verstöße gegen das Seefahrtsgesetz gestand Madsen ein, nicht jedoch die Gefährdung anderer.
Laut dem dänischen Rundfunk sagte Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen, dass mehr als 215 Zeugen befragt wurden und die Polizei mehr als 1.000 Anfragen aus der Bevölkerung erhielt. Der Fall enthalte „makabres Bildmaterial“, das den Zusehern nicht gezeigt werde. Die Staatsanwaltschaft verlangt lebenslange Haft oder Sicherungsverwahrung. Die Anklage geht von einer vorsätzlichen Tötung aus, da Madsen eine Säge, einen scharfen Schraubenzieher, Riemen und Rohre mit an Bord gebracht habe.

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Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen sprach vor Prozessbeginn mit der Presse
Walls Eltern im Gerichtssaal
Im Laufe des ersten Prozesstages wurden einige grausige Details von der Anklage verlesen. Madsen wird vorgeworfen, Wall gefoltert und anschließend ermordet zu haben. Der 47-Jährige soll die 30-Jährige gefesselt, auf sie eingeschlagen und eingestochen haben, zahlreiche Stichwunden wurden gefunden, heißt es in der Anklageschrift. Im Anschluss soll Madsen die Frau zerstückelt und die beschwerten Leichenteile in Plastik verpackt im Meer versenkt haben.
Madsen hörte während der Anklageverlesung still zu. Hin und wieder suchte er Augenkontakt mit den Beobachtern. Auch Walls Eltern waren im Gerichtssaal anwesend. Unmittelbar neben ihnen saß Jens Möller Jensen von der dänischen Polizei, der in dem Fall ermittelt hatte.
Angeklagter will keine Geschworenen
Madsen ist unter anderem wegen Mordes und Leichenschändung angeklagt. Das Urteil soll am 25. April fallen. Auf Wunsch von Madsen gibt es beim Prozess keine Geschworenen, es sollten so wenige Menschen wie möglich über sein Schicksal entscheiden, wurde über seine Anwältin Ende Jänner bekannt. Damit wird das Urteil von einem Richter und zwei Schöffen gefällt.

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Verteidigerin Betina Hald Engmark besteht auf Madsens Darstellung
Madsen änderte Angaben zu Ablauf mehrmals
Zuvor hatte Madsen selbst immer wieder seine Angaben zum Verbleib und schließlich Tod der Journalistin geändert. Nach ihrem Verschwinden im Zuge eines Besuchs auf Madsens U-Boot am 10. August hatte er zuerst angegeben, die Frau lebend an Land gebracht zu haben. Er war selbst am 11. August gerettet worden, als sein U-Boot vor Kopenhagen sank - angeblich wegen technischer Probleme.

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Madsen gilt als Sonderling
Blutspuren im U-Boot gefunden
Die Polizei schöpfte umgehend Verdacht, nachdem Walls Blutspuren im U-Boot gefunden wurden. Als am 21. August Walls Torso im Meer vor Kopenhagen gefunden wurde, behauptete Madsen, Wall sei die Einstiegsluke des U-Boots auf den Kopf gefallen und er habe in Panik die unverstümmelte Leiche über Bord geworfen.

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Die 30-jährige Walls wollte Madsen für eine Geschichte interviewen
Im Oktober finden Taucher schließlich Walls Kopf, ohne Hinweis auf Verletzungen, die eine rund 70 Kilogramm schwere Luke verursachen würde. Madsen gibt zu, die Leiche zerstückelt zu haben. Zwischenzeitlich hatte er auch behauptet, Wall könnten durch eine Kohlenmonoxidvergiftung unter Deck des U-Boots gestorben sein. Schließlich werden auch Walls Beine und ihre Kleidung in beschwerten Plastiksäcken gefunden, kurz darauf ihre Arme.
Angeklagter schildert weitere Variante
An der Version von Madsen, dass Wall an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben sei, äußerte der Staatsanwalt am Donnerstag Zweifel. Technische Gutachter hielten es zwar für möglich, dass sich plötzlich Kohlenmonoxid im Boot gebildet habe, so Buch-Jepsen. Doch zugleich hätte sich das U-Boot dann rasant und gewaltig erwärmt, was an der Leiche Spuren hätte hinterlassen müssen.
Im Laufe des ersten Prozesstages änderte Madsen seine Angaben zum Ablauf ein weiteres Mal. Wall soll an Bord seines U-Bootes erstickt sein. Er habe etwas reparieren wollen, habe deshalb einen Kompressor und zwei Motoren gestartet und sei durch ein Luk nach draußen geklettert. Er habe das Luk nicht wieder öffnen können, wohl weil sich ein Unterdruck im Boot gebildet habe. Erst nach einer Weile habe er das Luk wieder öffnen können. Wall sei leblos im Boot gelegen. Die Staatsanwaltschaft glaubt nicht an den beschriebenen Unfall.
Madsen verweigert Kooperation
Wie Wall tatsächlich starb, ist weiterhin offen. Madsen verweigert seit den Leichenteilfunden laut Staatsanwaltschaft jede Kooperation mit den Behörden. Entscheidungen des Gerichts über eine Verlängerung der U-Haft kam er durch eine freiwillige Verlängerung mehrfach zuvor.
Laut Polizei verging sich Madsen kurz nach Walls Tod sexuell an der Leiche; er selbst bestreitet das. Die Ermittler vermuten sexuelle Motive hinter der Tat. In seiner Werkstatt fanden sie auf einer Computerfestplatte Filme, in denen Frauen gefoltert, enthauptet oder lebendig verbrannt werden. Madsen bestreitet bisher, dass die Festplatte ihm gehört.
Einige Popularität
Bis zu dem Tod der Journalistin galt Madsen für viele als schrulliger, aber auch in der Öffentlichkeit durchaus bewunderter Bastler, der immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Schon als kleiner Bub experimentierte „Raketen-Madsen“ mit Raketenantrieben, mit 15 gründete er seine erste Firma und sammelte Schrottteile, um daraus eine Rakete zu bauen. Er baute in Eigenregie Raketen, die er auch erfolgreich testete, etwa 2011 von einer Plattform vor der Insel Bornholm.

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Das U-Boot „Nautilus“ hat Madsen gemeinsam mit 25 Freiwilligen gebaut
Selbst gebaut ist auch das U-Boot namens „Nautilus“, das 2008 erstmals in See gestochen ist. Das nach einer Vorlage von Jules Verne benannte, 18 Meter lange Boot ist eines der größten privat betriebenen U-Boote der Welt. Ganz alleine baute Madsen das U-Boot nicht: 25 Freiwillige halfen ihm dabei. Er überwarf sich jedoch mit allen ebenso wie mit dem früheren NASA-Mitarbeiter Kristian von Bengtson, dem er seine ersten Raketen verdankt.
Vertraute beschreiben Madsen als fanatisch, eigenwillig und streitsüchtig, er selbst bezeichnete sich einmal als „Fluch“ für seine Umwelt. Er soll laut Zeugen, darunter Ex-Freundinnen, Anhänger brutaler Sadomaso-Praktiken sein. Er sei wütend auf „Gott und jedermann“, wird sein Biograf Thomas Djursing zitiert - bisher sei Madsen aber nicht durch sichtbare oder öffentliche Gewalt aufgefallen.
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