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Weniger strikt, keine Sanktionen

Island, das seit Jahrzehnten immer wieder frauenpolitisch aufhorchen lässt, hat mit Jahresbeginn einen weltweit einzigartigen Schritt gewagt: Unternehmen müssen der Regierung die Gehaltsstrukturen melden - stellt diese eine Ungleichbehandlung fest, drohen Strafen. Firmen mit 25 und mehr Angestellten müssen damit nachweisen, dass sie nicht diskriminieren.

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In Österreich gibt es demgegenüber bereits seit 2011 eine Regelung, die Unternehmen zu einer gewissen Offenlegung der Einkommensstrukturen zwingt. Offengelegt werden freilich nicht einzelne Gehälter, wie es das in den USA in einigen Unternehmen bereits gibt, sondern nach Verwendungsgruppen. Die diversen Zuschläge, die für Gehälter oft entscheidend sind, werden dabei nicht eigens ausgewiesen. Die Offenlegungspflicht gilt außerdem nur für Unternehmen ab 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - das Gros der Beschäftigten ist damit nicht umfasst.

Der Bericht wird von der Geschäftsführung dem Betriebsrat vorgelegt und bleibt intern. Es besteht zudem Verschwiegenheitspflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach außen. Und anders als in Island gibt es hierzulande keine Sanktionen, wenn ein Unternehmen diskriminiert. Im Alltag weist der Betriebsrat in solchen Fällen das Unternehmen auf Diskriminierung hin und kann versuchen, intern Druck zu machen.

Island für Regierung kein Vorbild

Die Frauensprecherinnen der heimischen Parlamentsparteien und Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sehen das isländische Modell gegenüber ORF.at sehr unterschiedlich: Die Regierungsparteien planen keine Schritte in diese Richtung, FPÖ-Frauensprecherin Carmen Schimanek betont, es sei aufgrund der unterschiedlichen Lohnsysteme nicht auf Österreich anwendbar.

Lohnunterschiede Männer-Frauen, Teilzeitquote Männer-Frauen, jeweils im EU-Vergleich (ausgewählte Länder) - Säulengrafiken

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

SPÖ und Liste Pilz dafür

SPÖ und Liste Pilz begrüßen das isländische Gesetz dagegen. Ein solches wäre für Österreich „ideal“, so SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. Als einziges Land verpflichte Island Unternehmen nämlich, nicht zu diskriminieren - und vor allem sieht es Strafen vor. Mit Sanktionen gegen Verstöße beim heimischen Einkommensberichtsgesetz, das seit 2011 in Kraft ist, habe sich die SPÖ gegen den Koalitionspartner ÖVP nie durchsetzen können.

Auch ein SPÖ-Vorstoß im Jahr 2016, Unternehmen zur Aufschlüsselung der Gehaltsbestandteile zu verpflichten, sei von Wirtschaftsseite abgewehrt worden, so Heinisch-Hosek. Sie kündigte einen SPÖ-Entschließungsantrag in Sachen isländisches Modell an die fachlich zuständige FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein an. Außerdem sei man nach einem Besuch im Vorjahr mit isländischen Abgeordneten im Kontakt.

Anderes Karenzmodell und 50:50-Quote

Für NEOS-Sprecherin Claudia Gamon hätte das isländische Modell nur Sinn, wenn ein Verstoß „echte Konsequenzen“ hätte. Sie verweist auf die schwere Umsetzbarkeit und darauf, dass es ohnehin Lücken hätte, da es in Österreich 40 Prozent der Beschäftigten nicht erfassen würde. Zielführender findet Gamon Maßnahmen, die dafür sorgen, dass Männer mehr unbezahlte Arbeit - etwa Kinderbetreuung und Pflege - übernehmen. Sie plädiert dafür, die Karenzregelung „umzubauen“: Vater wie Mutter sollen denselben Anspruch haben, „der aber auch nicht übertragbar ist, wenn er nicht in Anspruch genommen wird“. In Island etwa habe diese „Take it or leave it“-Modell die Zahl der in Karenz gehenden Väter „enorm“ erhöht.

Auch Liste-Pilz-Frauensprecherin Maria Stern sieht in der Tatsache, dass Frauen bis heute den überwiegenden Teil der unbezahlten Arbeit machen, die „eigentliche Ursache“ für die Lohnschere. Stern fordert zudem eine 50:50-Quote in Aufsichtsräten und Vorständen. Seit Jänner ist erstmals eine Quotenregelung in Kraft: Sie schreibt 30 Prozent Frauenanteil für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten oder solche, die an der Börse notiert sind, vor.

Fehlende Angst vor Männerkarenz

Heinisch-Hosek fordert zudem verstärkte Frauenförderung in Betrieben. „Dazu gehört auch Väterkarenz“, betont sie. Das ist auch für Stern ein entscheidender Faktor: „Solange Betriebe ein Problem mit der Einstellung einer 30-jährigen Frau haben, aus Angst, dass sie gleich schwanger wird - und solange sie nicht das gleiche Problem bei Männern haben, solange haben wir ein Problem.“

Die Proponentinnen und Proponenten des derzeit in der Vorphase laufende Frauenvolksbegehrens orientierten sich eigenen Angaben zufolge nicht an Island. Doch dessen Modell „fänden wir auch gut“. Das Volksbegehren fordert den Abbau von Lohndiskriminierung in allen Unternehmen, unabhängig von deren Größe.

Evaluierung und Bewusstseinsbildung

Die Regierung will bis Ende des Jahres nun zunächst das Einkommensberichtsgesetz evaluieren. Zur „Bewusstseinsbildung“ soll auch vermehrt auf - bereits bestehende - Infomöglichkeiten für Betroffene, wie den Gehaltsrechner, hingewiesen werden. Dass Frauen oft zu wenig wüssten, wie sie sich informieren können, darin sind sich alle Parteien einig. Wenn Frauen nämlich „wissen, was Männer im gleichen Betrieb verdienen, dann trauen sie sich vielleicht auch, selbst härter zu verhandeln“, fasst es Stern zusammen.

Die Regierung werde außerdem gemeinsam mit den Sozialpartnern die Kollektivverträge prüfen, etwa auf die Anrechnung von Karenzzeiten bei Vorrückungen, betonte FPÖ-Sprecherin Schimanek, die hier aber vor allem die Sozialpartner in der Pflicht sieht. Schimanek kann einem Modell, wonach Frauen in der Karenz etwa einen Tag in der Woche arbeiten gehen können, ohne die Ansprüche zu verlieren, viel abgewinnen. Das würde Betroffenen helfen, „nicht den Anschluss verlieren“.

WKÖ: Gibt keine Diskriminierungen

Auf Nachfrage bei den Sozialpartnern zeigt sich, dass die Positionen weit auseinander liegen: Keinerlei Problem mit dem Durchforsten der Kollektivverträge hat die Wirtschaftskammer (WKÖ) - denn: „Aus unserer Sicht gibt es keine Diskriminierungen“, betonte WKÖ-Sozialsprecher Rolf Gleißner. Die Wirtschaft sei generell gegen die Anrechnung von Karenzen bei Vorrückungen. Deren Sinn sei ja, dass durch größere Berufserfahrung die Arbeitnehmerin, der Arbeitnehmer produktiver werde. Und das sei bei der Karenz „natürlich nicht der Fall“.

In einzelnen KVs würden Karenzzeiten berücksichtigt, weil die Gewerkschaft darauf bestanden habe. KV-Verhandlungen seien aber ein Geben und Nehmen, machte Gleißner klar, dass dafür andere Wünsche nicht erfüllt wurden. Er stellt auch klar, dass die Arbeitgeberseite gegen eine Konkretisierung oder Verschärfung der Einkommensberichte oder einen Ausbau der Väterkarenz ist. Detto spricht sich Gleißner gegen das isländische Modell der Einkommenstransparenz aus. All das bedeute nur mehr Bürokratie, und es gebe bereits genügend Instrumente, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Gewerkschaft: Per Gesetz regeln

Die Gewerkschaftsseite dagegen fordert vehement, dass Karenzzeiten generell bei Vorrückungen berücksichtigt werden. Man versuche seit Jahren, das in die Kollektivverträge hineinzuverhandeln, betonte Sandra Breiteneder von der Gewerkschaft GPA-djp. Aber nicht immer mit Erfolg. Im KV-Handel - in der Branche arbeiten besonders viele Frauen - sei das aber etwa gelungen. Breiteneder sieht jedoch generell die Regierung am Zug. Diese solle das generell über das Mutterschutzgesetz regeln.

In Sachen Einkommenstransparenz sieht Breiteneder Island durchaus als Vorbild. Bei der heimischen Regelung gebe es jedenfalls „viel Nachbesserungsbedarf“ - vor allem müsse es Sanktionen bei Nichteinhaltung geben.

Ex-Frauenminister Heinisch-Hosek verwies gegenüber ORF.at darauf, dass die Möglichkeiten in der Opposition sehr begrenzt seien. Während im ÖVP-Klub auf die Statements der Frauenministerin verwiesen wurde, betonte FPÖ-Frauensprecherin Schimanek, dass es vieler kleiner Schritte bedürfe, und sprach vom „Bohren dicker Bretter“. Und die Vorstellungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite liegen in der Sache ebenfalls weit auseinander. Bleibt also abzuwarten, wie viel sich bis zum nächsten Frauentag bewegen wird. Spätestens dann ist die Einkommenstransparenz wieder ein großes Thema.

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