„Ungarischer Boden in ungarischer Hand“
Das Motto „Ungarischer Boden in ungarischer Hand“ hat die ungarische Regierung Ende 2013 mit einem neuen Bodengesetz umsetzen wollen. Damit verloren ausländische Eigentümer legal erworbene Nutzungsrechte an ungarischen Agrarflächen. Auch zahlreiche Österreicher waren betroffen. Nun wurde Ungarn vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen des umstrittenen Bodengesetzes verurteilt.
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Damit hat auch ein Österreicher, der Inhaber von Nießbrauchsrechten an landwirtschaftlichen Flächen in Ungarn ist, mit seiner Klage Recht erhalten. Die EU-Kommission hatte Ungarn zuvor wegen der Nichteinhaltung von EU-Vorschriften über die Rechte ausländischer Investoren in diesem Bereich geklagt. Im Mittelpunkt des Streits standen Nießbrauchsrechte von Investoren in Ungarn, also vertraglich zugesicherte Rechte auf Nutzen und Gewinne aus Landflächen.
Übergangsfrist stark gekürzt
Betroffen waren nicht nur Bauern, sondern auch Ausländer, die in Ungarn einen Garten, Obst- oder Weingarten im Nießbrauch erworben haben. Nutznießern, die kein enges Verwandtschaftsverhältnis zum ungarischen Bodeneigentümer nachweisen konnten, wurde das Nutzungsrecht ohne Entschädigung gelöscht - nach einer Übergangsfrist von nur viereinhalb Monaten statt der zuvor angekündigten Übergangszeit von 20 Jahren. Die Nießbrauchsrechte wurden bereits mit 1. Mai 2014 gekündigt - rund viereinhalb Monate nach Inkrafttreten des Bodengesetzes. Die Inhaber des Nießbrauchsrechts konnten aus dem Grundbuch gelöscht werden - ohne Entschädigung.

Reuters/Laszlo Balogh
Vom Bodengesetz waren Bauern, aber auch Nutznießer von Obst- und Weingärten betroffen
Die EU-Kommission hatte vor der Klage vor dem EuGH bereits im Oktober 2014 ein Verfahren eingeleitet, weil aufgrund dieser ursprünglich länger geplanten Übergangszeit Investoren entsprechende Investitionsentscheidungen getroffen hätten: „Das neue Gesetz scheint sie nun ihrer erworbenen Rechte und des Wertes ihrer Investitionen zu berauben“, erklärte die EU-Kommission im Oktober 2014. Kritisiert wurde auch die mögliche kurzfristige einseitige Beendigung von bestimmten Pachtverträgen.
EuGH sieht Verstoß gegen Unionsrecht
Laut dem EuGH-Urteil vom Dienstag ist es nun ein Verstoß gegen das Unionsrecht, wenn Personen, die nicht in einem nahen Angehörigenverhältnis zu den Eigentümern der landwirtschaftlichen Fläche in Ungarn stehen, dieses Nießbrauchsrecht genommen werde. Das sei eine mittelbare diskriminierende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die nicht gerechtfertigt sei.
EuGH verurteilt Ungarn
Laut Urteil des EuGH dürfen etwa 200 Landwirte aus Österreich Böden in Ungarn weiter bewirtschaften. Vor fünf Jahren hat Ungarn beschlossen, Bauern aus Österreich das Nutzungsrecht von Böden zu entziehen.
Ungarn hatte seine Maßnahmen damit argumentiert, angebliche Verstöße ausländischer Erwerber von Nießbrauchsrechten gegen die nationalen Vorschriften über Devisenkontrolle zu ahnden. Diese Argumentation wies der Gerichtshof zurück.
Jahrelang Streit über Bodenerwerb
Der Bodenerwerb hatte immer wieder zu Spannungen zwischen Ungarn und Österreich geführt. Schon 1994 hatte Ungarn Ausländern den Kauf ungarischen Bodens verboten. Damit wollte sich Ungarn vor dem billigen Aufkauf seines Bodens durch ausländische Spekulanten schützen.
Deswegen wurden zwischen 1994 und 2001 zahlreiche Pachtverträge auf 20 Jahre oder gesetzeskonforme Nießbrauchsverträge abgeschlossen, mit denen der ungarische Grundeigentümer dem ausländischen Nutznießer den Boden auf Lebenszeit oder 99 Jahre überlässt. Im Gegensatz zu Pachtverträgen wird bei Nießbrauchsverträgen der gesamte Preis für den Nießbrauch bei Vertragsabschluss bezahlt. Das 2013 in Kraft getretene Bodengesetz hatte all diese Verträge für nichtig erklärt.
Kritik an „Taschenverträgen“
Diese Verträge hatten ungarische Politiker immer wieder als „Taschenverträge“ bezeichnet, bei denen durch Umgehung der geltenden ungarischen Rechtsvorschriften in Ungarn Boden gekauft worden sei. Sie warfen Ausländern, allen voran Österreichern, vor, sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten über ungarische „Strohmänner“ günstig landwirtschaftliche Nutzflächen gesichert zu haben. Aus Sicht der ausländischen Investoren waren diese Verträge aber legal abgeschlossen und wurden in einem Fall sogar vom ungarischen Obersten Gerichtshof bestätigt.
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