Themenüberblick

Alt und Neu gegenübergestellt

Das Kunsthistorische Museum Wien (KHM), bekannt für seine klassische Kunstsammlung, spannt mit einer aktuellen Schau die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Mit „The Shape of Time“ zeigt das Haus eine Reihe zeitgenössischer Werke, die jeweils im Kontext mit einem Bild der Gemäldegalerie stehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Gemäldegalerie des KHM versteht sich als genau das, was ihr Name verspricht: eine Sammlung kunsthistorisch relevanter Gemälde der großen Maler von Peter Paul Rubens bis Albrecht Dürer, die eines gemeinsam haben – den Aspekt des Historischen. Zeitgenössische Werke sucht man in den pompösen Räumen am Maria-Theresien-Platz normalerweise vergebens.

Nun haben Besucher die Gelegenheit, eine Arbeit Maria Lassnigs neben einem Rubens zu bewundern, ein Spätwerk der Blauen Periode Pablo Picassos neben einem Tizian aus dem 16. Jahrhundert. Mit „The Shape of Time“ wagt sich das Kunsthistorische Museum einen Schritt in Richtung Moderne und stellt Werke aus dem Entstehungszeitraum zwischen 1800 und heute den Klassikern der Gemäldegalerie gegenüber.

19 Gegenüberstellungen

„The Shape of Time“ umfasst insgesamt 19 Gegenüberstellungen und beinhaltet 21 Leihgaben (neun davon von Künstlerinnen, die auch die provokanteren Werke darstellen) aus einigen der führenden Museen und Sammlungen der Welt sowie zwei eigens für die Schau angefertigte Bilder.

Ausstellungsansicht West/Caravaggio

KHM-Museumsverband/Archiv Franz West

Gemälde von Caravaggio und Möbelinstallationen von Franz West

Ausstellungshinweis

The Shape of Time, bis 8. Juli, KHM Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (160 Seiten, 30 Euro) erschienen.

„Von Objekten und Künstlern des Museums ausgehend, haben wir eine Reihe von Begegnungen zwischen Alt und Neu konzipiert, um auf bestimmte Kontinuitäten in der Kunstgeschichte zu verweisen“, sagt der Kurator für Modern und Contemporary Art, Jasper Sharp.

„The Shape of Time“ ist die erste Gruppenausstellung, die das Museum als Teil der Reihe „Modern and Contemporary“ präsentiert. Die gegenübergestellten Werke stammen aus verschiedensten Epochen und Ländern, werden den unterschiedlichsten Schulen zugeordnet und haben doch im einen oder anderen Sinne stets etwas gemeinsam.

Zusammenhänge auf den zweiten Blick

Bei manchen Paarungen sind die Zusammenhänge offensichtlich, bei anderen muss man schon genauer hinsehen und den Werken etwas Zeit geben, um ihren Bezug zueinander und die Intention des Kurators zu verstehen. Während in der Gegenüberstellung von Bronzino und Lucian Freud das gemeinsame Thema der Familie offensichtlich ist, ist der Zugang der beiden Künstler doch ein ganz anderer. Bronzinos Darstellung der „Heiligen Familie“ bekommt durch ein gekonntes Zusammenspiel von kräftigen Farben und Licht den Effekt des Überirdischen.

KHM-Sammlung in neuem Licht

„The Shape of Time“ heißt die Ausstellung, mit der das Kunsthistorische Museum seine eigene Sammlung in ein neues Licht setzt.

Das rund 400 Jahre später entstandene „Large Interior W11 (Nach Watteau)“ Freuds – für Kurator Sharp das Meisterwerk des Künstlers schlechthin - zeigt hingegen eine Patchworkfamilie im weitesten Sinne, zusammengewürfelt aus ihm nahestehenden Menschen. Sowohl thematisch als auch in seiner künstlerischen Umsetzung ist Freud mehr dem Realismus zugetan, im Vergleich zu Bronzinos Idealismus.

Ausstellungsansicht Rembrandt /Rothko

KHM-Museumsverband/2016 by Kate Rothko Prizel and Christopher Rothko

Rembrandt und Rothko: Die Verbindung zwischen den Werken liegt nicht immer im Motiv

Während sich hier also die Interessen beider Maler in der figürlichen Malerei überschneiden, könnten die Ausführungen doch gegensätzlicher nicht sein. Die Verbindung zwischen zwei Kunstwerken kann aber auch auf ganz anderer Ebene bestehen. Im KHM ist ein Werk des niederländischen Barockmalers Rembrandt van Rijn einem des abstrakten US-Expressionisten Mark Rothkos gegenübergestellt. Der Zusammenhang erschließt sich erst, wenn man weiß, dass Rothko ein Bewunderer Rembrandts war.

Franz West als Wegbereiter

Nicht alle Vergleiche stellen Malereien gegenüber. Neben Fotografien, Filmen und Installationen feministischer und außereuropäischer Künstlerinnen und Künstler wie Claude Cahun, Cathrine Opie, Eleanor Antin und Steve McQueen finden auch Möbel von Franz West in der Gemäldegalerie ihr künstlerisches Pendant.

In gewisser Weise war West auch der Wegbereiter für die Schau. 1989 wurden seine Möbelobjekte in der Gemäldegalerie gezeigt. Es war die erste Ausstellung eines noch lebenden Künstlers im KHM. Bereits damals integrierten sich die Metallmöbel Wests in das historische Ambiente des Museums und schlugen eine Brücke zwischen Geschichte und Moderne. Zwei seiner Objekte stehen heute an derselben Stelle wie vor knapp 30 Jahren.

Ausstellungsansicht Lombardo / Gonzalez-Torres

KHM-Museumsverband/The Felix Gonzalez-Torres Foundation, Courtesy of Andrea Rosen Gallery, New York

Tullio Lombardos „Junges Paar", entstanden Anfang des 16. Jahrhunderts (l.), und Felix Gonzalez-Torres’ „Untitled (Perfect Lovers)“ (1987-1990)

Auch wenn das KHM nicht auf zeitgenössische Kunst spezialisiert ist, sind die Gegenüberstellungen durchaus gelungen, und das Haus zeigt, wie man gekonnt das Neue und die großen Werke der Vergangenheit vereinen und ihnen eine gemeinsame Bühne und eine Werkschau auf Augenhöhe bieten kann.

Link: