Welle der Empörung
Die ehemalige Obfrau der Grünen, Eva Glawischnig, verlässt ihre Partei und kommt damit Forderungen aus den eigenen Reihen nach. Die Ex-Spitzenpolitikerin war am Freitag wegen ihres neuen Jobs beim Glücksspielkonzern Novomatic unter scharfe Kritik geraten.
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„Eva Glawischnig hat mir in einem Gespräch zugesichert, dass sie ihre Mitgliedschaft bei den Grünen zurücklegt“, teilte Grünen-Bundessprecher Werner Kogler am Freitag mit. „Wenn Eva Glawischnig sich als Privatperson für eine Tätigkeit bei Novomatic entschließt, ist das natürlich ihre Sache.“
Für die Grünen gilt aber, was immer gegolten hat: „Wir haben uns in der Vergangenheit immer mit der Glücksspielbranche und den dazu gehörigen Konzernen angelegt, und vor allem bei Novomatic völlig zu Recht. Und wir werden die Machenschaften dieses Konzerns auch weiterhin kritisieren und gegebenenfalls bekämpfen“, so Kogler.
Neuer Job zehn Monate nach Politik-Aus
Vor zehn Monaten hatte Glawischnig überraschend ihren Rücktritt von der Spitze der Grünen bekanntgegeben. Für mindestens ebenso viel Überraschung sorgte die ehemalige Spitzenpolitikerin nun mit ihrer neuen Jobwahl. Seit 1. März leitet Glawischnig den Bereich Corporate Responsibility and Sustainibility bei Novomatic.

APA/Herbert Pfarrhofer
Glawischnig wird in Zukunft für Novomatic arbeiten
Sie selbst sehe sich als „Verantwortungsmanagerin“ und wolle sich um ökologische und juristische Fragen sowie um verantwortungsvolles Spielen kümmern, sagte Glawischnig am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Novomatic-Chef Harald Neumann.
„Bärendienst“ für Kärntner Grüne
Laut der ehemaligen Parteichefin hatte sie noch kurz vor der Pressekonferenz ihre engsten früheren Parteikolleginnen und -kollegen informiert. Die Empörung sei ausgeblieben, so Glawischnig. Das galt freilich nicht für viele restliche Teile der Partei. Der steirische Grünen-Chef Lambert Schönleiter zeigte sich „sprachlos“. „Ich gehe davon aus, dass Bundessprecher Werner Kogler jetzt handelt und die Parteimitgliedschaft von Eva Glawischnig sofort ruhend stellt“, sagte Schönleitner im „Standard“.
Schönleitner führte auch den Zeitpunkt des Jobwechsels ins Feld. Glawischnig habe dem Kärntner grünen Spitzenkandidaten und Hypo-Aufdecker Rolf Holub einen „Bärendienst“ erwiesen, sagte der steirische Landesparteichef. In Kärnten wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt, die Landespartei ist aufgrund interner Streitigkeit bereits ohnehin geschwächt.
Glawischnig geht zu Novomatic und verlässt Grüne
Die frühere Parteichefin der Grünen, Eva Glawischnig, geht zum Glücksspielkonzern Novomatic.
Kein Verständnis für neuen Job
Kein Verständnis für das Engagement Glawischnigs bei Novomatic zeigte auch der Vorarlberger Grünen-Sprecher und Umweltlandesrat Johannes Rauch. „Glücksspiel gehört wieder unter die vollständige Kontrolle der Republik Österreich, im Sinne eines bestmöglichen SpielerInnenschutzes. Private Glücksspielkonzerne wie Novomatic tun das Gegenteil.“
Er gehe „davon aus, dass Eva Glawischnig mit dem Tag ihres Dienstantrittes bei Novomatic ihre Mitgliedschaft bei den Grünen zurücklegt“, so der Vorarlberger Landespolitiker. „Es ist eine Frage des Gewissens, was man tun, wenn man eine politische Laufbahn beendet hat“, sagte die Grünen-Landessprecherin in Oberösterreich, Maria Buchmayr - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Mit ihrer Enttäuschung nicht hinter dem Berg hielt Berivan Aslan, die von 2013 bis 2017 mit Glawsichnig im Nationalrat saß. „Was ist mit den Machenschaften des Novomatic-Konzerns? Was ist mit der Spielsucht, die tausende Familien zerstört? (...) Ich kann euch gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin“, schrieb die frühere Abgeordnete auf Twitter.
„Wie Biobeauftragter bei Monsanto“
Ganz ähnlich las sich das Posting des EU-Abgeordneten Michel Reimon. Er schrieb, dass „Novomatic ein Konzern ist, der mit Süchtigen Profit macht und bekämpft gehört“. Und weiter: „Wennst dich für jemanden in die Schusslinie stellst, schau drauf, dass du dich ein Jahr später nicht wie ein Volltrottel fühlst.“ Reimon hatte vor einem Jahr Glawischnig gegen innerparteiliche Kritik verteidigt.
„Das ist ungefähr so, wie wenn man Biobeauftragter bei Monsanto wird. Ich bin persönlich maßlos enttäuscht. Das geht überhaupt nicht“, sagte der Salzburger Landtagsabgeordnete der Grünen, Simon Heilig-Hofbauer, der sich seit Jahren für strengere Auflagen und Strafen beim Glücksspiel einsetzt.
Grüne in Wien und NÖ: Novomatic weiter bekämpfen
Etwas sanfter beurteilte die Causa die niederösterreichische Landessprecherin Helga Krismer. „Nach dem Ausscheiden bei den Grünen ist die Wahl des beruflichen Fortkommens eine private Entscheidung, so wie das Gewissen eine private Angelegenheit ist. Das Verhältnis der Grünen zu Novomatic bleibt unverändert. Insbesondere, da Novomatic ein niederösterreichischer Konzern ist, werde ich weiterhin gegen das kleine Glücksspiel ankämpfen, weil es Menschen und Familien in den Ruin treibt.“
Ähnlich klang die erste Stellungnahme der Wiener Landespartei. Man werde die „Novomatic-Machenschaften weiterhin bekämpfen“, so der Wiener Grünen-Klubobmann David Ellensohn in einer Aussendung. „Der Konzern Novomatic ist mittlerweile rechtskräftig vom OGH verurteilt worden, weil er jahrelang Glücksspielautomaten in Wien aufgestellt hat, die nicht dem Gesetz entsprochen haben.“
Es gehe ihm aber nicht um „einzelne MitarbeiterInnen“, sondern um die Praktiken des gesamten Konzerns - mehr dazu in wien.ORF.at. Etwas persönlicher wurde die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou: „Auf gut Wienerisch: Das haben wir gebraucht wie einen Stein am Schädel“, sagte sie gegenüber dem „Standard“.
Glawischnig lobt Internationalität
Glawischnig selbst rechtfertigte ihren Wechsel zu dem Glücksspielkonzern: An Novomatic würden sie vor allem die Internationalität und gleichzeitig das Bekenntnis zum Standort Gumpoldskirchen faszinieren. Und „Novomatic ist im Wesentlichen ein Hightech-Konzern“. Dass sie selbst in ihrer Rolle als Grünen-Politikerin den Konzern scharf angegangen war, sah sie nicht als Widerspruch. In ihrer neuen Funktion „bleiben meine Werte dieselben“, sagte Glawischnig. „Meinen kritischen Geist kann und werde ich nicht aufgeben.“
Vor noch nicht einmal einem Jahr hatten die Aussagen Glawischnigs zu Novomatic noch anders geklungen. In der ORF-Sendung „Im Zentrum“ am 9. April 2017 sprach Glawischnig als damalige Grünen-Chefin davon, „dass die, die halt Geld haben, Einfluss haben, wie die Novomatic, ich spreche es auch offen aus, auch wirklich Gesetze beeinflussen“.
„Nicht wegzuverbieten“
In ihrem neuen Job werde es wesentlich um den Dialog mit den „Stakeholdern“, also auch der Politik gehen, so die frühere Grünen-Chefin. Sie räumte auch ein, dass sie 2010 gegen das Glücksspielgesetz gestimmt habe, weil es den Grünen damals zu wenig gewesen sei. Sie sei - wie auch Novomatic - der Meinung, eine Regulation sei sehr wichtig. Aber man könne „unerwünschte gesellschaftliche Erscheinungen“ wie Spielsucht nicht „wegverbieten“, so die Ex-Politikerin.
Novomatic sei beim Spielerschutz sehr gut. Als sie selbst in einer Automatenhalle in Niederösterreich versucht habe zu spielen, sei ihr das erst nach einigem Warten und ein paar Telefonaten gelungen. Die Systeme hätten sie zuerst nicht hineingelassen, weil sie als PEP (politically exposed person) erkannt worden sei. Politiker unterliegen automatisch strengeren Restriktionen, um Geldwäsche hintanzuhalten. „Das ist der beste Beweis, dass das System funktioniert“, so Glawischnig.
Andere gingen Weg bereits vor
Glawischnig ist nicht die erste (Ex-)Politikerin, die bei Novomatic anheuert. Der nunmehrige EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) war von 1997 bis 2003 während seiner Zeit als Wiener Landtagsabgeordneter Novomatic-Vorstand. Der frühere Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) wiederum saß von 2004 bis 2011 im Aufsichtsrat des Unternehmens. Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) beriet Novomatic in Südamerika und Osteuropa und war auch Aufsichtsrat der deutschen Tochter Löwen Entertainment.
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