UNO unternimmt „letzten Versuch“
Nach den erfolglosen Syrien-Beratungen der UNO am Donnerstag über eine Resolution zum Waffenstillstand in Syrien wird Ostghuta nahe Damaskus weiter angegriffen. Seit Tagen steht die Rebellenenklave unter Dauerbeschuss von Regierungstruppen. UNO-Diplomaten unternehmen jetzt einen „letzten Versuch“ und hoffen auf eine Einigung am Freitag.
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Binnen sechs Tagen seien in Ostghuta mehr als 430 Zivilisten getötet worden, darunter rund hundert Kinder, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mitteilte. Mehr als 2.200 seien seit Sonntag verletzt worden. Mehreren Hilfsorganisationen zufolge sollen rund 400.000 Zivilisten fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten sein.

Reuters/Brendan McDermid
Die Gespräche des UNO-Sicherheitsrats am Donnerstag scheiterten
Sicherheitsrat „fordert“ Waffenstillstand
Die gescheiterten UNO-Gespräche am Donnerstag weisen darauf hin, dass es auch dieses Mal nicht einfach werden könnte. Vorreiter der Waffenstillstandsresolution sind erneut die UNO-Botschafter aus Schweden und Kuwait, die auch schon den ersten Entwurf eingebracht hatten. Die Vorlage wurde nun leicht geändert, um den Bedenken der Vetomacht Russland entgegenzukommen. Ob Moskau, ein wichtiger Verbündeter des syrischen Regimes, den Text passieren lässt, ist offen.
Die aktualisierte Fassung wurde deshalb an einigen Stellen abgeschwächt. Es heißt nun etwa darin, dass der Sicherheitsrat einen Waffenstillstand „fordert“. In der vorherigen Fassung war davon die Rede, dass der Sicherheitsrat „entscheidet“, dass es einen Waffenstillstand geben müsse. Angesichts der Hunderten toten, verletzten und gefährdeten Zivilpersonen seien diese minimalen Änderungen nur sehr schwer zu fassen, so die Kritiker Russlands.
Syrien: Neuer Anlauf für Feuerpause
In den vergangenen Tagen starben in Ostghuta Hunderte Zivilisten. Nachdem der UNO-Sicherheitsrat im ersten Anlauf zu einer Feuerpause scheiterte, wird am Freitag erneut versucht, eine Resolution zu erreichen.
Russland stellte sich gegen Waffenruhe
Die Vorwürfe, dass alle Versuche einer Waffenruhe bisher gescheitert sind, richten sich in erster Linie gegen Moskau. Russland habe sich „einmal mehr selbst bei schlimmsten Völkerrechtsverletzungen schützend vor das Assad-Regime“ gestellt, so ein Sprecher des deutschen Außenministeriums, indem es die Resolution boykottiert habe.
Denn die zweiwöchigen Beratungen des Sicherheitsrats über eine Resolution für die Forderung nach einem 30-tägigen Waffenstillstand waren am Donnerstag in New York wegen der Einwände Russlands ergebnislos zu Ende gegangen. Der russische UNO-Botschafter Wassili Nebensia sagte, Schweden und Kuwait hätten eine Abstimmung gefordert, obwohl es unter den 15 Ratsmitgliedern „kein Übereinkommen“ gebe. Eine Waffenruhe müsse „machbar“ sein und nicht „jenseits der Realität“, fügte er hinzu und legte zahlreiche Änderungsvorschläge vor.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BBC/Institute for the Study of War/liveuamap.com
Der Resolutionsentwurf sieht eine Feuerpause in Syrien vor und fordert den sofortigen Stopp aller Belagerungen inklusive jener in Ostghuta. Die Vorlage soll auch Hilfslieferungen sowie die Rettung Verletzter ermöglichen. Nebensia beklagte die „Katastrophenrhetorik“ anderer Ratsmitglieder, die nichts mit der wahren Lage in Syrien zu tun habe. Syriens UNO-Botschafter Baschar Dschaafari zog vor dem Rat eine Parallele zwischen der derzeit umkämpften Rebellenenklave Ostghuta und der nordsyrischen Metropole Aleppo, die Ende 2016 nach zerstörerischen Kämpfen von Regierungstruppen zurückerobert worden war. „Ja, Ostghuta wird ein neues Aleppo“, sagte Dschaafari.
„Wenigstens eine Atempause“
Es sei „kaum zu verstehen, dass die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen heute (Donnerstag, Anm.) nicht zu einer Einigung gefunden haben“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. „Sie hätte den geschundenen Menschen in Syrien und vor allem Hunderttausenden eingeschlossenen Zivilisten in Ostghuta wenigstens eine Atempause von unaufhörlichen Luftangriffen und brutaler Gewalt verschafft.“ Hilfsorganisationen, etwa Ärzte ohne Grenzen (MSF), berichteten davon, dass auch Krankenhäuser und Schulen mit den besonders gefährlichen Fassbomben angegriffen würden.

Reuters/Bassam Khabieh
Wegen des heftigen Beschusses in Ostghuta können selbst Rettungshelfer nicht mehr auf die Straße, um Opfern zu helfen
Seit Sonntag seien 13 Kliniken angegriffen und zerstört oder beschädigt worden. Die Menschen seien praktisch gefangen, litten Hunger, es gebe kaum Medikamente. MSF fordert seit Tagen, die Lieferung von Medikamenten und medizinischer Ausrüstung zu ermöglichen und Angriffe auf Ärzte und Patienten einzustellen. Ein Aktivist aus Ostghuta berichtete der dpa am Donnerstag zudem, dass wegen des heftigen Beschusses selbst Retter nicht mehr auf die Straße könnten, um Opfern zu helfen. „Dutzende Granaten fallen jede Minute herunter“, sagte Masen al-Schami.
Türkei: Russland und Iran müssen Angriffe stoppen
Unterdessen rief der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Russland und den Iran auf, Angriffe ihres syrischen Verbündeten auf Ostghuta zu unterbinden. Die syrische Regierung habe damit gegen Abkommen verstoßen, kritisierte Cavusoglu am Freitag in Ankara. „Deshalb müssen Russland und der Iran das Regime stoppen.“ Cavusoglu forderte zudem eine Feuerpause. „Damit der politische Prozess nicht zum Stillstand kommt, muss es auf dem Feld einen Waffenstillstand geben“, sagte er. Auch Russland müsse bei dem Thema sensibel sein. „Jedes Land muss als Garantiemacht noch mehr Verantwortung übernehmen.“
Doch auch die Regierung von Recep Tayyip Erdogan ist im Syrien-Krieg nicht unbeteiligt. Am 20. Jänner begann der türkische Staat eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in der nordsyrischen Region Afrin. Die Türkei sieht die YPG als Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und damit als Terrororganisation. Berichte über getötete Zivilisten in der Afrin-Offensive bestreitet die Türkei.
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