Experten: Angekratztes Image am Balkan
Ihre fünfte Auslandsreise führt die FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl am Donnerstag und Freitag nach Sarajevo. Im Mittelpunkt des Besuches sollen EU-Themen stehen. Aber auch die Aussage von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zur bosnisch-serbischen Teilrepublik Republika Srpska könnte Thema werden.
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In einem im Jänner bekanntgewordenen Interview, das bereits im September aufgezeichnet wurde, sagte Strache, dass der bosnisch-serbischen Entität Republika Srpska die „Möglichkeit der Unabhängigkeit“ gegeben werden solle. Serben und Kroaten in Bosnien und Herzegowina sollen „das Recht bekommen, selber über ihr Schicksal entscheiden zu dürfen“. Die einzige Struktur, die in Bosnien-Herzegowina funktioniere, sei die Republika Srpska, deswegen sehe er „keine positive Zukunft“, so der FPÖ-Chef. Später sagte Strache, er stehe „zur staatlichen Integrität Bosnien-Herzegowinas, genauso zum Selbstbestimmungsrecht der Völker für einen nachhaltig notwendigen Friedensprozess“.
Orden von Dodik
Kritik hagelte es auch für FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der im Jänner anlässlich des verfassungswidrigen „Nationalfeiertages“ in die Hauptstadt der Republika Srpska, Banja Luka, reiste. Dort bekam er - ebenso wie Strache - vom Präsidenten der bosnischen Serben Milorad Dodik einen Orden überreicht.

APA/Georg Hochmuth
Auf Einladung von Strache: Präsident Milorad Dodik im Herbst 2015 beim FPÖ-Chef
Sowohl die Opposition als auch anerkannte Experten sahen durch die umstrittene Balkan-Politik der FPÖ - nun in Regierungsfunktion - die Glaubwürdigkeit Österreichs am Balkan beschädigt. Kneissl wollte beide Fälle damals nicht kommentieren, es ist aber davon auszugehen, dass sie im Zuge ihrer Reise damit konfrontiert wird.
Angesprochen auf Straches Aussage zur Republika Srpska verwies Kneissl vor einem Monat gegenüber dem „Standard“ auf die territoriale Integrität Bosniens, zu der auch Strache stehe und kündigte an, sie werde nach Sarajevo reisen und „hoffe auf eine Gelegenheit, das Thema zu erörtern und gegebenenfalls zu klären“.
Treffen mit Regierungschef und Amtskollegen
Kneissl wird am Donnerstag Gespräche mit Regierungschef Denis Zvizdic sowie Außenminister Igor Crnadak führen. Am Freitag steht ein Besuch im Staatspräsidium und Treffen mit den wichtigsten religiösen Vertretern des Landes, Großmufti Husein Kavazovic, Kardinal Vinko Puljic sowie Metropolit Hrisostom auf der Agenda.

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Kneissls fünfte Auslandsreise führt sie nach Sarajevo, in die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina
Am Donnerstag wird Kneissl zudem das Österreich-Kontingent (AUTCON) der EU-Friedensmission in Bosnien (EUFOR/ALTHEA) besuchen. Österreich ist mit 214 Bundesheer-Soldaten größter Truppensteller. Auch Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) wird an diesem Tag im Zuge einer Auslandsreise das Camp Butmir nahe der bosnischen Hauptstadt besuchen.
„Kandidatenstatus nicht ohne Gegenleistung“
Kneissl hob im Vorfeld ihrer Reise die guten Beziehungen zu Bosnien-Herzegowina auf vielen Ebenen hervor, es solle aber auch über „bekannte Probleme in der Region“ gesprochen werden, hieß es aus dem Außenministerium.
Auch werde es um ein „verstärktes Engagement im Bereich EU“ gehen. „Den Kandidatenstatus wird es nicht ohne Gegenleistung geben“, stellte die Außenministerin jedoch klar. Der EU-Pfad könne nur dann beschritten werden, wenn auch entsprechende Reformen umgesetzt werden.
2016 EU-Beitrittsantrag gestellt
Die EU hatte 2008 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien-Herzegowina geschlossen. Dieses ist allerdings erst seit Juni 2015 in Kraft, nachdem sich führende bosnische Politiker zuvor zu Reformschritten zwecks EU-Annäherung des Landes verpflichtet hatten.
2016 hatte Bosnien seinen Antrag zur Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten gestellt. Anfang des Monats übermittelte Bosnien nun einen ausgefüllten Fragebogen an Brüssel, der Grundlage für die Entscheidung über die Verleihung sein wird.
Dodik wegen Separatismus bekannt
Dass die Beantwortung der Fragen relativ lange dauerte, dürfte an den vielen Unstimmigkeiten zwischen den politischen Vertretern der verschiedenen Volksgruppen liegen. Oft ist die Politik gelähmt, da die Eigeninteressen der drei Staatsvölker - Bosniaken, Kroaten und Serben - in der Regel weit auseinanderliegen.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Balkan-Experte Petritsch sieht Aussagen zu einer möglichen Sezession des serbischen Teils als Gefahr für die Region
Das rund 3,9 Millionen-Einwohner-Land wurde durch das Dayton-Friedensabkommen, mit dem Ende 1995 der dreijährige Bosnien-Krieg beendet wurde, als ein aus zwei Landesteilen - der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Serbischen Republik (Republika Srpska) - bestehender Staat auf die Beine gestellt. Die gesamtstaatlichen Institutionen haben allerdings eher geringe Befugnisse, und vor allem Dodik, der Präsident der Republika Srpska, fällt immer wieder durch seine separatistischen Tendenzen auf.
Dzihic: „Viele Fragezeichen“ bei Österreichs Linie
Österreich gilt am Balkan als verlässlicher politischer und wirtschaftlicher Partner mit einer klaren und eindeutigen Haltung. Angesichts einiger Aussagen von FPÖ-Politikern sehen Experten ein angekratztes Image. Österreich habe auf dem Balkan schon an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Es herrschten „sehr viele Fragezeichen“ über die österreichische Linie und teilweise Enttäuschung und Verbitterung, sagte der Balkan-Experte Vedran Dzihic im APA-Interview.
Zuletzt sorgte Strache außerdem für Aufregung, als er über das seit 2008 unabhängige Kosovo in einem Interview mit der Belgrader Zeitung „Politika“ sagte, dieser sei „zweifellos ein Teil Serbiens“. Der FPÖ-Chef ließ das zunächst über seinen Sprecher dementieren, das Zitat in dem schriftlich geführten Interview lag allerdings schwarz auf weiß vor. Balkan-Experten und Vertreter der anderen Parteien äußerten sich entsetzt über die Aussage und warfen der FPÖ quasi Zündeleien in der Region vor.
„Gefährliche Aussagen“
Auch Wolfgang Petritsch, ehemaliger EU-Sonderbeauftragter für das Kosovo und früherer Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, sieht die Glaubwürdigkeit Österreichs „eindeutig angeschlagen“. „Ich höre immer wieder die Sorge, dass sich Österreich zu einem unsicheren Faktor am Balkan entwickelt“, sagte Petritsch kürzlich zur APA.
Die Aussagen zur Republika Srpska seien aus österreichischer Sicht besonders gefährlich. „Eine Sezession des serbischen Teils bedeutet wohl das Ende des Bosnien-Friedensvertrages und würde mit großer Sicherheit zu Krieg und Vertreibung führen.“ Gerade in diesen Tagen steige die Kriegsgefahr, warnte der Balkan-Experte. Denn Russland liefere seit einiger Zeit Waffen in die Republika Srpska. Auch lokale Politikanalysten bezeichnen das als „Spiel mit dem Feuer“.
„Balkan hat genügend verbale Brandstifter“
„Russland will der EU am Balkan eins auswischen“, so Dzihic, der einen Wettstreit zwischen den beiden Playern ortet. Und dieser Anti-EU-Kurs sei es auch, der Russland und die FPÖ verbinde. Das sei die „Widerspiegelung einer sehr tiefen ideologischen Haltung“. Der gesamte Balkan scheine ein „ganz wichtiges Exerzierfeld für ideologische Verbündete zu sein“.
Es sei schwer zu glauben, dass diese und ähnliche Aussagen zufällig und aus Naivität passieren, sagte Dzihic. Als Oppositionspartei gehörten sie zum Standardrepertoire - Dzihic: „Da hat die FPÖ ja immer gern gezündelt“ -, aber von einer Regierungspartei erwarte man mehr Verantwortung. Der Balkan habe schon „genügend verbale Brandstifter, da braucht es keinen weiteren“, so Petritsch.
Kneissl werde bei ihrem bevorstehenden Besuch in Bosnien-Herzegowina klarstellen müssen, wo Österreich steht, sind sich die Experten einig. „Sprachliche Beschwichtigungen werden die negativen Eindrücke sicher nicht abfedern können“, so Dzihic. Petritsch, der neben seiner Diplomatenkarriere auch bei der Nationalratswahl 2002 für die SPÖ kandidiert hatte, sieht auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gefordert. Dieser müsse „seinen Vizekanzler in die Schranken zu weisen. Das ist jetzt auch sein Problem. Abwiegeln, verharmlosen geht nicht.“
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