Themenüberblick

Showdown in Quiberon

Donnerstagabend ist die 68. Berlinale mit dem Animationsfilm „Isle of Dogs – Ataris Reise“ des US-Regisseurs Wes Anderson eröffnet worden. Österreichische Produktionen und Koproduktionen sind in diesem Jahr in Berlin besonders stark vertreten. „3 Tage in Quiberon“, eine österreich-französisch-deutsche Koproduktion, ist gar im Rennen um den Goldenen Bären.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der in Schwarz-Weiß gedrehte Spielfilm der Regisseurin Emily Atef bietet ein Wiedersehen mit Romy Schneider. Gespielt wird sie von Marie Bäumer, die Schneider verblüffend ähnlich sieht. Erst von der deutschen Presse gehätschelt, dann, als sie ihre Karriere in Frankreich fortsetzte, vor allem mit Häme überschüttet, zog sich Schneider 1981 zusammen mit ihrer Freundin Hilde Fritsch (Birgit Minichmayr) in das bretonische Seebad Quiberon zurück.

Filmszene aus "3 Tage in Quiberon"

Rohfilm Factory/Prokino/Peter Hartwig

Schneider (Marie Bäumer, links) und ihre Freundin Fritsch (Birgit Minichmayr)

Wirklich entspannen konnte sich die Schauspielerin aber nicht an der Atlantikküste. Denn Schneider hatte zugestimmt, dass ein Reporter, der „Stern“-Journalist Michael Jürgs (Michael Gwisdek) und ein renommierter Fotograf, nämlich Robert Lebeck (Charly Hübner), sie dort besuchen. Atef, die in Berlin lebende Regisseurin mit iranisch-französischen Wurzeln, hat aus diesem historisch belegten nervenzerrenden Zusammentreffen eine Charakterstudie eines zerbrechlichen Stars zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gemacht.

Unappetitliche Konzernpraktiken

Werner Bootes neuer Film „The Green Lie - Die grüne Lüge“ wird in der Berlinale-Sektion „Kulinarisches Kino“ gezeigt – obwohl er unappetitliche Praktiken global und rücksichtslos agierender Konzerne ins Rampenlicht rückt. Konzerne, die alles tun, um sich von jeder Schuld reinzuwaschen, was „green washing“ genannt wird. Boote („Plastic Planet“, 2009) ist seinem filmischen Ansatz treu geblieben und zusammen mit der Autorin Kathrin Hartmann um die Welt gereist, um die Folgen industrieller Rinderzucht in Brasilien wie auch Brandrodungen im indonesischen Regenwald für die nächste Palmölplantage anzuprangern.

Filmszene aus "Die Grüne Lüge"

Lukas Prudky

Szene aus Bootes bei der Berlinale laufender Doku „The Green Lie - Die grüne Lüge“

In die Sektion „Panorama“ schaffte es Katharina Mücksteins neuer Film „L’Animale“. Die 18-jährige Mati ist in ihrer Dorfclique aus Motocross-Fahrern gut verankert – bis emotionale Verwerfungen die Selbstsicherheit, die die Gang verbreitet, stören. In Mücksteins Coming-of-age-Drama muss sich Mati andere Bezugspunkte knüpfen, um im Leben weiterzukommen. Die Elterngeneration kann dabei scheinbar allerdings auch nicht viel helfen.

Kinohinweise

  • Emily Atefs Film „3 Tage in Quiberon“ ist ab 13. April in ausgewählten österreichischen Kinos zu sehen.
  • Katharina Mücksteins Film „L’Animale“ ist ab 13. März in ausgewählten österreichischen Kinos zu sehen.
  • Werner Bootes Dokumentation „The Green Lie - Die grüne Lüge“ ist ab 9. März in ausgewählten österreichischen Kinos zu sehen.

Für den aus Bayern stammenden, in Wien lebenden Film- und Theatermacher Ludwig Wüst ist „Aufbruch“ sein erster Berlinale-Auftritt. In großer Wortlosigkeit kreisen zwei vom Schicksal gebeutelte Menschen (Wüst selbst und Claudia Martini), die sich getrennt hatten, eine Zeitlang wieder umeinander.

Wüst inszenierte in seinem Film eine „Reise zu den letzten Dingen“, wie er sagte. Darunter fallen für ihn Dinge wie Abschied nehmen, ein Holzkreuz zimmern, ein Feuer entzünden. Wüst, der gelernte Tischler, hat bereits mit mehreren ans Experimentelle angelehnten Arbeiten aufhorchen lassen, zuletzt 2016 mit „Heimatfilm“.

Waldheim als „Prototyp“ des „feigen Beamten“

Ebenfalls im „Forum“ zu sehen ist Ruth Beckermanns neues Dokumentarfilmprojekt, eine Aufarbeitung der Ära Waldheim. Beckermann hatte die ersten Bilder ihres Films bereits 2016 bei der Diagonale in Graz vorgestellt. Damals wollte Beckermann den Film noch „Waldheim oder The Art of Forgetting“ nennen. Jetzt heißt er „Waldheims Walzer“ (und wurde wie die vorgenannten Berlinale-Filme ebenfalls im Rahmen des Film/Fernsehabkommens des ORF gefördert).

Filmszene aus "Waldheims Walzer"

Ruth Beckermann Filmproduktion

Der frühere österreichische Bundespräsident Waldheim steht im Zentrum von Beckermanns Dokumentarfilm

„Als Figur ist Waldheim ziemlich uninteressant“, so Beckermann damals im ORF.at-Interview. „Weder war er ein wirklicher Nazi, noch war er ein Kriegsverbrecher, mehr so ein Prototyp des feigen österreichischen Beamten.“

Beckermann hat Wahlkampfaufnahmen in den Film integriert, die sie 1987 auf dem Wiener Karmelitermarkt gedreht hatte: „Damals war roher und klassischer Antisemitismus auf der Straße. Diese Generation hat noch gelebt! Und die haben einfach die Sau rausgelassen. Die Stimmung war damals so aufgeheizt, ich hab’ am Karmeliterplatz wie am Stephansplatz gedreht bei Wahlkundgebungen und Protesten dagegen. Heute kann man sich diesen Antisemitismus nicht mehr vorstellen.“

„Styx“: Das Meer als existentieller Schauplatz

Der gebürtige Amstettner Wolfgang Fischer („Was du nicht siehst“) eröffnet mit „Styx“ die Reihe „Panorama Special“. Der titelgebende mythologische Grenzfluss zwischen den Lebenden und den Toten ist in diesem Fall das offene Meer, auf dem eine einsame Seglerin auf ein Flüchtlingsboot trifft. „Styx“ ist laut Festivalankündigung auch eine Allegorie, die zeige, dass Humanität zur reinen Utopie verkommen ist.

Filmszene aus "Styx"

Benedict Neuenfels

In „Styx“ trifft Rike (Susanne Wolff) bei einem Segeltörn auf ein Flüchtlingsboot

Rike (Susanne Wolff), eine Seglerin und Ärztin, trifft nach einem Sturm auf ein überladenes Flüchtlingsboot, dessen Insassen zu ertrinken drohen. Gedreht hat Fischer, der unter anderem Malerei und Psychologie studiert hat und erst dann zum Film kam, seinen Film vor der Küste Maltas.

Neue Miniserien als Appetithäppchen

Abseits des offiziellen Programms präsentiert die Drama Series Day Conference im Rahmen des European Film Market (EFM) David Schalkos vom ORF koproduzierte Miniserie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Gedreht werden die sechs Folgen zwar noch bis April in Wien, doch ausschnittsweise werden von „M“ und anderen deutschsprachigen Serienhighlights bereits in Berlin mundgerechte Häppchen dargeboten.

Link: