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„Werde mich voll reinhängen“

SPD-Präsidium und -Vorstand haben am Dienstagabend die Fraktionschefin Andrea Nahles einstimmig als künftige Parteichefin nominiert. Zuvor hatte der bisherige Vorsitzende Martin Schulz seinen sofortigen Rücktritt bekanntgegeben. Bis zur Wahl bei einem Sonderparteitag im April übernimmt SPD-Vize Olaf Scholz kommissarisch die Parteiführung.

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Schon ab kommender Woche steht die neue SPD-Führung vor einer großen Herausforderung. Ab 20. Februar bis zum 2. März stimmen die Parteimitglieder über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Nahles sehe es als ihre vorrangige Aufgabe, „für den Eintritt in die Große Koalition zu werben“. „Ich werde mich voll reinhängen, dass das gelingt“, so Nahles, die ihre Nominierung als „große Ehre“ bezeichnete.

Andrea Nahles und Olaf Scholz

Reuters/Fabrizio Bensch

Vor Nahles wird Scholz interimistischer Parteichef

„Es geht nicht in die Hose“

Nahles bezeichnete die Nominierung als „große Ehre“. „Es ist eine große Verantwortung für unser Land“, sagte sie. Sie hoffe, dass vom Parteitag in Wiesbaden ein „Aufbruchssignal“ ausgehen werde. Nahles verteidigte den Koalitionsvertrag und zeigte sich zuversichtlich, dass die Mitglieder bei der Abstimmung vom 20. Februar bis zum 2. März mit Ja stimmen werden.

„Es geht nicht in die Hose“, sagte sie. Auf die Frage, ob sie ihre politische Zukunft von dem Votum abhängig machen werde, sagte sie: „Mein Schicksal verknüpfe ich mit gar nichts.“

Die Entscheidung für Scholz als kommissarischen Parteichef bis zur Neuwahl auf dem Parteitag begründete Generalsekretär Lars Klingbeil damit, dass der Hamburger Bürgermeister der dienstälteste der sechs stellvertretenden Parteivorsitzenden sei. „Meine Aufgabe ist eine dienende“, sagte Scholz. Auch er betonte, im Vordergrund stehe nun das Werben für den Koalitionsvertrag, über den die Parteimitglieder bis Anfang März abstimmen können. „Die SPD hat sehr gut verhandelt und ein gutes Ergebnis erzielt“, sagte Scholz.

Schulz scheidet „ohne Bitterkeit“ aus dem Amt

„Ich bin sicher, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands wird mit Andrea Nahles an der Spitze zu alter Kraft zurückfinden“, sagte unterdessen Schulz nach der Präsidiumssitzung, die kurz vor dem Vorstand tagte. Er selbst habe den SPD-Parteivorsitz „gerne ausgeübt“, doch „ich scheide ohne Bitterkeit und ohne Groll aus diesem Amt“. Mit seinem Verzicht auch auf die Mitgliedschaft in der neuen Bundesregierung wolle er dazu beitragen, die Personaldebatten in der SPD zu beenden und die Aufmerksamkeit der Mitglieder wieder auf den Koalitionsvertrag zu lenken, der „ein guter Koalitionsvertrag“ sei.

Martin Schulz und Andrea Nahles

Reuters/Hannibal Hanschke

Nahles soll nach den Vorstellungen des Präsidiums Schulz als SPD-Chefin folgen

Ihre Kandidaten für das Kabinett will die SPD erst nach dem Mitgliederentscheid nennen. Im Gespräch ist unter anderem Scholz als Vizekanzler und Finanzminister. Völlig offen ist unter anderem noch, wer Außenminister werden soll.

Rückzug nach großem Druck auf Schulz

Schulz hatte bereits vor einigen Tagen Nahles als seine Nachfolgerin für die Parteispitze vorgeschlagen. Er hatte nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der Union - entgegen vorheriger Aussagen - angekündigt, er wolle Außenminister in einem schwarz-roten Kabinett werden und den Parteivorsitz abgeben. Auf großen Druck hin erklärte er aber kurz darauf seinen Verzicht auf den Ministerposten. Vor dem entscheidenden Mitgliederentscheid steckt die Partei damit in großen Turbulenzen.

Ursprünglich wurde angenommen, dass Nahles die Parteispitze gleich übernehmen würde. Die Idee, Nahles als kommissarische Parteichefin zu benennen, verursachte aber neue Verwerfungen. Aus den Landesverbänden in Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen-Anhalt kam Widerspruch gegen das Vorhaben.

Auch Flensburgs Bürgermeisterin will kandidieren

Nahles wird auf dem Parteitag in Wiesbaden nicht die einzige Kandidatin sein. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange kündigte überraschend ihre Gegenkandidatur an - aus Protest gegen die Vorfestlegung auf Nahles. Chancen werden ihr nicht eingeräumt. Es ist erst die zweite Kampfkandidatur um den Parteivorsitz in der Nachkriegszeit: 1995 trat der Parteilinke Oskar Lafontaine beim Parteitag in Mannheim gegen den Vorsitzenden Rudolf Scharping an und gewann mit 321 zu 190 Stimmen deutlich.

Scholz hofft auf Ruhe nach Querelen

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Vize, Manuela Schwesig, sagte vor der Präsidiumssitzung, die SPD müsse jetzt nach den Turbulenzen der vergangenen Tage „wieder zur Ruhe kommen“. Weiter sagte sie mit Blick auf das Hin und Her um Parteivorsitz und Außenministerium: „Wir müssen diese Chaostage hinter uns bringen.“

Im Interview mit den ARD-„Tagesthemen“ zeigte sich der neue Interimschef Scholz zuversichtlich, dass seine Partei nach den Querelen der vergangenen Tage nun zur Ruhe komme. „Ich bin ganz sicher, dass wir durch die Entscheidung heute dazu beigetragen haben, dass sich jetzt alle auf die Sache konzentrieren“, sagte er laut vorab veröffentlichten Auszügen.

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