Sex für Hilfe in mehreren Fällen
Mitarbeiter der Hilfsorganisation Oxfam sollen Frauen zum Sex als Gegenleistung für Hilfen in Notlagen gezwungen haben. Das berichtete eine ehemalige Topmanagerin der Hilfsorganisation dem britischen Fernsehsender Channel 4. Allein sie habe damals von drei Fällen sexuellen Fehlverhaltens binnen 24 Stunden gehört, schilderte Helen Evans.
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Dabei sei in zwei Fällen auch die Not der Frauen ausgenutzt worden. Evans kritisierte im Kurznachrichtendienst Twitter, dass Oxfam solchen Vorfällen ungenügend nachgegangen sei. Oxfam ist ein internationaler Verbund von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.
Vizechefin: Nicht angemessen reagiert
Nach Berichten über Sexpartys von Oxfam-Mitarbeitern mit Prostituierten in Haiti und im Tschad war am Montag die britische Vizechefin Penny Lawrence zurückgetreten. Sie übernahm damit die „volle Verantwortung“ für das Verhalten von Mitarbeitern in der Karibik und in Afrika, auf das nicht angemessen reagiert worden sei. Als Lawrence 2006 zu der Organisation in Großbritannien stieß, war sie als Programmdirektorin für Teams in Dutzenden Ländern zuständig.

APA/AFP/OXFAM/Charlotte Ball
Oxfam-Vizechefin Penny Lawrence ist zurückgetreten
„Als damalige Programmdirektorin schäme ich mich, dass das unter meiner Aufsicht geschah, und übernehme die volle Verantwortung“, erklärte Lawrence am Montag. Oxfam-Mitarbeiter hatten in Haiti Orgien mit Prostituierten gefeiert - ähnliche Vorfälle soll es bereits zuvor im Tschad gegeben haben. „In den vergangenen Tagen ist uns bewusst geworden, dass wegen des Verhaltens unserer Mitarbeiter im Tschad sowie in Haiti Bedenken geäußert wurden, auf die wir nicht angemessen reagiert haben“, erklärte Lawrence.
Rücktritt, Kündigungen und Entlassungen
Inzwischen sei klar, dass die Vorwürfe gegen den im Mittelpunkt des Skandals stehenden Roland van Hauwermeiren, den damaligen Oxfam-Landeschef im Tschad, und dessen Mitarbeiter bekannt gewesen seien, bevor dieser nach Haiti gewechselt sei.
Nachdem die Vorwürfe intern bekanntwurden, trat er von seinem Posten zurück. Auch zwei andere Mitarbeiter kündigten - die drei kamen damit einer Entlassung zuvor. Vier weitere Mitarbeiter wurden nach Angaben von Oxfam entlassen.
Oxfam bestreitet Vertuschung
Die Zeitung „The Times“ hatte den Skandal ins Rollen gebracht. Sie hatte am Freitag berichtet, Oxfam-Mitarbeiter hätten während ihres Einsatzes nach dem Erdbeben in Haiti 2010 Sexorgien mit Prostituierten gefeiert. Eine 2011 eingeleitete interne Untersuchung habe eine „Kultur der Straflosigkeit“ ans Licht gebracht. Die Organisation bestreitet, die Vorwürfe vertuscht zu haben.

APA/AP/Nick Ansell
Die britische Entwicklungsministerin Penny Mordaunt erwägt, die Zusammenarbeit mit Oxfam zu beenden
Die britische Entwicklungsministerin Penny Mordaunt, die der Organisation Fehlverhalten vorgeworfen hatte, empfing am Montag die Oxfam-Kuratoriumsvorsitzende Caroline Thomson und Geschäftsführer Mark Goldring. Die Ministerin hatte gedroht, die Zusammenarbeit mit Oxfam zu beenden, es sei denn, die Organisation zeige „moralische Führungsstärke“. Im vergangenen Jahr hatte Oxfam von der britischen Regierung 31,7 Millionen Pfund (35,7 Mio. Euro) erhalten.
Ministerin kündigt Pläne an
Mordaunt erklärte im Anschluss an das Treffen, sie habe einen Brief an alle in Übersee tätigen Hilfsorganisationen aufgesetzt. Darin fordere sie die Organisationen auf, mehr zu tun, damit „absolute Gewissheit“ über ihre moralische Führung bestehe. Zudem kündigte die Ministerin Pläne an, um sexuelle Ausbeutung und Missbrauch in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen in den Griff zu kriegen.
Die Oxfam-Kuratoriumsvorsitzende Thomson beschrieb das Treffen mit der Ministerin als „sehr herausfordernd, aber konstruktiv“. Oxfam stimme mit Mordaunts Vorschlägen völlig überein. Es werde zwar dauern, die Ministerin davon zu überzeugen, „dass wir die richtige moralische Führung haben, um guten Gewissens öffentliche Gelder zu erhalten“. Aber die Gespräche würden fortgesetzt.
EU könnte Geldhahn zudrehen
Auch die EU-Kommission drohte am Montag mit dem Entzug von Geldern: Bei Vorwürfen von Fehlverhalten gelte für die EU-Behörde „null Toleranz“, sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel.
Die EU-Kommission verlangte „dringend“ vollständige Aufklärung zu den Vorwürfen. Die Behörde erwarte von ihren Partnern, dass sie „strengen ethischen und professionellen Verhaltensgrundsätzen“ folgten, sagte die Sprecherin. „Wir sind bereit, die Finanzierung an Partner, die sich nicht an die verlangten hohen ethischen Standards halten, zu überprüfen und - falls nötig - einzustellen.“
Die EU-Kommission ist ebenso wie Großbritannien ein wichtiger Geldgeber für Hilfsorganisationen weltweit. Der Sprecherin zufolge erhielt Oxfam Großbritannien im Jahr 2011 aus Brüssel 1,7 Millionen Euro für Hilfsprojekte in Haiti.
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