Hafen auf anderer Seite der Stadt
Nach einem jahrelangen, immer wieder von Protesten von Bewohnern Venedigs begleiteten Streit darüber, dass die riesigen Kreuzfahrtschiffe mitten durch die Lagunenstadt fahren, gibt es nun eine Entscheidung: Künftig dürfen die Schiffe mit Tausenden Touristinnen und Touristen an Bord nicht mehr in der Altstadt anlegen.
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Statt wie bisher durch Venedig am berühmten Markusplatz vorbei sollen ab 2019 zunehmend Schiffe auf der gegenüberliegenden Seite der Lagune am Festland anlegen, teilte Verkehrsminister Graziano Delrio im November vergangenen Jahres mit. In der Industriegegend Marghera auf der anderen Seite der Lagune soll ein eigener Hafen für sehr große Schiffe entstehen, wo auch Passagiere aussteigen können. Für kleinere Schiffe soll ein Kanal umgebaut werden.
Nach der Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ im Jahr 2012 vor einer Insel im Westen Italiens hatte die Regierung in Rom den Verkehr größerer Passagierschiffe deutlich eingeschränkt. Nach Angaben des internationalen Kreuzfahrtanbieter-Branchenverbandes CLIA ging die Zahl der Passagiere in Venedig seit 2013 um eine halbe Million zurück.

ORF.at/Armin Sattler
Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Venedig
Aber noch größere Schiffe erlaubt
Umweltschützer sind trotzdem empört: Denn der Plan sieht laut Medienberichten auch vor, dass Schiffe mit mehr als 96.000 Tonnen in die Lagune einfahren können - wenn auch nicht am Zentrum vorbei. Derzeit sind diese Megaschiffe in der gesamten Lagune verboten. „Sie haben das schlechteste Projekt von allen gewählt“, sagte Luciano Mazzolin vom Anti-Kreuzer-Komitee No Grandi Navi (Keine großen Schiffe) dem Sender Radio Capital. „Wir wollen, dass die Schiffe überhaupt nicht in die Lagune fahren.“ Denn das bringe große Umweltprobleme mit sich.
Hinzu kommt: Das neue Terminal für die Kreuzfahrtschiffe in Marghera ist noch gar nicht fertig. Die Regierung spricht daher von einem Verbot der Kreuzer vor dem Markusplatz in drei oder vier Jahren. Bis dahin dürfen die Schiffe also noch vor der historischen Altstadt fahren.
UNESCO warnte
Anrainer, Kultur- und Umweltschützer klagen schon lange über Schäden, die die Riesenschiffe anrichten: Sie gefährden das ökologische Gleichgewicht in der Lagune, könnten historische Gebäude beschädigen und stoßen Schadstoffe aus. Außerdem spucken sie noch mehr Touristenmassen in der Stadt aus, die sowieso schon vom Ansturm überfordert ist. Auch der UNESCO sind die Kreuzfahrtschiffe schon lange ein Dorn im Auge: Die UNO-Kulturschutzorganisation warnte sogar, Venedig auf die Liste der gefährdeten Kulturgüter zu setzen, wenn keine Lösung gefunden werde.
Bürgermeister zufrieden
„Es reicht, dass der UNESCO und der Welt klar wird, dass wir eine Lösung für die großen Schiffe in der Lagune haben“, sagte Bürgermeister Luigi Brugnaro und zeigte sich äußerst zufrieden mit der Entscheidung, die die Regierung in Rom zusammen mit Vertretern der Region getroffen hatte. „Nach monatelangen Untersuchungen und ernsthafter Arbeit haben wir eine wirkliche Lösung gefunden“, lobte auch Verkehrsminister Graziano Delrio. „Es ist möglich, den Hafen zu entwickeln und die Kreuzfahrtschiffe ankommen zu lassen, ohne das Kulturerbe Venedigs aufs Spiel zu setzen.“
Venedig lebt vom Tourismus - und auch vom Kreuzfahrttourismus, viele Arbeitsplätze hängen davon ab. Seit 1997 ist der Kreuzfahrttourismus nach Angaben des Passagierterminals um 436 Prozent gewachsen. Im letzten Jahr kamen nach Angaben der Hafenbehörde mehr als 1,6 Millionen Kreuzfahrttouristen. Für sie ist eine Fahrt vorbei am Dogenpalast, am Markusplatz und den anderen Sehenswürdigkeiten Venedigs natürlich ein Highlight der Reise. Und bis auf Weiteres wird ihnen dieses Spektakel auch nicht genommen.
Volksbefragung gegen Kreuzfahrtschiffe
Erst im Juni hatten sich 20.000 Venezianer an einer unverbindlichen Befragung über Kreuzfahrtschiffe in der Lagunenstadt beteiligt - und sich klar für einen Bann ausgesprochen. Ausgerufen worden war die Volksbefragung von No Grandi Navi. Diese kämpft seit Jahren für eine Reduktion des Schiffsverkehrs.
Mehr als zwei Millionen Kreuzfahrttouristen kommen jedes Jahr nach Venedig, das bringe 430 Millionen Euro in die Stadt und erhalte mindestens 5.000 Arbeitsplätze, so die Sprecher der Hafenbehörde. Seit der Havarie der „Costa Concordia“ vor der Insel Giglio 2012 ist in Venedig die Sorge stark gewachsen, dass eine ähnliche Katastrophe in der Lagune passieren könnte. „Kreuzfahrtschiffe raus aus der Lagune“, lautet der Slogan der Venezianer gegen die Kreuzfahrtgiganten.
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